BERLIN (hpd) Das Paradigma aus dem Alten Testament gilt auch heute noch. Anders als in den Fleischfabriken kann man das in den Zoos sogar direkt erleben. Dabei gibt es mit dem Tierschutzgesetz und mit der im Jahr 2001 erfolgten Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz moderne “Richtlinien” im Umgang mit Tieren. Der Psychologe, Wissenschaftsjournalist und Sachbuchautor Dr. Colin Goldner hat untersucht warum und wie die Tiere in den deutschen Zoos leiden und sterben.
Es sieht insgesamt nicht gut aus für die Tiere. Über 50 Milliarden Tiere werden jedes Jahr abgeschlachtet. Viele andere vegetieren in Verschlägen, in viel zu engen Käfigen, wo sie sich umgeben von sterilen Wänden buchstäblich zu Tode langweilen. Um letztere Tiere geht es in diesem Buch. Tiere, die in Deutschland, einem führenden Zooland, ihr ganzes Leben lang unschuldig hinter Gitter verbringen müssen.
Dr. Colin Goldner hat für seine Studie alle 38 deutschen Zoos besucht, in denen große Menschenaffen untergebracht sind. Was er dort vorgefunden hat, hat er detailliert und faktenreich dokumentiert. Dazu zählen auch bewegende Einzelschicksale von Tieren, deren Leidensweg der Autor in form von Fallbeispielen ausführlich nachzeichnet.
Das Ergebnis: Die Wirklichkeit hat mit dem so mühsam gepflegten Bild von Zoo und Tierpark als wichtiger Institution für Volks-Bildung, Wissenschaft sowie Zucht und Arterhaltung überhaupt nichts zu tun.
Die Bedingungen, unter denen die meisten Tiere in deutschen Zoos leben sind schlecht bis sehr schlecht. Gitter, Betonböden, sterile Wände, kaum artgerechte Bewegungsmöglichkeiten, zu viele Tiere auf zu wenig Raum. Daraus resultiert psychischer und sozialer Stress. Das führt zu schweren Verhaltensstörungen und anderen negativen Gesundheitsentwicklungen. Es ist davon auszugehen, dass die Tiere regelmäßig Psychopharmaka bekommen. Auch wenn die Zoobetreiber dies immer wieder vehement bestreiten, gibt es Belege (sogar für Dauermedikationen), die das bestätigen.
Viele dieser (Zoo-) Einrichtungen sind alt und müssten saniert werden. Wenn Umbauten in Zoos medienwirksam vermarktet werden, sollte man hoffnungsvoll annehmen, dass das Leben der Tiere dort besser wird. Fehlanzeige. Das Wohl der Tiere wird ihrer profitablen Zurschaustellung untergeordnet. Der Blick des zahlenden Publikums gelangt nicht hinter die Fassaden. Versuche von Tierschutz- und Tierrechtsverbänden, die Rechts- und Haltungssituation der Zootiere zu verbessern, stößt auf erheblichen Widerstand der Zoobetreiber. Colin Goldner beschreibt dazu die Zusammenhänge präzise und als Leser bekommt man einen guten Einblick, wie diese Einrichtungen tatsächlich funktionieren.
Auf fast der Hälfte der insgesamt 491 Seiten handeln die Kapitel von der: “Kulturgeschichte des Verhältnisses Mensch-Menschenaffe”, von der “Geschichte des Zoos” und vom “Selbstverständnis heutiger Zoos” für “Bildung, Forschung und Artenschutz”. Das ist hochinteressant und es ist erhellend zu lernen, warum wir (bestimmte) Tiere so sehen, wie wir sie sehen. Erkenntnis ist eine wichtige Voraussetzung, um etwas zum Besseren hin ändern zu können.
Colin Goldner zeigt im ersten Kapitel “Zur Kulturgeschichte des Verhältnisses Mensch-Menschenaffe” wie diese Beziehung historisch konstruiert wurde. Das beginnt mit einem Schock. Als nämlich im 17. Jahrhundert die ersten Großen Menschenaffen in Europa auftauchten; nachdem bis dahin solche Wesen für “reine Mythenfiguren” gehalten wurden.
4 Kommentare
Kommentare
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Danke für diesen aufschlussreichen und erschütternden Artikel!
Das Ziel muss aber bleiben, dass die Tiere wieder in ihrem natürlichem Lebensraum überleben können und damit eine Zoohaltung überflüssig wird.
Im Tiergarten Schönbrunn in Wien haben sich die Lebensbedingungen der gefangenen Tiere, was die Käfige/Gehege betrifft, in den letzten Jahrzehnten übrigens in höchst erfreulicher Weise gebessert. Hinter die Kulissen kann ich allerdings nicht schauen.
Anmerkung am Permanenter Link
Ich bin mir nicht so sicher, dass Tiere in der Wildnis tatsächlich weniger leiden als in Zoos.
Wir brauchen einen gedanklichen Wechsel in der Tierethik: Das Leid von Tieren in der Natur muss ebenfalls ernst genommen werden. In diesem Licht ist die Reduktion von natürlichen Populationszahlen positiv zu bewerten (weniger Gesamtleid).
http://foundational-research.org/the-importance-of-wild-animal-suffering/
Claudia am Permanenter Link
"Ich bin mir nicht so sicher, dass Tiere in der Wildnis tatsächlich weniger leiden als in Zoos."
Da rate ich zu einem (gedanklichen) Selbstexperiment: stell dir einfach mal vor, du säßest selbst lebenslänglich in einer wenige qm umfassenden Gefängniszelle.
"Wir brauchen einen gedanklichen Wechsel in der Tierethik: Das Leid von Tieren in der Natur muss ebenfalls ernst genommen werden."
Dieses Argument lenkt davon ab, worum es der Tierethik geht: nämlich um Reduzierung des von Menschen verursachten Leids. Alles andere wäre ein absurdes Unterfangen.
Anmerkung am Permanenter Link
Da auch eine Unterlassung ursächlich sein kann, ist auch das Leid in der Natur, das wir verhindern könnten, aber nicht verhindern, letztlich vom Menschen verursacht.
Ich gebe Ihnen allerdings recht, dass es ein schwieriges Unterfangen ist. Einer Reduktion der Populationszahlen z.B. durch Landwirtschftliche Nutzung der Fläche liegt aber ohnehin im öknomischen Interesse der Menschheit und ist ganz klar machbar.