Verein "Frühlingserwachen e. V." möchte bundesweit Ortsgruppen finden

Wie aus Gegendemonstrationen Dialogformate wurden

"Frühlingserwachen" ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee, der sich Ende 2017 aus der gleichnamigen Initiative gegründet hat. Mit unterschiedlichen mobilen Dialogformaten möchte der Verein – so sein Selbstverständnis – einen Beitrag zu einer offenen und toleranten Gesellschaft leisten. Denn – ebenfalls Teil dieser Überzeugung – eine solche Gemeinschaft "entsteht durch die unvoreingenommene und respektvolle Begegnung aller Bevölkerungsgruppen."

Im Winter 2016 entstand "Frühlingserwachen" aus einem Gefühl heraus, wie die Gründer schildern. "Wir haben uns anfangs keine Gedanken gemacht, was Frühlingserwachen überhaupt ist. Dazu gab es keine Zeit. Wir haben uns den Veranstaltungskalender angeschaut und zu jeder AfD-Veranstaltung innerhalb von ein oder zwei Wochen eine Protestaktion geplant", erinnert sich Johanna Reichel, Gründungsmitglied des jungen Vereins. Grenzzäune hätten sie gebaut, Banner gemalt, künstlerisch und eindeutig gezeigt, was sie von denen hielten, die im größten Veranstaltungshaus Friedrichshafens, dem Graf-Zeppelin-Haus, darüber sprachen, was Geflüchtete für eine Gefahr für Deutschland darstellten. "Es ging uns vor allem darum, Rabatz zu machen und zu zeigen: Wir wollen euch hier nicht", ergänzt David Mairle. So sei zwar sehr schnell eine große Runde Aktiver zusammengekommen – Studierende, Passanten, Gewerkschafter und auch Mitglieder des örtlichen Gemeinderats – aber dennoch sei nach jeder solchen Demonstration ein ungutes Gefühl zurückgeblieben. "Wir wussten schnell: Das, was wir da machen, das ist nicht konstruktiv", sagt Reichel zurückblickend.

Aus einem eher zufälligen Gespräch mit einem Besucher einer solchen Veranstaltung sei dann die Idee entstanden, in Zukunft anders vorzugehen. "Das hat uns vor eine große Zerreißprobe gestellt", weiß Luca Messerschmidt, heute Vorsitzender des Vereins, und doch hätten sie es dann gewagt. Mit Thermoskannen mit heißem Wasser, Tassen und Teebeuteln ausgestattet hätten sie sich erneut auf den Weg gemacht, als die Partei zu Besuch in der kleinen Stadt am See gewesen sei. Das neue Konzept zeigte Wirkung: "Die Fronten wurden aufgeweicht", kommentiert Reichel.

Inzwischen ist aus dem kleinen Teetrinken das Format eines mobilen Gesprächsraums entstanden: Der Frühstücksbus. Dieser dreht jeweils sieben Tage lang in einer Stadt seine Runde und macht dabei täglich in einem anderen Stadtteil Halt. An Bord: Eine Kaffeemaschine, salziges und süßes Gebäck und vier bis fünf AnsprechpartnerInnen, die sich in einem Workshop in gewaltfreier Kommunikation und achtsamem Zuhören geübt haben. So werden aktiv Vorurteile abgebaut – auch die eigenen. Mit dem kostenlosen Frühstücks- und dem niederschwelligen Gesprächsangebot werden so Menschen erreicht, die nie freiwillig einen Fuß in ein Rathaus setzen würden, um an einer Gemeinderatssitzung teilzunehmen, hier aber auf Augenhöhe über Kommunalpolitik sprechen können, oder es plaudern Menschen, die sonst nie miteinander reden würden, bei einem Kaffee über Gott und die Welt. Gerade Bahnhöfe haben sich als Standorte bewährt ebenso wie Stadtteile, in denen ein öffentlicher Treffpunkt sonst fehlt.

Der Frühstücksbus macht in diesem Jahr zum dritten Mal die Runde in Friedrichshafen und hat im vergangenen Jahr außerdem in Erfurt mit einem studentischen Team den zweiten Thüringer Demokratiepreis gewinnen können.

Aktuell sucht der Verein nach Ortsgruppen, die Interesse daran haben, das mobile Dialogkonzept durchzuführen. Dabei steht der Verein mit Rat und Tat zur Seite: Flyer- und Plakatvorlagen, einer Schritt-für-Schritt-Anleitung sowie gegebenenfalls auch der Vermittlung von Fördermitteln.

Kontakt per E-Mail: info@fruehlingserwachen.org