Radikale Christen wollen Wahlrecht für Frauen abschaffen

"Theo Bros" träumen vom Gottesstaat

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"America first" verschmilzt mit "Christ above all" – sie rebellieren gegen die moderne Welt, sie verachten demokratische Prinzipien, sie träumen offen von einer Theokratie: die sogenannten "Theo Bros". Die christlichen Gotteskrieger haben Frauen- und Minderheitenrechte im Visier. "Gehören Frauen in einer christlichen Nation überhaupt an die Wahlurne?", fragt einer ihrer Pastoren. Die Antwort heißt: "Nein". Die christlichen Fundis sind keine Randerscheinung: Sie haben einen direkten Draht ins Weiße Haus.

Auf TikTok erscheint ein verpixelter Jesus mit dem Slogan "Revolt Against the Modern World! Not because it is modern but because it is Evil" – rebelliert gegen die moderne Welt, nicht weil sie modern ist, sondern weil sie böse ist. Eine wachsende Community rechtsklerikaler junger Männer verbreitet diese Message. Kritiker haben sie spöttisch als "Theo Bros" bezeichnet – angelehnt an "Bro" (Slang für Kumpel) und "Theo" für Theologie. Die "Theo Bros" lehnen die moderne säkulare Gesellschaft ab und träumen von einer Theokratie, in der ausschließlich die Zehn Gebote gelten.

Fundamentalismus 2.0: Radikalisiert im Netz

Die neuen Gotteskrieger rekrutieren sich vor allem online. Mit ihren Clips in den Sozialen Medien verbinden die "Theo Bros" christliche Botschaften mit der Meme-Ästhetik der Internet-Subkultur. Bibelverse werden in neonfarbenen Schriften in einer 80er-Jahre-Computerspielästhetik präsentiert, Heiligenbilder mit Popkultur-Referenzen und Anime-Bilder mit dem Hashtag #ChristPill (in Anlehnung an den Red Pill-Begriff der rechten Szene, ursprünglich aus dem Science-Fiction-Film "Matrix"). "Es ist kein Zufall, dass sich diese Community gerade auf TikTok ausbreitet – man erreicht gezielt ein junges Publikum und schmuggelt so schrittweise seine Ideen ein. So züchtet man die nächste Generation von Faschisten heran", warnt der US-Historiker Thomas Lecaque.

Die "Theo Bros" inszenieren ihre ultra-konservativen Glaubensinhalte als coolen Lifestyle. Auf den ersten Blick sind ihre Clips oft harmlos gehalten, sie rufen ganz beiläufig zu einem christlichen Kampf gegen den Verfall des Abendlandes auf und schwärmen von vormodernen Zeiten. Die Extremisten vermeiden offene Gewaltaufrufe, doch die Codes – von mittelalterlichen Schlachtszenen bis zu Zitaten fanatischer Prediger – lassen erahnen, wie weit einige Anhänger bereit sind zu gehen.

Ideologie: Bibeltreuer Autoritarismus und Antifeminismus

Sie glauben, dass ihre Nation (etwa die USA oder auch europäische Länder) ein christlicher Staat sein müsse, exklusiv für Christen, natürlich nur für weiße Christen. Frauen- und Minderheitenrechte sind ihnen ein Graus. "Gehören Frauen in einer christlichen Nation überhaupt an die Wahlurne?", fragt rhetorisch etwa der texanische Pastor Joel Webbon – und antwortet selbst mit "Nein".

Das Frauenwahlrecht habe "die Familie gespalten", behauptet Webbon in einem YouTube-Kanal der religiösen Rechten; Frauen sollten lieber von ihrem Ehemann vertreten werden, dem "gottgewollten Beschützer und Ernährer". Abtreibung ist für sie Mord, Verhütung ist Sünde. Homosexuelle und trans Personen gelten als "sündhafter Abschaum".

US-Vizepräsident ist ein christlicher Prinz

Diese Szene ist in den USA eng verflochten mit der Regierung: US-Vizepräsident J.D. Vance oder der erzkonservative Supreme-Court-Richter Clarence Thomas gelten in einschlägigen Kreisen als Helden oder sogar Werkzeuge Gottes. Einige "Theo Bros" deuten Reden von Vance als verschlüsselte Signale für einen künftigen christlichen Staat. Ein Daily Kos-Bericht spricht davon, diese Gruppe sehe Vance gar als eine Art "christlichen Prinzen" und Heilsfigur. Extremisten wie Lauren Boebert fordern unverblümt, die Trennung von Kirche und Staat abzuschaffen – mit Erfolg: In zahlreichen Bundesstaaten wurden Abtreibungsverbote, restriktive LGBTQ-Gesetze und gebetsorientierte Schulprogramme eingeführt, die fundamentalistischen Forderungen entsprechen.

Ökumene 2.0 – bibeltreue Evangelisten und traditionelle Katholiken vereint

Die Ideologie der "Theo Bros" vereint den bibeltreuen Eifer der Evangelikalen und den anti-säkularen Machtanspruch radikaler Katholiken. So träumt der evangelikale Influencer-Pastor Webbon von einer puritanischen Gesellschaft, während junge Katholiken, genannt "TradCath" – die Zeit vor dem Zweiten Vatikanum glorifizieren. Beide Richtungen finden im Social-Media-Zeitalter und bei den "Theo Bros" zueinander, teilen Hashtags und Feindbilder. Einig ist man sich in der Ablehnung des Säkularismus: Laizität (die strikte Trennung von Staat und Religion) wird als Quelle allen Übels betrachtet.

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