Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik" (AuK), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.
Karl Popper gehört zu den einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Der von ihm begründete Kritische Rationalismus betont die zentrale Rolle der Kritik für den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt ebenso wie für den sozialen Fortschritt zu einer freien, humanen Gesellschaft. Die Schwerpunkte von Poppers Philosophie liegen auf den Feldern der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie und der Sozial- und politischen Philosophie, doch spielen auch Kosmologie und Metaphysik eine wichtige Rolle. Zu diesen drei Bereichen hat Popper wichtige, zum Teil bahnbrechende Beiträge geleistet.
Als Wissenschaftstheoretiker hat Popper den Status eines modernen Klassikers. Seine "Logik der Forschung" (1934) hat das moderne Verständnis von Wissenschaft und wissenschaftlicher Methode maßgeblich geprägt. Ausgehend von einer Kritik der traditionellen Sicht von Induktion als der spezifischen Methode der Erfahrungswissenschaften hat Popper die Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium empirischer Wissenschaft eingeführt und daraus eine Methodologie entwickelt, die, statt nach Beweisen zu suchen, auf die Ausmerzung falscher Ideen und Theorien setzt, um einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen. Diese falsifikationistische Wissenschaftstheorie hat er in späteren Werken, vor allem in "Vermutungen und Widerlegungen" (1963), zu einer fallibilistischen Erkenntnistheorie erweitert. Ausgehend von der Fehlbarkeit menschlicher Erkenntnis und dem damit verbundenen Verzicht auf absolute Gewissheit hat Popper gegen skeptische und idealistisch-phänomenalistische Auffassungen insbesondere die Position vertreten, dass eine Erkenntnis der Realität möglich ist, auch wenn es dafür keine Beweise geben kann.
Als Verteidiger der Demokratie hat Popper mit seinem zweibändigen Werk "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" (1945) eine breite, weit über die akademische Welt hinausreichende Resonanz gefunden. Die Rede von der "offenen Gesellschaft" ist zu einem Schlagwort in der politischen Diskussion geworden. Poppers politische Philosophie kann als Versuch verstanden werden, die wissenschaftliche Methode auf Politik und Gesellschaft anzuwenden. Eines ihrer zentralen Anliegen besteht entsprechend in der Kritik philosophischer Konzepte, die politisches Denken und Handeln in die Irre führen. Ebenso scharfsinnig wie polemisch wendet Popper sich sowohl gegen den Historizismus, der die Zukunft der Gesellschaft anhand vermeintlicher historischer Gesetze voraussagen möchte, als auch gegen die eng miteinander verknüpften Positionen des Utopismus und Holismus, die eine Totalrevision der Gesellschaft auf der Basis eines um-fassenden Bauplans anstreben. Diese politischen Konzepte, die Popper vor allem bei Platon und Marx untersucht hat, sind nach seiner Ansicht wissenschaftlich unhaltbar und bereiten zudem totalitärem Denken den Weg. Mit diesen Kritiken verfolgt er das Ziel, die demokratische, offene Gesellschaft gegen ihre Kritiker und Feinde zu verteidigen. Eine offene Gesellschaft basiert nach Popper auf der Anerkennung aufklärerischer Werte wie Freiheit und Würde des Individuums und sie ist geleitet von dem Vertrauen, dass der Mensch aus Fehlern lernen kann und dass gesellschaftliche Fortschritte durch Kritik und Offenlegung von Missständen erreicht werden können.
Als Metaphysiker hat Popper keinen vergleichbaren Einfluss wie als Wissenschaftstheoretiker oder politischer Denker gehabt. Gleichwohl sind auch seine diesbezüglichen Beiträge wichtig. Es entbehrt nicht der Ironie, dass Popper noch als "Positivist" angegriffen wurde, als er sich schon längst metaphysischen Fragen zugewandt hatte. Wichtig sind zunächst seine Bemühungen, die rationale Diskutierbarkeit metaphysischer Fragen nachzuweisen und damit den Bereich der Rationalität über den der Wissenschaften hinaus auszudehnen. Metaphysische Positionen betrachtete er seitdem als empirisch-wissenschaftlich unwiderlegbar, aber doch als rational kritisierbar. Eigene Beiträge hat Popper zu den klassischen Fragen der Willensfreiheit und des Leib-Seele-Problems geliefert. Mit der vor allem in seinem Spätwerk "Das Ich und sein Gehirn" (1977) entwickelten 3-Welten-Theorie hat er schließlich eine umfassende metaphysische Konzeption vorgelegt, die neben dem physisch Realen noch psychische Prozesse und gedankliche Inhalte als eigene Bereiche (oder Schichten) der Realität anerkennt. Eigenart und Problematik dieser Theorie liegen vor allem darin, dass sie eine platonistische Sicht des Geistigen mit einer evolutionären Kosmologie zu verbinden versucht.
Poppers metaphysische Auffassungen haben auch bei Kritischen Rationalisten Widerspruch er-fahren. Gleichwohl sollte beachtet werden, dass er damit den Versuch unternommen hat, eine, wenn auch strittige, metaphysische Fundierung der Freiheit und Würde des Menschen zu geben. Auch als Metaphysiker bleibt Popper den Werten der Aufklärung verpflichtet. Die aufklärerische Idee von der "Selbstbefreiung durch Wissen", also die Überzeugung, dass Wahrheit und Humanität durch kritische Vernunft erreichbar sind, hat er stets gegen alle Formen des Relativismus energisch verteidigt. Dieses Grundvertrauen in die Vernunft, das Popper als modernen Aufklärer auszeichnet, zieht sich durch die folgenden Beiträge.
Thomas Riessinger stellt Poppers "Logik der Forschung" zusammenfassend dar. Beschrieben wird zunächst, wie Popper durch Auseinandersetzung mit dem Wiener Kreis das Manuskript "Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie" verfasst und wie durch dessen Überarbeitung die "Logik der Forschung" entsteht. In der Darstellung der Inhalte dieses Werks geht der Autor auf die wichtigen, zum Teil schwierigen Themen des Buches ein, von der Induktions- und Abgrenzungsproblematik bis zu Fragen der Wahrscheinlichkeits- und Quantentheorie, und vermittelt damit eine umfassendes Bild von Poppers Wissenschaftstheorie. In den abschließenden Betrachtungen zur Wirkungsgeschichte des Werks wird vor allem die von Thomas Kuhn angestoßene Debatte um Poppers Sicht des Erkenntnisfortschritts beleuchtet.
Den akzeptablen Kern von Poppers falsifikationistischer Methodologie versucht Volker Gadenne herauszuarbeiten. Anknüpfend an Hans Alberts Verständnis von Methodologie als Technologie der Erkenntnis werden die methodologischen Regeln Poppers daraufhin befragt, ob und wie weit sie dem Ziel der Erkenntnisgewinnung dienlich oder hinderlich sind. Als unverzichtbar werden der Fallibilismus und der Verzicht auf Letztbegründungsansprüche gewürdigt. Ebenfalls als akzeptabel, wenngleich als präzisierungsbedürftig wird die Forderung der kritischen Prüfung hervorgehoben. Hingegen versucht der Autor zu zeigen, dass das Abgrenzungskriterium der Falsifizierbarkeit der heuristischen Funktion metaphysischer Ideen nicht ganz gerecht wird. Andere methodologische Regeln wie der Vorschlag, Falsifikationen als endgültig zu betrachten, oder die Forderung, nur gehaltvermehrende Hilfshypothesen zuzulassen, werden als verzichtbar oder unwesentlich für Poppers Grundposition herausgestellt.
Durch das Kriterium der Falsifizierbarkeit grenzt Popper die empirischen Wissenschaften nicht nur von der Metaphysik, sondern auch von unwissenschaftlichen Theorien ab. Mit Poppers Kritik der Pseudowissenschaften befasst sich Martin Morgenstern. Ausgangspunkt sind Poppers Schlüsselerlebnisse von 1919, die ihn am Wissenschaftscharakter der Theorien von Marx, Freud und Adler zweifeln ließen. Als Grundlage seiner späteren Kritik werden wissenschaftliche von pseudowissenschaftlichen Erklärungen unterschieden. Anschließend werden nacheinander Poppers Kritik des Marxismus und der Psychoanalyse vorgestellt, denen er jeweils Verstöße gegen die Forderung empirischer Prüfbarkeit sowie Immunisierungen gegen Kritik vorwirft. Zur Sprache kommen dabei auch die von Popper gesehenen unterschiedlichen Entwicklungstendenzen von Marxismus und Psychoanalyse.
Mit Poppers Rationalitätskonzeption befasst sich Ulrich Steinvorth. Gegen die von Popper in der Offenen Gesellschaft vertretene These vom irrationalen Vertrauen in die Vernunft wird die Position begründet, dass der Mensch als denkendes Wesen, der zwischen Alternativen abwägen kann, sich immer schon in einer rationalen Einstellung befindet. Sodann wird die wissenschaftliche Fruchtbarkeit von Poppers Auffassung verdeutlicht, dass Willensfreiheit sich als eine Art Meta-Hirnprozess verstehen lässt, der Hirnprozesse erster Ebene mittels Welt 3-Standards steuert. Dabei wird der enge Zusammenhang zwischen Vernunft und Freiheit herausgestellt. Über Popper hinausgehend entwickelt der Autor schließlich die Thesen, dass es ohne Willensfreiheit keine objektive Wahrheit und keine Begründung liberaler Werte geben kann.
Poppers Verteidigung des erkenntnistheoretischen Realismus wird von Martin Morgenstern in seinem zweiten Beitrag vorgestellt. Gezeigt wird, wie Popper anfangs unter dem Eindruck des Wiener Kreises sich nicht offen als Realist zu bekennen wagt, doch später zu einem entschiedenen Verfechter des Realismus wird. Erläutert werden seine Einwände gegen die instrumentalistische Deutung wissenschaftlicher Theorien und sein Plädoyer für eine realistische Sicht der Wissenschaften, die sich auch vom Essentialismus unterscheidet. Bei der Darstellung von Poppers Kritik des klassischen Idealismus und des modernen Phänomenalismus wird verdeutlicht, dass er die mit Descartes einsetzende Suche nach absoluter Gewissheit für den entscheidenden Ursprung idealistischer Irrwege hält. Der Realismus ist damit für Popper der Teil des Alltagsverstandes, der die philosophische Kritik im Wesentlichen unbeschadet übersteht.
Um Poppers Überlegungen zum Problem sozialwissenschaftlicher Prognosen geht es in dem Beitrag von Hans-Joachim Dahms. Zunächst werden die von Otto Neurath hervorgehobenen Beschränkungen sozialwissenschaftlicher Prognosen dargestellt, die mit dem Phänomen selbst-erfüllender bzw. selbstzerstörender Prognosen einerseits und mit der Unmöglichkeit der Voraussage des zukünftigen Wissenszuwachses andererseits verbunden sind. Gezeigt wird, wie Popper in Auseinandersetzung mit Neurath zur Formulierung des Ödipuseffekts und zu seinem Argument für die Unmöglichkeit der Voraussage der zukünftigen Geschichte gelangt. Schließlich werden die divergierenden Ansichten Poppers und Neuraths zur Frage der Möglichkeit holistischer Sozialtechnologie untersucht und in Beziehung gesetzt zur Debatte zwischen Karl Mannheim und Friedrich Hayek über das Problem der Planwirtschaft.
Angesichts der rasanten Entwicklung neuer, digitaler Techniken fragt Harald Stelzer nach Poppers Beitrag zur Klärung der Möglichkeiten und Gefahren des Social Engineering. Poppers Kritiken des Historizismus, Holismus und Utopismus werden als Voraussetzungen seiner Sozialtechnik der kleinen Schritte vorgestellt. Als deren konsensfähiges ethisches Prinzip wird die Leidverminderung expliziert, woraus die Beseitigung von Missständen als Ansatzpunkt der Politik folgt. Sodann wird gezeigt, dass die Übertragung der wissenschaftlichen Methode von Versuch und Irrtum auf die Gesellschaft zwar die Eckpfeiler rationaler Politik ergibt, dass aber Rationalität in der von Interessen- und Zielkonflikten bestimmten politischen Praxis nur begrenzt realisierbar erscheint. In Auseinandersetzung mit Kritiken an Popper verteidigt der Autor schließlich dessen Sicht von Sozialtechnologie als gangbarem Mittelweg zwischen Konservatismus und radikaler Systemveränderung.
Seit der Historizismus-Schrift hat Popper die Situationslogik als Methode der Sozialwissenschaften betrachtet. Ihre Grundidee besteht darin, menschliches Handeln als situationsgerechtes, rationales Agieren zu verstehen. Philipp Novak befasst sich mit den drei von Popper nacheinander entwickelten Versionen der Situationslogik. Untersucht wird, welche Abwandlungen der Begriff der Situation und das Rationalitätsprinzip dabei erfahren und welche Rolle subjektive Faktoren wie Motive und Intentionen dabei spielen. Der Autor versucht zu zeigen, dass Poppers erste Version mit dem Rational-Choice-Ansatz der Ökonomie weitgehend übereinstimmt und eher unproblematisch ist, wohingegen die beiden späteren Versionen mit einem fragwürdigen Rationalitätsprinzip verbunden sind, das mit Poppers Wissenschaftstheorie und seiner Sicht nomologischer Erklärungen unvereinbar ist. Zuletzt wird die Rolle des Rationalitätsprinzips be-leuchtet.
Mit Poppers Beiträgen zur Demokratietheorie in der "Offenen Gesellschaft" befasst sich Hubert Kiesewetter. Beschrieben werden die biographischen Wurzeln von Poppers politischem Denken in der Zeit während und nach dem Ersten Weltkrieg und die Entstehungsgeschichte des Buches, das Popper als seinen Kriegsbeitrag betrachtet hat. Sodann werden die verschiedenen Facetten von Poppers Auffassung von Demokratie beleuchtet. Zur Sprache kommen das Paradox des demokratischen Majoritätsprinzips, das Problem der uneingeschränkten Souveränität und die Aufgabe einer institutionellen Machtkontrolle sowie die Forderung nach Grenzen der Toleranz und das Verständnis von Gerechtigkeit. Eine besondere Würdigung erfahren schließlich Poppers liberale Grundsätze einer offenen Gesellschaft und die damit verbundene Betonung von Freiheit und Verantwortung des Individuums.
Mit Popper als Totalitarismustheoretiker befasst sich Armin Pfahl-Traughber. Ausgehend von den biographischen, politischen und erkenntnistheoretischen Hintergründen werden die Strukturmerkmale einer geschlossenen Gesellschaft erläutert, wozu unter anderem der historizistische Glaube an historische Gesetze, die ganzheitliche Steuerung der Gesellschaft, die Unterordnung des Individuums unter das Kollektiv und die Rolle idealer Gesellschaftsmodelle gehören. Thematisiert werden ferner Poppers Sicht des Übergangs von der geschlossenen zur offenen Gesellschaft und seine Erklärung der Anziehungskraft einer geschlossenen Gesellschaft. Durch einen Vergleich mit den Totalitarismustheorien von Hannah Arendt, Ernst Nolte und anderen werden die Vorzüge und Schwächen von Poppers Auffassung herausgearbeitet.
Robert Zimmer wirft die von Popper in der "Offenen Gesellschaft" gesteifte Frage nach den Strukturen kleinerer Gemeinschaften wie Familien, Vereine und Schulen auf, die einer offenen Gesellschaft als Ganzer zugrundeliegen. In Anknüpfung an Popper, aber auch an John Dewey und Ferdinand Tönnies versucht der Autor zu zeigen, dass dazu die noch vielfach autoritären, in der Stammesgesellschaft verwurzelten Lebensformen von kleineren Gemeinschaften überwunden werden müssen. Eine offene Gesellschaft, die sich durch machtkontrollierende und freiheitssichernde Institutionen, durch Kritik- und Reformbereitschaft auszeichnet, verlange von ihren Mitgliedern sich auch auf der Ebene kleinerer Gemeinschaften zu demokratisieren und zu liberalisieren, womit Reformen bestehender, tradierter Lebensformen, aber auch Veränderungen von Lebensformen von Einwanderern und Flüchtlingen verbunden sind.
Nach den Grenzen einer offenen Gesellschaft fragt Gerhard Engel, wobei auch die aktuelle Flüchtlingskrise vor dem Hintergrund der Sozialphilosophie Poppers thematisiert wird. Der Autor befasst sich mit Poppers Kriterien der Demokratie wie Machtkontrolle und freie Wahlen und diskutiert die Perspektiven der Demokratie angesichts ihres weltweiten Erfolgs, aber auch ihre Gefährdung durch Tendenzen der Medienwelt. Ausgehend von Poppers Schlüsselerlebnissen von 1919 und seiner Absicht, mit der "Offenen Gesellschaft" eine Sozialphilosophie für jedermann zu schreiben, wird die offene Gesellschaft als eine lernoffene, reform- und kritikfreudige Gesellschaft beschrieben, die von den Bürgern getragen und mitbestimmt wird. Dieser Geist rationaler Kritik kommt, wie an einem exemplarischen Fall erläutert wird, in der aktuellen Flüchtlingsdebatte nicht ausreichend zur Geltung. Zuletzt werden in Anknüpfung an moderne Migrationsforscher die Grundzüge einer demokratischen Flüchtlingspolitik entworfen, zu der eine qualifizierte Einwanderung gehört.
Nicht die Beiträge Poppers zu Grundfragen der Ethik, sondern seine konkreten moralischen Vorstellungen und Leitideen werden von Hans-Joachim Niemann vorgestellt. Ausgehend von den biographischen Ursprüngen von Poppers moralischen Auffassungen werden seine Ansichten zu den moralischen Aufgaben von Institutionen wie Staat und Kirche, Wissenschaft und Kunst vorgestellt, wobei auch seine moderate Haltung zur Religion und seine Vorschläge zu einer neuen Berufsethik zur Sprache kommen. Ethische Grundfragen werden tangiert, wenn seine skeptische Einstellung zur analytischen und akademischen Ethik überhaupt und die moralischen Werte einer offenen Gesellschaft erläutert werden. Der Überblick mündet schließlich in der Beschreibung von Poppers persönlicher moralischer Einstellung, die sich besonders im Kampf gegen Sprachverdunklung, Relativismus und Pessimismus zeigt.
Poppers Stellung zur physikalischen Kosmologie untersucht Rüdiger Vaas. Im ersten Teil werden Poppers eigene Beiträge zu dieser Disziplin verfolgt, wobei besonders seine positive Einstellung zu Einstein und der Relativitätstheorie und seine skeptische Haltung zur Urknalltheorie erläutert werden. Im zweiten Teil wird die Bedeutung von Poppers falsifikationistischer Wissenschaftstheorie für die moderne kosmologische Diskussion thematisiert. Betont wird, dass auch derzeit noch unprüfbare Ideen wie die Konzepte der Wurmlöcher oder Paralleluniversen wegen ihrer Einbettung in Theorien wissenschaftlich fruchtbar sind. Diskutiert wird schließlich die damit sich stellende Frage, ob und wie weit neue spekulative kosmologische Ansätze eine Einschränkung des Falsifikationismus verlangen.
Gerhard Vollmer weist zunächst nach, dass Popper von Anfang an ein partiell positives Verhältnis zur Metaphysik hatte. Gezeigt wird, dass Popper gegen den logischen Positivismus den metaphysischen, empirisch unbeweisbaren Charakter von Naturgesetzen betont hat, bevor er später metaphysische Ideen als rational kritisierbar und als Forschungsprogramme begriff. Vor dem Hintergrund der Frage nach der Dinglichkeit oder Prozesshaftigkeit des elementar Wirklichen wird Poppers 3-Welten-Theorie untersucht. Kritisch diskutiert wird, wie Popper in Welt 3 der Erzeugnisse des menschlichen Geistes einen evolutionären Ursprung, Objektivität und Autonomie zusammendenken versucht. Diskutiert wird ferner die Frage nach der genetischen oder kulturellen Wurzel des metaphysischen Bedürfnisses des Menschen. Zuletzt geht es um den Unterschied zwischen dem allgemeinen und biologischen Evolutionsbegriff, wobei auf Poppers Revision seiner ursprünglichen Sicht von der Evolutionstheorie als bloßem Forschungspro-ramm aufmerksam gemacht wird.
In den Beiträgen des Bandes werden die zentralen Auffassungen Poppers zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, zur politischen Philosophie und Metaphysik vorgestellt und auf ihre bleibenden Errungenschaften befragt. Auch die Affinität Poppers zur Tradition der Aufklärung wird dabei deutlich. Sein philosophisches Werk hat nicht zuletzt herausragende Bedeutung für die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg und ihr Organ "Aufklärung und Kritik". Poppers Tod und die Gründung der Gesellschaft für kritische Philosophie fallen in dasselbe Jahr 1994. Anlass genug, nach einem Vierteljahrhundert ein eigenes Heft dem Denker zu widmen, der mit seinem Einsatz für kritische Vernunft auch der Gesellschaft für kritische Philosophie und ihren Projekten entscheidende Impulse gegeben hat.
Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet (www.gkpn.de). Schutzgebühr 12,00 EUR zuzügl. 1,70 EUR Verp. u. Porto.
Mitglieder der Gesellschaft für kritische Philosophie erhalten alle kommenden Ausgaben und Schwerpunkthefte von Aufklärung und Kritik kostenlos zugeschickt.
Unter dem Titel Karl Popper: Politischer Denker, Wissenschaftstheoretiker, moderner Aufklärer findet am 6. April 2019 das mittlerweile 9. Symposium in Zusammenarbeit von Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg (GKPN) und Humanistischer Akademie Bayern (HABy) statt. Die hochkarätig besetzte Veranstaltung widmet sich verschiedenen Facetten des Werkes von Karl Popper. Referenten, Themen und Anmeldungsmöglichkeit finden Sie auf der Symposiums-Webseite unter www.popper-symposium.de.
3 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Öha, ein Haufen Holz zum 25. Todesjahr von Sir Karl Popper, der als unkritisierbarer Heiliger auf dem Podest des Kritischen Rationalismus' zu thronen scheint.
Junius am Permanenter Link
Oh, es hat schon zu seinen Lebzeiten durchaus Einwände gegeben, nicht nur von Seiten der Kritischen Theorie. Hier scheint es eher um Heiligenverehrung zu gehen, weil‘s auch so schön zur eigenen Weltanschauung paßt.
Thomas R. am Permanenter Link
"Poppers metaphysische Auffassungen haben auch bei Kritischen Rationalisten Widerspruch er-fahren."
-