Seit über 150 Jahren setzen sich säkulare Kräfte dafür ein, dass Religionsunterricht als Pflichtfach an öffentlichen Schulen abgeschafft wird. Erreicht wurde bislang immerhin, dass nicht mehr alle Kinder eine religiöse Unterweisung über sich ergehen lassen müssen. Warum es wichtig ist, weitergehende Forderungen zu stellen, und was dabei bedacht werden sollte, dies behandelt der Schwerpunkt der aktuellen MIZ.
Im Editorial gibt Gunnar Schedel einen kurzen historischen Abriss über die Auseinandersetzungen um den Religionsunterricht und listet anschließend einige Fragen auf, die zu beantworten wären, wenn ein weiterer Anlauf unternommen werden soll, dieses Fach von der Stundentafel zu streichen. Rainer Ponitka berichtet auf der Grundlage seiner Erfahrungen in der säkularen Beratung des IBKA, dass es bis heute Lehrer und Schulleiterinnen gibt, die das Klassenzimmer als Missionsraum begreifen und beispielsweise Schülern, die sich vom Religionsunterricht abmelden wollen, Steine in den Weg legen.
Einen anderen Blickwinkel wählt der ehemalige sächsische Landtagsabgeordnete Mirko Schultze. Er stellt fest, dass in Ostdeutschland zwar nur noch eine Minderheit gläubig ist, aber trotzdem erstaunlich viele konfessionslose Eltern ihr Kind in den konfessionellen Religionsunterricht schicken. Eine Ursache sieht er darin, dass nach 1990 viele Positionen in Staat und Wirtschaft mit Leuten aus dem Westen besetzt wurden – von denen die meisten Kirchenmitglieder waren. So "lernten" die Menschen, dass es Vorteile mit sich bringen kann, der Kirche nicht völlig fern zu stehen. In der Folge bemühen sich Eltern, "das Beste" für ihre Kinder zu tun – und melden sie für den Religionsunterricht an. Diese "Anpassung an ein scheinbar gegebenes Gesellschaftsmodell" sollten die säkularen Verbände als Herausforderung und Arbeitsauftrag annehmen.
Staat und Kirche
Dieter Birnbacher befasst sich mit der "Freiverantwortlichkeit" im Zusammenhang mit der Suizidhilfe-Debatte. Er untersucht, unter welchen Bedingungen psychische Krankheiten die Zulässigkeit einer Freitodhilfe ausschließen oder einschränken.
Kritische grundsätzliche Überlegungen zum Tanzverbot stellt Antonus Kardonnter an. Er kommt zu dem Schluss, dass die diesbezüglichen Einschränkungen der Feiertagsgesetze nicht-religiösen Menschen durch den geforderten Handlungsverzicht gewissermaßen kirchliche Handlungen aufzwingen.
Selbstbestimmung und Kunstfreiheit
Seit 16. September läuft eine mehrwöchige Kampagne zum Thema Schwangerschaftsabbruch (die eigentlich die mittlerweile nicht mehr existierende Ampelkoalition drängen sollte, den § 218 StGB zu streichen). Deren Überlegungen und Forderungen stellt eine Aktivistin des "Feministischen März" vor.
Im Düsseldorfer Stadtmuseum gab es Anfang September einen Aufsehen erregenden Fall von Zensur gegen die Ausstellung zum Art-Award des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes. Romo Runt zeigt, wie die Düsseldorfer Behörden praktizieren, was sie den gecancelten Kunstwerken vorwerfen, und auf welch extrem rechtem Kunstverständnis die Rechtfertigung der Zensur basiert.
Die Vorhaut Jesu und das Himmlische Jerusalem
Im Interview mit Rolf Cantzen geht es um dessen neuen Roman "Magische Haut. Eine Reliquienverschwörung". Der frisch mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnete Journalist erzählt, was im Roman Fiktion und was (teils skurrile, teils traurige) Realität ist. Denn es geht im Buch nicht nur um die Idee von einer göttlichen Vorhaut, sondern auch um den Missbrauchsskandal.
Eine "Querdenker-Religion mit Endzeitphantasien" stellt Bernd Cunow vor. Nachdem die evangelikale Gruppierung "Himmlisches Jerusalem" vor kurzem für öffentliche Aufregung gesorgt hatte, weil sie Hochschulräume für ihre Vorträge nutzen durfte, lohnt sich ein Blick darauf, was dort eigentlich so alles gesagt wird.
Daneben bietet das Heft die Rubriken Blätterwald und Zündfunke sowie eine Rezension. Die Internationale Rundschau gibt es, in leicht verändertem Gewand, ebenfalls wieder – erstmals seit dem Tod von Gerhard Rampp.