Amnesty International

Folter und Mord in syrischen Gefängnissen

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Titelblatt des AI-Berichts
Titelblatt des AI-Berichts

Nach Schätzungen eines aktuellen Amnesty-Berichts sind seit 2011 in den Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen ums Leben gekommen. Anhand von Berichten ehemaliger Insassen hat Amnesty gemeinsam mit der Londoner Recherche-Agentur "Forensic Architecture" das Militärgefängnis Saydnaya digital rekonstruiert.

Der neue Amnesty-Bericht "'It breaks the human': Torture, disease and death in Syria's prisons" belegt anhand der Aussagen von 65 Folter-Überlebenden das erschreckende Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in den Haftanstalten der syrischen Geheimdienste und in den Gefängnissen der syrischen Regierung.

Seit 2011 sind dort Schätzungen zufolge 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen. In Syrien laufen vermeintliche Oppositionelle Gefahr, jederzeit von syrischen Sicherheitskräften festgenommen und gefoltert zu werden. Amnesty wertet diese systematischen und weit verbreiteten Übergriffe auf Zivilisten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Luftaufnahme des nördlich von der syrischen Hauptstadt Damaskus gelegenen Saydnaya-Gefängnisses: © Amnesty International/Forensic Architecture
Luftaufnahme des nördlich von der syrischen Hauptstadt Damaskus gelegenen Saydnaya-Gefängnisses: © Amnesty International/Forensic Architecture

"Die von Amnesty dokumentierten Menschenrechtsverletzungen sind ein schockierender Bestandteil der systematischen Angriffe der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten gegen die Zivilbevölkerung", sagt René Wildangel, Syrien-Experte von Amnesty in Deutschland.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Bärbel Kofler, erklärte dazu: "Ich bin erschüttert über den neuen Bericht von Amnesty International zur Lage in den Gefängnissen des syrischen Regimes, der einen systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung dokumentiert, als Teil eines staatlichen Vorgehens, das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt." Sie wies darauf hin, dass im Februar 2016 die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats in ihrem Bericht bereits Todesfälle in syrischen Haftanstalten dokumentiert habe. "Folter, Missbrauch, sexualisierte Gewalt, die Verhinderung des Zugangs zu medizinischer Versorgung und der Einsatz von Hunger als Waffe sind alltägliche Form der Kriegführung des Regimes. In den staatlichen Haftzentren sind hunderttausende wahllos ausgewählte Zivilpersonen, oft Frauen und Minderjährige, Opfer von Folter."

Deshalb verlangt René Wildangel: "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, die Opfer brauchen medizinische und psychologische Versorgung." Besonders berüchtigt ist das Militärgefängnis Saydnaya nördlich von Damaskus. "Katastrophale Haftbedingungen, Hunger und systematische Folter machen dieses Gefängnis zu einer regelrechten Hölle für seine Insassen", sagt Wildangel.

Grafische Nachbildung des Saydnaya-Gefängnisses: © Amnesty International/Forensic Architecture
Grafische Nachbildung des Saydnaya-Gefängnisses: © Amnesty International/Forensic Architecture

Anhand der Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge und auf Grundlage weiterer Recherchen hat Amnesty gemeinsam mit der Londoner Agentur Forensic Architecture ein dreidimensionales virtuelles Modell des Saydnaya-Gefängnisses erstellt. Das interaktive Online-Projekt dokumentiert eindringlich die grausamen Erfahrungen während der Haft und die Foltermethoden der syrischen Regierung.

Amnesty fordert die Bundesregierung auf, insbesondere gegenüber Russland und den USA dafür einzutreten, dass bei den Friedengesprächen dem Schutz der Menschenrechte höchste Priorität eingeräumt wird. Der Druck auf die syrische Regierung muss erhöht werden, damit alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort freigelassen werden sowie Folter und Misshandlungen eingestellt werden. Die syrische Regierung muss unabhängigen Beobachterinnen und Beobachtern uneingeschränkten Zugang zu allen syrischen Gefängnissen und Haftzentren gewähren.

Bärbel Kofler schrieb in einer Pressemitteilung von gestern: "Wieder zeigt sich, wie dringend wir Gesprächskanäle brauchen, um die Beendigung dieser gravierenden Menschrechtsverletzungen zu erreichen. Die Freilassung aller willkürlich durch das syrische Regime Inhaftierten ist ein nicht verhandelbares Recht. Sie ist unmittelbare Voraussetzung für jede politische Lösung und darf nicht Teil der Verhandlungsmasse werden. Die Arbeit der couragierten Aktivisten, die – teilweise unter Einsatz ihres Lebens – diese Verbrechen dokumentieren, ist hierfür von unschätzbarem Wert."