Alibri Verlag

"Die Arbeit im Krisenmodus hinterlässt Spuren"

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Alibri-Verleger Gunnar Schedel.

Der Alibri Verlag versorgt den deutschen Buchmarkt seit einem Vierteljahrhundert mit religionskritischen Informationen. Bei Alibri erscheinen die MIZ, mehrere wissenschaftliche Buchreihen zu Fragen des Humanismus oder das legendäre "Ferkelbuch". Zahlreiche Kampagnen wie GerDiA wurden vom Verlag unterstützt. Nun ist er nach der Insolvenz seiner Auslieferung unverschuldet in Schwierigkeiten und kann Unterstützung gebrauchen. Der hpd hat mit Verlagsleiter Gunnar Schedel über Bücher, Geld und die Krise einer Branche gesprochen.

hpd: Es gibt Gerüchte, dass ihr Autoren gebeten habt, aufs Honorar für das letzte Halbjahr zu verzichten. Müssen wir uns Sorgen machen?

Gunnar Schedel: Sorgen über eure Informationskanäle? (grinst) Es ist tatsächlich ein bisschen anders: Wir haben einige unserer Autorinnen und Autoren gebeten, das eigentlich Ende März fällige Honorar zwei oder drei Monate später zahlen zu dürfen. Hintergrund ist, dass unsere Verlagsauslieferung Mitte November Insolvenz angemeldet hat, wir also für die Umsätze ab August noch kein Geld gesehen haben. Irgendwann in den nächsten Wochen wird dann ein Teil des Geldes von der Insolvenzverwaltung ausgezahlt werden.

Und um deine Frage ernsthaft zu beantworten: Ja, es wird eng, unsere Reserven sind aufgebraucht und ohne Unterstützung sind wir in den nächsten Monaten kaum handlungsfähig – was uns dann in einem Jahr so richtig auf die Füße fallen kann.

Ist die Verlagsauslieferung ein Teil des Verlags?

Nein, eine Verlagsauslieferung ist ein Dienstleister, der für Verlage die Belieferung des Buchhandels einschließlich der Rechnungsstellung übernimmt. Außerdem lagerte dort der Großteil unserer Bücher. Wir sind so gesehen nur indirekt betroffen – aber das ist schlimm genug.

Kannst du benennen, wie groß der Schaden für euch ist?

Ansatzweise. Ein Teil der Umsätze mit dem Buchhandel war durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt gesichert, so dass wir zumindest einen nennenswerten Teil des Geldes bekommen. Wenn du unsere Situation beispielsweise mit der eines Handwerkers vergleichst, der nach der Insolvenz eines Kunden nur Geld aus der Masse bekommt, stehen wir viel besser da: Wir werden wohl zwischen der Hälfte und zwei Dritteln unserer Forderungen erhalten.

Aber die Ausfälle aus der Zeit von August bis Mitte November sind nur eine Seite der Medaille. Ein Großteil unserer Herbstnovitäten sollte in der zweiten Novemberhälfte ausgeliefert werden. Dazu kam es dann natürlich nicht mehr, so dass unser Novemberumsatz bei etwa 15 Prozent des Normalwertes lag. Obwohl es uns gelungen ist, innerhalb weniger Wochen unsere Bücher – immerhin über 20 Tonnen – in die neue Auslieferung umzulagern, waren viele Titel im Buchhandel ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft nicht lieferbar.

Den fehlenden Einnahmen stehen dann Zusatzkosten gegenüber wie die Fracht der Bücher zur neuen Auslieferung. Außerdem mussten die Verlage 60.000 Euro vorstrecken, damit die Bücher umgelagert werden konnten; auch daran sind wir natürlich beteiligt.

Was bedeutet das denn konkret für eure Arbeit?

Wir müssen sparen, wo immer es geht. Aber wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass wir im Herbst ein starkes Programm vorlegen können. Unserem Frühjahrsprogramm siehst du die Krise an. Dass wir nur vier Bücher in einem Halbjahr herausbringen, ist schon sehr lange nicht mehr vorgekommen. Außerdem werden wir die Stelle einer Kollegin, die in eine krisensicherere Branche abgewandert ist, erst mal nicht neu besetzen.

Aber sparen allein reicht nicht, wir müssen Geld besorgen. Kurzfristig, um die Liquiditätslücke bis zur ersten Zahlung unserer neuen Auslieferung Anfang April zu überbrücken; mittelfristig, um die Produktion des Herbstprogramms finanziell abzusichern.

"Wenn der Markt die Produktion von Wissen nicht mehr finanziert, wird es in absehbarer Zeit vor allem Informationen von denen geben, die es sich leisten können, diese zusammenzustellen und zu verbreiten."
Gunnar Schedel

Vor gut vier Jahren habt ihr schon mal eine Kampagne gestartet, die euch das Geld für ein zukunftsfähiges Programm in die Kasse spülen sollte. Hat das damals nicht geklappt?

Die Kampagne war ganz erfolgreich, aber nur zwei Monate später meldete das größte Barsortiment [ein Buchzwischenhändler, der Buchhandlungen von heute auf morgen beliefert, gemeint ist hier KNV; Anm. d. Red.] Insolvenz an und da war etwa das Doppelte dessen, was wir eingenommen hatten, wieder weg. Die Programmumstellung haben wir trotzdem durchgezogen, aber natürlich hat sich ausgewirkt, dass wir nicht die Mittel zur Verfügung hatten, mit denen wir gerechnet hatten.

Ist die Zeit von Büchern möglicherweise einfach vorbei?

Ach, mit den einfachen Parolen ist es halt auch hier wie immer: Sie sind nicht ganz falsch, erklären aber letztlich nichts. Wir verkaufen ja durchaus noch Bücher, im Januar kamen vom Kritikpunkt.e-Band "Anthroposophie" und von unserem Inklusions-Kinderbuch "Wir gehören dazu!" jeweils die vierten Auflagen aus der Druckerei. Aber in der Breite unseres Sachbuchprogramms, da hast du recht, kommen wir nicht mehr auf die Verkaufszahlen wie zu Zeiten des Neuen Atheismus vor 15 Jahren.

Und es stimmt: Wir sehen die Krise einer Branche, es ist ja nicht so, dass alle super Zahlen schreiben und nur Alibri schwächelt. Die KNV-Insolvenz, die Insolvenz unserer Auslieferung und der zweitgrößten in Österreich, die Nachrichten von Gruner+Jahr – alles Hinweise darauf, dass sich der "Informationsmarkt" gerade neu sortiert.

Was spricht dann dagegen, das Buch aufzugeben und auf elektronische Medien zu setzen?

So einfach ist das nicht. Es wird ja nicht einfach das Medium Buch durch das Medium E-Book ausgetauscht. Aber selbst wenn es so wäre, blieben Probleme: die Vertriebskosten sind höher als beim Buch und der Markt ist zudem mittlerweile rückläufig.

Tatsächlich sind die Umbrüche in den Mediennutzungsgewohnheiten viel grundlegender und es ist in meinen Augen noch überhaupt nicht absehbar, in welche Richtung sich alles entwickelt. Also musst du Versuchsballone starten, mit dem Risiko, dass sich nach drei Jahren herausstellt, dass damit halt doch kein Geld zu verdienen ist. Das ist in einer Phase, in der die Mittel eh knapp sind, natürlich doppelt schwierig.

Hinzu kommt, dass es vor allem die junge Generation ist, die mit elektronischen Medien sozialisiert ist – also eine Bevölkerungsgruppe, die im Durchschnitt weniger Geld zur Verfügung hat und deshalb gerne auf kostenlose Angebote zurückgreift. Wenn aber der Markt die Produktion von Wissen nicht mehr finanziert, wird es in absehbarer Zeit vor allem Informationen von denen geben, die es sich leisten können, diese zusammenzustellen und zu verbreiten.

Es gibt seit einiger Zeit auf Bundes- und Länderebene als Fördermaßnahme Verlagspreise. Habt ihr euch dafür beworben?

Ja, haben wir, obwohl ich anfangs dagegen war, weil ich für uns keinerlei Erfolgsaussichten sah. Aber die Kolleginnen schätzten das anders ein, und so haben wir uns seit der zweiten Ausschreibung jedes Jahr beworben.

Und?

Naja, für die Annahme, dass ein religionskritischer Verlag in Bayern irgendwas anderes bekommt als Schwierigkeiten, ist wohl ein gerüttelt Maß an Gottvertrauen nötig. Beim Bundesverlagspreis gab es für uns ebenfalls nichts zu holen – während andere Verlage den Preis innerhalb von vier Jahren bereits dreimal zugesprochen bekommen haben. In meinen Augen ist es auch kein Zufall, dass Sachbuchverlage bei der Auszeichnung deutlich unterrepräsentiert sind; darin spiegelt sich das Kulturverständnis der Kreise, aus denen die Jury rekrutiert wird.

Tatsache ist leider: Der Verlagspreis in seiner jetzigen Form vernichtet verlegerische Vielfalt durch die völlig ungleiche Ausstattung der unabhängigen Verlage mit staatlichen Subventionen. Schon aus diesem Grund kann das nicht die Einnahmequelle sein, auf die wir unsere Zukunft stützen.

"Kleine Verlage sind sehr widerstandsfähig. Aber die Arbeit im Krisenmodus hinterlässt natürlich Spuren."
Gunnar Schedel

Wie kann euch dann geholfen werden?

Kurzfristig brauchen wir einfach Geld. Darlehen würden uns die Luft geben, unsere Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, zugleich aber die geplanten Bücher pünktlich drucken zu können. Es sind aber auch andere Formen denkbar. Wenn jemand meint, ein bestimmtes Buch oder eine Ausgabe der MIZ müsste von bestimmten Entscheidungsträgern gelesen werden oder in bestimmten Bibliotheken vorhanden sein, lässt sich daraus möglicherweise etwas machen, wovon der Verlag finanziell profitieren kann. Uns helfen aber auch Kleinigkeiten, etwa wenn jemand einen Gutschein kauft und den erst nächstes Jahr einlöst. Und wenn wir gemeinsam nachdenken, fällt uns bestimmt noch mehr ein...

Mittelfristig wäre es für uns gut, wenn sich das Einkaufsverhalten der in der säkularen Szene Aktiven ändern würde und wieder mehr Leute direkt bei uns im Shop bestellen würden. Eine Bestellung bei einem großen Internethändler oder der Filiale einer Buchhandelskette bringt für uns bedeutende Vertriebskosten mit sich; wenn wir die Rechnung selbst schreiben und unsere eigene Arbeit bezahlen, bleibt halt mehr bei uns hängen.

Und du gehst davon aus, dass ihr auch diese Krise überlebt?

Ja, da bin ich mir schon ziemlich sicher. Aber es geht ja nicht nur darum. Ich hatte anlässlich der KNV-Insolvenz geschrieben, dass kleine Verlage sehr widerstandsfähig sind. Aber die Arbeit im Krisenmodus hinterlässt natürlich Spuren, und wenn du permanent akute Probleme lösen musst, verlierst du im Alltagsgetümmel den Blick für die strategischen Perspektiven. Und das kann, gerade wenn es darum geht, den aktuellen Strukturwandel richtig zu analysieren, bittere Langzeitfolgen haben.

Hier geht es zur Webseite des Alibri Verlags: www.alibri.de

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