Gemäß der Grundthese "Wissen ist mehr wert als Glauben" erläutert der Autor als Ich-Erzähler in sachlich klarer Sprache und mit sehr plausiblen Argumenten, dass es sich bei Gott/Göttern nur um die Erfindung von Menschen handeln kann. Er will sein Buch als "Tabubruch" im positiven Sinn verstanden wissen; als Appell, über "Gut" und "Böse" und über Fragen der Gerechtigkeit - ohne Rückzug auf vermeintlich von Göttern inspirierte "Autoritäten" - kritisch nachzudenken (S 318). Das Gebot, Inhalte zu glauben, sei durch ein Gebot, diese zu hinterfragen und geglaubte Inhalte im Hinblick auf ihren Wahrheits- und Qualitätsgehalt zu analysieren, zu ersetzen.
In 18 Kapiteln zieht Robert Kaufmann einen weiten Bogen u.a. vom "Wesen von Religiosität" bis zu deren Entstehung und Sinnhaftigkeit, von "Überlegungen zu Zeit und Raum" bis zu Gedanken über ein "Leben nach dem Tod", von "Glaube im Wettstreit mit Wahrheit" bis zum "Verhältnis Mensch/Tier in den Religionen", vom Verständnis des Menschen als "Abbild Gottes" bis zu Überlegungen zur angeblichen "Nichtbeweisbarkeit der Nichtexistenz Gottes" sowie zur "Zukunft für den Glauben" bis zu Ansätzen für ethische Alternativen. Geschichten zu Moses, Jesus und Mohammed bilden ergänzende Inhalte und beleuchten deren Problematiken.
Einige Grundaussagen: Religion ist ein von Generation zu Generation tradierter Komplex von in wesentlichen Punkten unrichtigen Seins- und Sollens-Sätzen, an deren Spitze mitunter bizarre Gottes-, bzw. Götterannahme steht (S 13). Religionen haben die Menschheitsgeschichte entscheidend mitbestimmt, wobei im Namen Gottes viel Leid über die Kreatur ergossen wurde; angesichts dieses Leids und der schreienden Ungerechtigkeiten in der Welt kann es keinen gerechten allmächtigen Gott (bzw. keine Götter) geben. Sämtlichen Angelegenheiten des Lebens kann und soll mit Mitteln der Vernunft sowie des kritischen Denkens begegnet werden. Religiöse Normen stammen ausschließlich von Menschen; dies zeigen nicht zuletzt die gravierenden Widersprüche zwischen den Religionen, wie auch deren Bizarrheit in einander widersprechenden Verhaltensgeboten und Inhalten. Die Wahrheitsansprüche von Religionen halten keinerlei fundierter Prüfung stand; es ist keine positive Leistung, zu glauben, es ist eine intellektuelle Herausforderung, sich Fragen zu stellen, Dingen auf den Grund zu gehen und sich Inhalte, die mit dem jeweiligen Gott in Verbindung stehen, näher anzusehen (S 135). Offenbarungen sind Schöpfungen von Menschen, der angeblich offenbarte Inhalt bedarf stets der Legitimation durch Menschen – erst wenn genügend daran glauben, wird der Inhalt als glaubenswert erachtet (S 279).
Neben grundsätzlicher Kritik an Religionen und neben der Widerlegung religiöser Glaubensinhalte weist der Autor auch auf positive Aspekte hin, die Glaube und Religion für einzelne Menschen in der Gemeinschaft, in Riten und Gebeten etc. besitzen kann; er geht aber gleichzeitig davon aus, dass es in absehbarer Zeit keine nennenswerte Anzahl an gläubigen, religiösen Menschen im bisherigen Sinn mehr geben wird, soweit die jeweilige Religion einen oder mehrere Götter in ihrem Programm hat. Menschen werden religiöse Inhalte entweder als gänzlich irrelevant oder als etwas Relatives erkennen, nicht als absolute Wahrheit (S 304).
Resümee des Autors: "Gott/Götter sind, so denke ich, die absurdeste Annahme, zu der die menschliche Psyche imstande ist. Aufgrund der dargestellten Beweislastsituation zulasten theistischer Positionen gilt bis zum Beweis des Gegenteils: Es gibt keinen Gott!" (S 283).
Ein Buch, das unter der Vielzahl religionskritischer Werke einen hervorragenden Platz einnimmt, da es in streng logischer Abfolge die Vielzahl (alt)bekannter Argumente, aber auch zahlreiche neue Gedanken, zu einer kaum widerlegbaren Beweiskette für die Unwahrscheinlichkeit der Existenz "göttlicher" Entitäten verknüpft und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen – z.B. im Hinblick auf Sinn- und ethische Fragen - stringent beleuchtet. Ein Aufruf zu Vernunft und kritischem Denken, der einschlägig Interessierten zu empfehlen ist: Gläubigen, um ihren Glauben auf den Prüfstand zu stellen, Zweifelnden, um zu größeren Einsichten zu gelangen, Nichtgläubigen, um ihr Wissen zu erweitern.
Robert Kaufmann, "Götter - Menschen, Menschen - Götter / Der überfällige Abschied von Götzenbildern", Angelika Lenz Verlag, 324 S., ISBN 978-3-943624-21-2, 19.90 Euro
4 Kommentare
Kommentare
Konrad Schiemert am Permanenter Link
"Gott/Götter sind, so denke ich, die absurdeste Annahme..."
Psychologisch betrachtet: Diese Annahme ist Ausdruck der Hoffnung, dass irgendwann besser gehen wird und da oben eine Belohnung auf uns wartet.
Objektiv betrachtet: Der Author hat mit Sicherheit Recht.
Martin Weidner am Permanenter Link
Argumentationen hängen von den Prämissen ab, die man voraussetzt. Wer Mutschler, Halbierte Wirklichkeit (oder die allgemeinverständlichere Version: Alles Materie - oder was?
Meine Rückfragen an den Artikel:
Wissen ist mehr wert als Vertrauen (=Glauben) - das entspricht dem Satz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ea darf bezweifelt werden, dass dieser Satz in allen Lebensbereichen so stimmt. Werden so nicht verschiedene Lebensbereiche gegeneinander ausgespielt?
>>Das Gebot, Inhalte zu glauben, sei durch ein Gebot, diese zu hinterfragen und geglaubte Inhalte im Hinblick auf ihren Wahrheits- und Qualitätsgehalt zu analysieren, zu ersetzen.<<Aufrufe, zu Glauben, gibt es in der Bibel, aber ein Gebot? Und die Aufforderung, selber nachzudenken, was das Gute ist, ist in der Bibel zu finden.
Auch dass jedes Wort in der Bibel Menschenwort ist, ist für die meisten Christen eine Selbstverständlichkeit. Menschenwort und Gotteswort schließen sich nämlich nicht aus. Kann es sein, dass das Buch gegen einen Popanz anrennt, den Christen auch ablehnen? Wer anderen unterstellt, sie würden nicht kritisch nachdenken, ist nicht sehr glaubwürdig. Wer sich ernsthaft mit Theologie beschäftigt, kann so etwas nicht pauschal unterstellen.
Einige Argumente sind ziemlich platt: Da es unterschiedlichste Philosophien gibt, die sich alle widersprechen, kann Philosophie nie wahr sein: So lautet vereinfacht die Argumentation, eben nur auf Religion bezogen. Seine Prognose, dass es bald kaum noch Gläubige geben wird, gibt es seit über 100 Jahren, aber realistischer ist sie dadurch nicht geworden.
Sicher werden im Buch auch wichtige Fragen angesprochen. Aber die Rezension vermittelt nicht, das es glaubwürdig und überzeugend ist.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Da es unterschiedlichste Philosophien gibt, die sich alle widersprechen, kann Philosophie nie wahr sein: So lautet vereinfacht die Argumentation, eben nur auf Religion bezogen."
Behauptet irgendeine Philosophie, die einzige Wahrheit zu vertreten? Religionen sind in dieser Disziplin indes Weltmeister. Und da die einen steif und fest behaupten, Jesus sei Gottes Sohn (so wie Sie) und andere steif und fest behaupten, er sei nur ein Prophet gewesen, gibt es Zoff. Ich habe noch nie von einem Philosophiekrieg gehört - Religionskriege hingegen töten noch heute jeden Tag Menschen.
"Seine Prognose, dass es bald kaum noch Gläubige geben wird, gibt es seit über 100 Jahren, aber realistischer ist sie dadurch nicht geworden."
Doch! Vor hundert Jahren waren nahezu 100% der Menschen in Europa gläubig. Heute sind in Deutschland weniger als 60% noch konfessionell gebunden und nach repräsentativen Umfragen glauben inzwischen weniger als 10% an einen personalen "Gott". Selbst in muslimischen Ländern trauen sich immer mehr zu sagen, dass sie die Schnauze voll haben von dem lächerlichen Aberglauben, der ihnen das Leben zur Hölle macht. Und das ist in Gottesstaaten von schwersten Strafen bedroht.
Irgendwann ist das Fass voll und dann reicht ein Tropfen, der die Religionen von ihrem unverdienten Sockel stürzt, auf den sie sich selbst gestellt haben. Die Welt wird so aufatmen, wenn dieser Spuk aus der Bronzezeit endlich vorüber ist. Wenn wir einander offen ins Gesicht schauen dürfen; ohne Angst, irgendwelche religiösen Gefühle des anderen zu verletzen. Wenn wir alle herzhaft lachen dürfen, was für einen Quatsch unsere Väter und teilweise unsere Brüder noch geglaubt haben.
Und dann stellt sich sogar ein Versprechen von Jesus ein: Die Welt wird zum Paradies, denn wir können unsere gesamte Energie auf den Aufbau und Erhalt der Erde lenken. Davon profitieren alle. Das mag Ihnen unrealistisch erscheinen, mir hingegen erscheint unrealistisch, auf den Big Zampano zu warten, bis er in seinem Götterwagen von der Siebten Kristallschale herunterschwebt und mittels Zaubersprüchen die Welt paradiesisch verwandelt. Das klappt nämlich seit über 700.000 letzten Tagen nicht...
Martin Weidner am Permanenter Link
Im christlichen Glauben ist Wahrheit eine Person und keine Satzwahrheit. Der Hebräisch-biblische Wahrheitsbegriff hat mit dem, was Sie schreiben, nichts zu tun.
Philosophie ist selten geschichtsmächtig geworden, sondern blieb meist eine akademische Sache. Da, wo es anders war, wie im Marxismus, hat es auch Kriege gegeben.
Ihre Utopie des Paradieses ist erhellend: Denn Sie brauchen die Religionen als Buhmann, der das Paradies verhindert. Das ist nichts Neues, das gab es in marxistisch regierten Ländern schon gegeben. Deshalb muss Ihr Weltbild auch realitätsresistent sein, weil es ohne den Sündenbock Religion in sich zusammen bricht.