Ronald Reagans Geist (Teil 3)

Der definitive Link zwischen Monopolismus und Demokratie-Erosion

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Die Demokratische Partei (stilisiert als Maultier) und Uncle Sam (dargestellt als FTC-Ordnungshüter) verpassen einem reichen Geschäftsmann eine Abreibung.

Es gibt einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen dem Niveau der Kompetitivität eines Marktsegments und dem Niveau unpersönlichen Vertrauens, das die Menschen in dieser Branche haben. Diese empirische Tatsache ermöglicht, ein Gefühl zu kontextualisieren, das viele von uns seit Jahren mit sich herumtragen: Irgendwas stimmt mit unserer Demokratie nicht – und das hat was mit dem Internet zu tun.

Ich hatte eigentlich nicht vor, einen dritten Text in dieser Reihe zu schreiben. Nun präsentiert mir die Federal Trade Commission (FTC) aber eine Gelegenheit, die ich einfach nicht ungenutzt lassen kann: Die FTC-Vorsitzende Lina Khan und ihre juristischen Juggernauts haben es tatsächlich geschafft, ein US-Gericht davon zu überzeugen, dass sich Google illegalerweise eine Monopolstellung bei Suchmaschinen und suchmaschinenbasierter Textwerbung verschafft hat. Das Justizministerium fordert nun unter anderem die Zerschlagung, um Google und Andere daran zu hindern, sich erneut zum Monopol zu mausern.

Diese Tatsache ist epochal. Nein, ernsthaft. Denn dass Google nun ein gerichtsfester Monopolist ist, hat nicht nur Implikationen für die anderen laufenden Verfahren gegen beispielsweise Apple oder Meta, sondern ermöglicht, den kausalen Zusammenhang zwischen neoliberaler Konsumwohlfahrt und Demokratie-Erosion in einer bis dato unerreichbaren Schärfe herauszuarbeiten.

Vertrauen und Wettbewerb gehen Hand in Hand

Es gibt da ein Team dreier Forscher, die vor etwa 15 Jahren auf eine geniale Idee kamen: Können wir messen, ob das Vertrauen von Menschen mit der Anzahl der Wettbewerber auf dem Markt korreliert? Lange Studie kurz zusammengefasst: Ja, können wir. Die Untersuchung der Deregulierung des bundesstaatlichen Bankensektors in den USA zeigt, dass auf gesteigerten Wettbewerb (abgebildet durch die Anzahl der Wettbewerber) wenige Jahre später gesteigertes unpersönliches Vertrauen folgte.1

Um Ihre Ergebnisse zu untermauern nahmen sich Francois, Fujiwara und van Ypersele Daten aus Deutschland zwischen 2003 und 2013 zur Brust. Diese Studie zeigte, dass das Level an unpersönlichem Vertrauen eines Individuums steigt, wenn diese Person in ein Marktsegment mit mehr Wettbewerbern wechselt. Sie zeigte auch, dass ein Anstieg des Einkommens nicht mit gesteigertem unpersönlichem Vertrauen einhergeht.2 Dass unpersönliches Vertrauen und Kompetitivität kausal zusammenhängen, lässt sich einem Experiment von Alexander Peysakhovich und David G. Rand entnehmen.3

Um den Anthropologen Joseph Henrich zu zitieren: "Diese Trias von Resultaten zusammengenommen bringt die Sache auf den Punkt: Die (französischen) Laborstudien erlauben es uns, die Ursache für steigendes Vertrauen zu identifizieren – nämlich den zunehmenden Wettbewerb zwischen Gruppen –, während die Studien aus Deutschland und den Vereinigten Staaten es uns erlauben, diese Effekte in realen Volkswirtschaften und in der breiteren Bevölkerung zu beobachten."4

"Wettbewerb ist für Loser"

An dieser Stelle ließe sich der gerechtfertigte Einwand vorbringen, Deregulierung sei eines der Kernanliegen neoliberaler Wirtschaftspolitik und sollte daher vertrauensstärkend wirken. Das Problem ist, dass viele der konkreten Deregulierungsmaßnahmen der letzten fünf Jahrzehnte – Lockerung von Aktienrückkaufsverboten und Firmenfusionsvorgaben beispielsweise – keine wettbewerbsintensivierende Wirkung hatten. Statt mehr Wettbewerbern haben wir weniger, was mit sinkenden Endverbrauchspreisen gerechtfertigt wird – Stichwort Konsumwohlfahrt.

So gerne ich an dem Götzenthron säge, auf den Teile des Libertarismus Milton Friedman gesetzt haben, letztendlich war der Mann auch nur Ökonom. Er sah die Probleme seiner Zeit und meinte, wie zitiert, dass das "maßvolle Privatmonopol" das vergleichsweise geringste Übel sei. Ob ein Privatmonopol jemals "maßvoll" sein kann, sei hier mal dahingestellt. Der springende Punkt ist, dass die vergangenen 50 Jahre ihn widerlegt haben. Das Ziel, marktverzerrende Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft abzuschmelzen, wurde nicht errreicht und der Wettbewerb ist nicht entfesselt, sondern komatös. Die Kosten für diese Monopoltoleranz aber werden nicht nur in finanziellem, sondern auch in politischem Kapital gemessen.

Rein anekdotisch: Hatten Sie jemals den Eindruck, dass das sogenannte Silicon Valley dem Konzept demokratischer Entscheidungsfindung nicht viel mehr als ein Naserümpfen abgewinnen kann? Peter Thiel glaubt nicht länger "dass Demokratie und Freiheit vereinbar sind" und singt in "Competition is for Losers" ein Loblied auf das Monopol. Facebook meint, demokratische Wahlprozesse "sollten dem Wachstum nicht im Weg stehen". Und natürlich wäre da noch der eine, dessen Kurznachrichtenplattform nicht genannt werden darf, mit seiner eigentümlich löchrigen Definition des Konzepts der Redefreiheit und einer Affinität für Desinformation.

Wir haben nun eine befriedigende empirische Begründung für diese Ahnung, die sich beinahe instinktiv bereits seit Jahren in vielen Ecken der Welt und des Internets breitmacht: Irgendwie sind diese Tech-Titanen nicht so gut für die Demokratie.

Wie auch, wenn das Geschäftsmodell dezidiert auf Monopolisierung beruht. Mit jedem aufgekauften oder durch Dumpingpreise ausgestochenen Wettbewerber sinkt das Niveau unpersönlichen Vertrauens bei den Angestellten derjenigen Firmen, die noch in der jeweiligen Branche verbleiben, weiter – von den Chefs ganz zu schweigen. Demokratie lebt vom Kompromiss, doch wer keine Konkurrenz hat, muss keine Kompromisse eingehen. Monopolismus verhält sich zu Marktwirtschaft also wie Autoritarismus zu Demokratie.

Khan she, though?

Der Neoliberalismus ist ein wahrlich dankbarer Prügelknabe, zugegeben. Man kann ihm nahezu alles anlasten und kommt damit davon – Aushöhlung der Mittelschicht, grassierende Vermögensungleichheit sowie die Tatsache, dass die Maß auf dem Volksfest nur noch zu drei Vierteln gefüllt ist. Und in der Tat: Wie man sich die Laffer-Kurve zurechtgebogen hat war ein Witz, und die irre Idee, eine Pyramide von oben bauen zu wollen, von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Doch all das war letztendlich nur blindes Schlagen nach einer politischen Piñata.

Der Philosoph John Gray schrieb 1998: "Die ungewollte Konsequenz der Politik der Marktentfesselung war eine Zersplitterung von Gemeinschaften sowie ein Versiegen des Ethos und des Vertrauens innerhalb der Institutionen, was die ökonomische Erneuerung, die freie Märkte hätten schaffen sollen, gebremst oder gar abgewürgt hat."5 Ein paar Jahrzehnte später hauen Ökonomen wie Joseph Stieglitz und Historiker wie Adam Tooze in die gleiche Kerbe. Und wir wissen nun endlich, warum dieser Zusammenhang besteht: Weil der Neoliberalismus nicht den Wettbewerb entfesselt hat, sondern den Monopolismus.

Die Welt sollte den weiteren Verlauf dieser Verfahren aufmerksam beobachten und eifrig Notizen machen – solange wir noch können. Zwar ist die FTC unter Lina Khan aus ihrem fünfzigjährigen wettbewerbsrechtlichen Tiefschlaf erwacht, doch der Chefsessel der Handelsaufsicht wird vom Weißen Haus vergeben. Dass Khan unter Trump zeitnah den Schreibtisch zu räumen hätte, dürfte gesetzt sein. Harris derweil hat gute – und finanzstarke – Beziehungen zu einigen Persönlichkeiten aus dem Silicon Valley, denen Khans monopolfeindlicher Kurs so gar nicht gefällt. Beispielsweise zu LinkedIn-Gründer Reid Hoffman, der mehr oder minder zufällig auch im Aufsichtsrat von Microsoft sitzt – eine der anderen Firmen, die von der FTC wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße verklagt wird. Eine mögliche Abwiegelung dieser Verfahren sollte die Europäische Union aber nicht davon abhalten, ihr eigenes Wettbewerbsrecht mal kritisch auf Kompatibilität mit der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts zu prüfen. Da geht nämlich noch was.

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  1. Francois, Patrick, Fujiwara, Thomas, van Ypersele, Tanguy, 2011. Competition Builds Trust. Working Paper, Vancouver School of Economics.
  2. Francois, Patrick, Fujiwara, Thomas, van Ypersele, Tanguy, 2018. The origins of human prosociality: Cultural group selection in the workplace and the laboratory. Sci Adv. 2018 Sep 19;4(9):eaat2201. 
  3. Peysakhovich, Alexander, Rand, David G., 2016. Habits of virtue: Creating norms of cooperation and defection in the laboratory. Management Science, 62(3), S. 631–647. 
  4. Henrich, Joseph. Die seltsamsten Menschen der Welt. Wie der Westen reichlich besonders und besonders reich wurde. Suhrkamp, Berlin, Deutschland, 2022, S. 484. 
  5. Gray, John. False Dawn: The Delusions Of Global Capitalism. New Press, New York, USA, 1998, S. 36.