Wie viel Mensch (er)trägt die Erde?

Heute leben 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde. Hält das Wachstum von gegenwärtig 1,2 Prozent pro Jahr an, käme alle zwölf Jahre eine weitere Milliarde hinzu. Zugleich ist die Belastbarkeit unserer Erde erreicht, vielleicht sogar überschritten.

Ausgelaugte Böden, von Menschen verursachte Klimaerwärmung und Wasserknappheit in vielen Teilen der Erde und Unterernährung zwingen zum Handeln. Trotz beachtlicher Erfolge bei der Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion und einem Rückgang der Zahl hungernder Menschen bleiben die schwierige Problem ungelöst. Davon wird im Folgenden die Rede sein.

Nötig ist über die notwendigen praktischen Hilfsmaßnahmen hinaus, das Tabuthema der Überbevölkerung stärker in den Fokus zu rücken. Das geht nicht ohne die Bereitschaft, sich mit christlichen- und islamischen Glaubensverkündern eine scharfe Auseinandersetzung zu liefern.

1. Nachhaltigkeit sieht anders aus: Der ökologische Fußabdruck der Menschen

Wie viele Menschen kann die Erde ertragen und auf Dauer ernähren? Die Forschungsorganisation "Global Footprint Network" berechnet seit über zehn Jahren den ökologischen Fußabdruck von über 150 Ländern und zieht eine erschreckende Bilanz. Die Schere zwischen dem Ressourcenverbrauch der Menschheit und dem, was unser Planet leisten kann, klafft immer weiter auseinander. Geht es so weiter, würden wir nach dieser Studie bis zum Jahr 2030 zwei komplette Planeten benötigen, um unseren Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. Bis zum Jahr 2050 wären es knapp drei. Die Menschheit fällt mehr Bäume, als diese nachwachsen können, produziert mehr CO2, als die Ozeane und Wälder absorbieren können, und fischt mehr in den Weltmeeren, als sich Fischbestände regenerieren können.

Von den fast acht Milliarden Menschen leiden schon heute eine Milliarde an Hunger. Noch mehr fehlt es an sauberem Wasser, menschenwürdigen Wohnungen und einer Arbeit, von der sie leben können. Die Umweltbelastungen steigender Mobilität sollten hier nur am Rande vermerkt werden, um die ganze Dramatik der Entwicklung zu veranschaulichen.

Nach einer Studie der Welternährungsorganisation FAO müsste die Agrarproduktion bis zum Jahr 2050 im Vergleich zu 2005 um 70 Prozent gesteigert werden, um die zu erwartenden neun Milliarden Erdenbewohner ernähren zu können. Dabei ist aber noch nicht geklärt, wie die Transport- und Lagerungsprobleme zu lösen sind.

Die Berechnung ist gewiss mit einigen Unsicherheiten behaftet, so liegt ihr die Annahme zugrunde, dass die Bevölkerung in den Städten wächst und sich mit steigendem Einkommen die Menschen mit mehr Weizenprodukten und deutlich mehr Fleischprodukten ernähren. Dieser Trend lässt sich aktuell in China gut erkennen. Im Jahre 2050 müssten hochgerechnet 461 Millionen Tonnen Fleisch erzeugt werden, um die Nachfrage zu decken; 2005 "genügten" noch 249 Millionen Tonnen.

Doch schon jetzt hat an vielen Stellen jahrzehntelange Übernutzung die Böden erodieren lassen und zu sinkenden Erträgen geführt. Die Landwirtschaft leidet zudem weltweit unter dem Klimawandel, den sie allerdings selbst mitverursacht hat. Knapp ein Drittel der weltweiten Treibhausgase stammt aus dem Agrarbereich. Der liegt damit noch vor der Energieerzeugung oder dem Verkehr.

Wie aber soll eine so "schwierig" aufgestellte Landwirtschaft ihre Erträge um weitere 70 Prozent steigern? Es fehlt hier nicht an Stimmen, die von einer neuen Landwirtschaft träumen, wenn sie mehr Nahrungsmittel für Menschen statt Tierfutter und Bio-Kraftstoffe produziert. In der Tat endet derzeit mehr als die Hälfte der weltweiten Getreideernte als Kraftstoffe oder in den Mägen von Nutztieren.

Vermittelbar ist durchaus eine gewisse Reduzierung des Fleischkonsums durch "mehr Klasse als Masse" in den OECD-Staaten. Verbessert werden müssen auch Transport und Lagerung von Lebensmitteln weltweit. Es dürfen auch nicht länger so viele Lebensmittel weggeworfen und vernichtet werden. In Deutschland endet umgerechnet jedes dritte geschlachtete Schwein auf dem Müll.

Es gibt unbestreitbar erhebliche Reserven zur Steigerung der Effizienz in Landwirtschaft und im Handel sowie bei den Verbrauchern. Durchgreifende Veränderungen der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion hängen jedoch von einer grundlegenden Veränderung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten der Menschheit ab. So müssten die Industrienationen nicht nur den Konsum bestimmter Lebensmittel maßvoll beschränken, sondern ihre Konsumgewohnheiten und ihren Lebensstil grundlegend verändern. Aber wollen die Menschen hierzulande wirklich nur noch zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren und sich streng vegetarisch ernähren? Mit autoritärem Druck lässt sich eine solche Umstellung nicht bewirken. Ganz im Gegenteil: sie würde den Regierungen krachend um die Ohren fliegen und am Ende das genaue Gegenteil dessen bewirken, was ursprünglich angestrebt wurde.

Die Politik ist auf Zustimmung der Bevölkerung angewiesen. Es macht keinen Sinn, die Lösung der Probleme im Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung auf nicht belastbare Fiktionen und Illusionen aufzubauen, die einer politischen Bewährungsprobe nicht standhalten. Politik kann nicht autoritär vorschreiben, wie die Menschen zu leben und zu essen haben.

Die Menschen werden nur dann ihre Ansprüche zurückschrauben wenn sie spüren, dass Verzicht erkennbare Verbesserungen bringt. Solange jedoch andernorts das Bevölkerungswachstum ungebremst weitergeht, gibt es keine durchgreifende Bereitschaft zur Veränderung der eigenen Lebensgewohnheiten. Eher wird der letzte Quadratkilometer tropischer Regenwald mit genmanipulierten Monokulturen bepflanzt, als dass Europa und die USA auf Hirsebrei umsteigen, um die Ernährung einer beständig wachsenden Bevölkerung in anderen Teilen der Erde ohne dauerhafte Lösungsperspektive vorübergehend zu sichern.

Es besteht viel eher die Gefahr, dass sich Nahrungskonzerne mit ihrem Versprechen durchsetzen, mit genmanipuliertem Getreide und Tieren das benötigte Mehr an Nahrungsmitteln zu produzieren. Verantwortungslose Regierungen befördern sogar noch die ökologisch unverantwortliche und kurzsichtige Scheinlösung der Ernährungsprobleme noch, indem sie die letzten verbliebenen Regenwälder durch Brandrodungen zerstören und Plantagen mit genmanipulierten Pflanzen ersetzen. Auf diese Weise verschwinden schon jetzt immer mehr Tiere und Pflanzen für immer von der Bildfläche.

Aber auch hierzulande wird die Natur auf Ertragssteigerung bei Pflanzen und Tieren getrimmt. Dabei werden unser Wasser mit Nitraten und die Tiere mit Antibiotika vergiftet. Mit "Geiz ist geil" wird auch unser Land zugrunde gerichtet. Das alles zeigt auf eine Politik, die auf mehr Masse setzt, statt die Kernfrage einer zukunftsgerechten Belastung der Erde zu stellen.

2. Bestandsaufnahme der Bevölkerungsentwicklung

Über die längste Zeit der Menschheitsgeschichte wuchs die Bevölkerung der Erde nur sehr langsam. In der Steinzeit teilten sich wenige Hunderttausend Menschen die Erde. Nach Schätzungen gab es vor 10.000 Jahren weniger als vier Millionen Menschen weltweit. Um die Zeitenwende wird die Zahl der Erdbewohner auf etwa 200 Millionen Menschen geschätzt. Bis zum Jahr 1750 vervierfachte sich die Zahl auf etwa 800 Millionen. Während der Industriellen Revolution erhöhte sich die Produktivität der Industriegesellschaften so stark, dass bereits um 1800 die erste Milliarde erreicht war. 1930 erreichte die Bevölkerungszahl die zweite Milliarde, 1960 die dritte und 1999 schließlich die sechste.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts findet das Bevölkerungswachstum fast ausschließlich in den sogenannten "Entwicklungsländern" statt. Am schnellsten wächst die Bevölkerung in den Regionen der afrikanischen Subsahara. Gerade die an Ressourcen armen afrikanische Sahel-Staaten haben zugleich die höchsten Geburtenraten. Dort verbindet sich hohes Bevölkerungswachstum mit allen negativen Merkmalen ökonomischer und struktureller Rückstände in der Entwicklung.

3. Religiöse Zusammenhänge der Bevölkerungsentwicklung

Spannend ist die Herstellung des Zusammenhangs von religiösen Domen mit der Entwicklung der Bevölkerung durch einen Blick auf den weltweiten Anteil Angehöriger bestimmter Religionen an der Gesamtbevölkerung. Zum anderen haben die Führer dieser Religionen oftmals einen starken politischen Einfluss, der vielfach über die eigene Religionsgemeinschaft weit hinausgeht. Oft kooperieren die Religionen über alle Rivalitäten hinweg, wenn es um Fragen der Sexualaufklärung, der Frauenrechte oder der Geburtenkontrolle geht. Geht es um gesellschaftliche Blockade, findet eine enge Kooperation beispielsweise zwischen katholischen Bischöfen und islamischen Führern statt. Das gemeinsame Feindbild sind Verhütungsmittel, Abtreibung und Sexualaufklärung.

Die Zahl der Christen nimmt weltweit zu, doch der Islam in allen seinen Schattierungen wächst noch weit schneller. Zu diesem Ergebnis kommt das Washingtoner "Pew Research Center" (Pew) in einer Studie zur weltweiten Entwicklung der Religionen ("The Changing Global Religious Landscape"). Die Studie sieht drei Gründe für diese Entwicklung. Zum einen fällt die Geburtenrate der im Schnitt recht jungen muslimischen Weltbevölkerung schon heute höher aus als die von Angehörigen anderer oder keiner Religion. In der muslimisch geprägten Sub-Sahara-Zone und in Ägypten wächst die Bevölkerung im weltweiten Vergleich besonders rasant.

Ein weiterer Grund für die erwarteten Verschiebungen sind das Alter der Bevölkerung, ihre Herkunftsregionen und damit verbunden die Sterbequote. Niedrige Geburtenraten verzeichnen nicht nur die Staaten Europas, sondern auch asiatische Gesellschaften wie China, Japan oder Thailand. Die zitierte Studie sieht darin einen Grund für ein weltweites Schrumpfen des Buddhismus. Weltweit werden den Angaben zufolge auch andere Religionen wie der Hinduismus (2015: 15,1 Prozent der Weltbevölkerung), das Judentum (0,01 Prozent) sowie kleinere Volksreligionen (5,7 Prozent) relativ an Bedeutung verlieren. Sie legen zwar in absoluten Zahlen vorne, fallen proportional aber immer weiter hinter Christen und Muslimen zurück.

Schließlich berücksichtigt die Religionsstudie auch mögliche Konversion. Nicht jeder, der etwa als Christ zur Welt kommt, bleibt damit automatisch für den Rest seines Lebens Mitglied seiner Herkunftsreligion. Demnach kommt es beispielsweise in den USA recht häufig vor, dass Erwachsene die Religion ihrer Kindheit ablegen, in eine neue wechseln oder sich keiner organisierten Glaubensgemeinschaft mehr anschließen.

4. UNO: Zu wenig Zugang zu Verhütungsmitteln

Viele Frauen auf der Welt können nicht darüber entscheiden, wen sie heiraten, mit wem sie Sex haben und wie viele Kinder sie bekommen. Eine Studie des Bevölkerungsfonds der UNO (UNFPA) beziffert nun, wie viele Frauen davon betroffen sind. Demnach haben mehr als 200 Millionen Frauen weltweit keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, obwohl sie eine Schwangerschaft eigentlich verhindern wollen.

Die Analyse gilt für 51 Industrie- und Entwicklungsländer, für die solche Daten zur Verfügung standen. Demnach haben nur 57 Prozent der Frauen, die in einer Beziehung leben, Zugang zu Verhütungsmitteln und gesundheitlicher Versorgung und können frei über die sexuelle Beziehung zu ihrem Partner entscheiden.

Die größte Freiheit haben Frauen in den untersuchten Ländern demnach in der Ukraine und auf den Philippinen, wo 81 Prozent der Frauen über ihr Sexualleben und Schwangerschaften entscheiden können. In Mali, Niger und Senegal gilt das dagegen nur für sieben Prozent der Frauen – der niedrigste Wert im Vergleich zwischen den 51 untersuchten Ländern. Deutschland wurde in der Untersuchung nicht berücksichtigt.

Je ärmer die Frauen sind, zeigt der Bericht, desto kleiner ist ihre Chance, an die Mittel zu kommen – das gilt sowohl in Industrie- wie auch in Entwicklungsländern. UNFPA-Geschäftsführerin Natalia Kanem sagte, ohne diesen Zugang fehle den Frauen die Macht, Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen. Etwa, ob sie schwanger werden wollten. Deswegen könnten sie auch nicht ihre eigene Zukunft gestalten.

Insgesamt haben heute deutlich mehr Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln als noch vor fünfzig Jahren. Waren es 1969 noch 24 Prozent, so erhöhte sich die Zahl auf 58 Prozent im Jahr 2019, schätzen die Forscher. Das ist aber noch viel zu wenig, vor allem in den überwiegend muslimisch geprägten Ländern mit besonders hoher Geburtenrate.

5. Statt Verzichtsideologie mehr Aufklärung und faire Weltwirtschaft

Das Bevölkerungswachstum ist dort am höchsten, wo die Statistiken die größte Armut, vor allem die größten Defizite im Bildungs- und Gesundheitswesen ausweisen, und sinkt dort, wo die Alphabetisierungsraten unter Frauen stiegen und die Säuglingssterblichkeit gesenkt wurde. Um nach geeigneten Wegen zu suchen, Bevölkerungsentwicklung und Versorgung mit Lebensmittel, Wasser und wirtschaftlicher Infrastruktur in Einklang zu bringen, schauen wir uns an, wo Erfolge zu verzeichnen sind. Für den Rückgang der Geburtenziffern gibt es eine Vielzahl von Gründen, die sich gegenseitig beeinflussen.

  • Wie bereits mehrfach angesprochen, ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine nachhaltige Bevölkerungspolitik eine grundlegend veränderte gesellschaftliche Rolle der Frauen in Familie, Wirtschaft und Gesellschaft. Hier ist ein radikaler Abbau gesellschaftlicher Verkrustungen ohne falsche Rücksichtnahme auf religiöse und kulturelle Traditionen unverzichtbar. Wo immer mehr Frauen Rechte, Bildungschancen und Berufsmöglichkeiten sowie Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, bekommen sie später weniger Kinder, dafür aber bessere Zugänge zu Bildung, Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe. So hat in dem armen südindischen Bundesstaat Kerala die hohe Alphabetisierung von Frauen ihren Teil dazu beigetragen, die Fertilitätsrate deutlich unter den nationalen Durchschnitt zu drücken. Wie wichtig eine aktive Sozialpolitik ist, zeigt das Beispiel Thailand mit einem sehr moderaten jährlichen Bevölkerungswachstum von 0,7 Prozent im Jahre 2010. Unverzichtbarer Bestandteil einer solchen Politik sind auf die Menschen zugeschnittene Informationen sowie ein Zugang zur Geburtenkontrolle.
  • Eine wichtige Rolle – in der Geschichte der Industrienationen ebenso wie in den heutigen Entwicklungs- und Schwellenländern – spielt die Säkularisierung. Dieses hat dem Individuum mehr Verantwortung für das eigene Wohlergehen zuerkannt.
  • Eine zweite Voraussetzung für eine kluge Bevölkerungspolitik ist eine umfassende Bildung über Klassenschranken und Ethnien hinweg, die neue gesellschaftliche Optionen eröffnet und vor allem auch den Zugang zu Informationen über Geburtenkontrolle und Familienplanung ermöglicht.
  • Ein dritter Erfolgsfaktor ist die Erkenntnis vom Bedeutungswandel der Kinder. Waren sie früher vor allem in der Landwirtschaft von praktischem Nutzen für die Verrichtung der täglichen Arbeit und zur Versorgung im Alter, nimmt diese Betrachtungsweise fühlbar ab. Das kann aber nur gelingen, wenn es in den Ländern eine gewisse soziale Absicherung, insbesondere eine gesetzliche Altersvorsorge gibt. Durch die Reformen Bismarcks seit 1889 hatten auch Menschen ohne oder mit nur wenigen Kindern eigene Versorgungsansprüche. Länder, die einen vergleichbaren Weg der sozialen Absicherung gehen, machen positive Erfahrungen. Allerdings kann ein umfassender sozialer und kultureller Wandel nur von innen kommen. Er kann zwar von außen unterstützt, nicht aber angeordnet werden. Solange viele Kinder als göttliches Geschenk und/oder als Beweis für potenzgesteuerte Männlichkeit gelten, richten gute Worte und Verhütungsmittel nichts aus. Den entsprechenden Ländern muss aber klar gemacht werden, dass Migration keinen Ausweg bieten kann.

Moderne Familienplanung und ein Abbau alter patriarchaler Strukturen können auch armen Ländern eine Perspektive geben, die Geburtenzahlen in den Griff zu bekommen. Internationale Organisationen und nationale Regierungen sollten hier endlich ansetzen und sich über verwurzelte Widerstände – beispielsweise der Kirchen – und eine falsch verstandene Rücksichtnahme auf nicht schutzwürdige Traditionen hinwegsetzen.