Ökonomische Plaudereien

Der Kirchenzehnt und andere Zehnte

BERLIN. (hpd) Geben ist seliger denn Nehmen! Und bei zehn Prozent Trinkgeld für den Pizzaboten kugelt man sich wohl nicht den Arm aus. Auch eine um zehn Prozent längere Fahrzeit zum Lieblingsbuchladen sind eigentlich kein Problem. Anders bei einem sexy Kleid: 10 Prozent mehr Stoff und es ist ein bißchen spießig; 10 Prozent weniger und es ist vielleicht “too much”. Zehn Prozent Preisunterschied beim Tanken fallen sehr Vielen auf. Überhaupt scheint bei Preisen die Sensibilität recht hoch zu sein, besonders bei den Preisänderungen nach oben. Ob zehn Prozent viel sind oder wenig, hängt eben davon ab ob man sie bekommt oder zahlen muß.

Es mag der 23. Oktober des Jahres 585 gewesen sein[1], als der Frankenkönig Guntram die Abgabe des Kirchenzehnten verbindlich machte. Die Gläubigen hatten den zehnten Teil ihrer Erträge abzuführen. Lange Zeit waren das gewöhnlich Naturalien. Im Laufe der Jahrhunderte veränderten sich die Details der Bestimmungen und ihr Geltungsbereich. Unabhängig davon war es jedoch eine enorme Einnahmequelle. Die Gläubigen wurden für den Fall des Nichtzahlens mit Kirchenbann und Ausschluss von den Sakramenten bedroht. Für einen Gläubigen ist das vermutlich eine ernste Sache. Aber sicher stand man auch den nicht ganz so Gläubigen gern bei, wenn es darum ging, sich vom mühsam Erarbeiteten zu trennen – wenn es sein mußte, eben mit Gewalt.

Nun kann man sich heute vor Ansprüchen der Kirche schützen, indem man nicht Kirchenmitglied ist. Die heutige Kirchensteuer ist allenfalls ein später Nachhall des Konzepts “Kirchenzehnt” und auch keineswegs so sicher und umfangreich wie der Zehnte in früheren Tagen. Deshalb hat die Kirche längst andere Quellen erschlossen, was von verschiedenen Autoren sorgfältig untersucht wurde. Aber das Modell “Zehnt” hat für machen ganz offensichtlich einen unwiderstehlichen Charme. Wenn die Menschen sich an so etwas gewöhnt haben, wie es früher der Zehnt war und es heute etwa die Umsatzsteuer ist, ebenfalls praktisch allgegenwärtig und unvermeidlich, so wird es wie das Wetter akzeptiert: es ist eben so. Und wie es scheint, gibt es heute auch so etwas – ähnlich dem mittelalterlichen Zehnt. Es fällt nur weniger auf als die Umsatzsteuer, die auf dem Kassenzettel steht.

10 Prozent für die Bank

Die öffentlichen Schulden sind in Deutschland über Jahrzehnte hinweg fast ständig gewachsen. In jüngerer Vergangenheit ließ sich mancher Verantwortungsträger dafür feiern, wenn die Verschuldung gerade einmal nicht weiter wuchs. An deren Umfang ändert sich dadurch aber nichts.

Insgesamt (Bund, Länder, Gemeinden) stehen mehr als 2.000.000.000.000 Euro[2] an. Das sind mehrere Jahreshaushalte. Privat könnte man schon etwas verunsichert sein, hätte man in vergleichbarer Größenordnung zum Jahreseinkommen Schulden. Diese 2.000 Milliarden Euro kosten Zinsen. Die Größenordnung des Zinsdienstes liegt bei den schon vertrauten 10 Prozent – hier: 10 Prozent der Haushalte.

Da die Schulden (in der Summe) nicht getilgt werden, sind die Zinsen fällig – Jahr für Jahr, ohne Ende, immer wieder und unabhängig davon, ob die gezahlten Zinsen die geliehenen Beträge vielleicht längst übersteigen. Über die Zinsen werden also die Gläubiger mit einem Anteil von ca. 10 Prozent am Zugriff auf die öffentlichen Mittel beteiligt. Es bedarf keiner besonderen Phantasie, sich nutzbringendere Verwendungen für diese 10 Prozent vorzustellen (Bildung, Sozialleistungen, Infrastruktur…).

Im Detail ist die Sache mit den Schulden aber etwas komplizierter. Es geht nicht um einen Kredit sondern um viele Kredite mit unterschiedlichen Konditionen. Diese lösen einander ab und es sind auch verschiedene Gläubiger daran beteiligt. Auch die Zusammensetzung der Gläubigergruppe verändert sich über die Zeit. Wer wissen möchte, in welch interessante Materie er sich da gerade vertieft, mag einmal schauen, wer diese Gläubiger sind. Schließlich möchte man nicht nur wissen, was man schuldig ist, sondern auch, wem.