"Wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitzt braucht keine Religion" – so lautet das zentrale Motto der Giordano-Bruno-Stiftung, die angetreten ist, das kritisch-rationale Denken als Fundament unserer humanen und offenen Gesellschaft zu würdigen, zu pflegen und zu popularisieren.
Nach zahlreichen Veranstaltungen, in denen Erkenntnisse der Natur- und Sozialwissenschaften vorgestellt und die damit verbundenen ethischen Fragestellungen diskutiert worden waren, war die Zeit reif, sich einmal explizit auch der Kunst als dritter Säule des säkularen Humanismus zuzuwenden.
Das zumindest dachten sich die beiden in der Düsseldorfer Regionalgruppe der gbs organisierten Künstler Thomas Kucharski und Menia. Zusammen mit dem Kunstvermittler Heinz Hachel und gbs-Mitglied Achim Horn riefen sie den ersten säkularen Kunstpreis ins Leben: den DA! Art Award.
Kunstpreis für Vernunft und Humanismus
Ein Wochenende lang wurden 67 der über 150 Kunstwerke ausgestellt, die sich zum DA! Art Award unter dem Motto "Wissen statt glauben" beworben hatten. Hier sollte sich die Kunst erkennbar in den Dienst der Kritik stellen: der kritischen Auseinandersetzung mit Religion und Esoterik, mit Pseudowissenschaften und Verschwörungsfantasien aller Art. Daraus ist eine beeindruckende Schau entstanden, die die Erwartungen der anreisenden Besucher mehr als übertraf und für begeisterte Resonanz sorgte.
Insgesamt über 300 Gäste kamen in den Genuss der engagiert in den schönen Räumlichkeiten des Kulturbahnhofs Gerresheim präsentierten Werke. Die Rezeption wurde zusätzlich noch durch den Publikumspreis befeuert: denn jeder Gast erwarb mit der Eintrittskarte sogleich auch den Stimmzettel, auf welchem er die Nummer seines persönlich favorisierten Werkes notieren und beim Verlassen der Ausstellung in der Wahlurne lassen konnte.
Das ist demokratisch und getreu nach dem Motto des gastgebenden Kunstvereins "Jason Rø e. V. für Kultur und Teilhabe" der dem DA! den Veranstaltungsort gern zur Verfügung gestellt hat. In seiner Eröffnungsansprache fand Vereins-Vorstand Carsten Reinhold Schulz, zur Freude der anwesenden Religionskritiker auch ein paar sehr kritische Töne in Sachen Religion: "Unsichtbare, aber folgenschwere Grenzen in die Köpfe der Menschen zu pflanzen, das war schon immer eine der leichtesten Übungen der Religionen, die Erzeugung regulierender, normativ wirkender Bilder sind ihnen praktisch in die göttliche Wiege gelegt, sie sind Kernzellen von Psychosen ebenso wie von Schlachtenrufen jeglicher Art, sie sind die gern genutzte Schmiere für Terror und Gewalt allemal."
Alle nominierten Werke der Ausstellung können langfristig auch auf einer vom kooperierenden "Kunstbüro Düsseldorf" aufbereiteten Internetplattform betrachtet werden.
Der erste Preis: ein Buch der Natur
Zum großen Finale offenbarte Jutta Teuwsen stellvertretend für die hochkarätig besetzte Jury die glücklichen Preisträger samt ausführlicher Begründungen.
Im Vorfeld der Ausstellung durfte jedes der sechs Jurymitglieder die nominierten Arbeiten mit null bis fünf Punkten bewerten, bevor sie dann gemeinsam die daraus resultierenden zehn meistbepunkteten Werke gründlich zu begutachten und zu diskutierten hatten bis die Preisträger einmütig ermittelt wären.
Als die Diskussion dann allerdings beim Kopf-an-Kopf-Rennen um den Punkte-Dritten gen unendlich zu tendieren drohte, intervenierten die Kuratoren kurzerhand und großzügig, indem sie beschlossen, den dritten Platz einfach zweimal zu vergeben. So konnte die Jury am Ende vier Preisträger präsentieren.
Als klarer Punktesieger und somit Platz eins zeichnete sich auf Anhieb das Buch "wissen statt glauben" von Anne Mommertz ab:
Die Düsseldorfer Künstlerin entkernte ein altes bayerisches Kindergebetsbuch aus dem Jahr 1846, um es mit echten Baumblättern wieder zu befüllen. "Es gibt viel zu lesen in diesen Blättern", sagt sie. Das fand die Jury auch: "Die historische Ablösung von Religion durch Aufklärung ist hier wunderbar illustriert. Statt Glauben ist einfach nur Natur da."
Der zweite Preis: ein Element mit magischer Wirkung
Ein minimalistisch formschönes Betonbecken mit rechteckig darin eingelassenem stark spiegelnden, flüssigen Gallium weckt sowohl die Assoziation an ein Weihwasserbecken, als auch an einen wissenschaftlichen Versuchsaufbau.
Der Künstler bedient sich hier geschickt der Materialphysik: "Gallium ist so selten, unbekannt und teuer dass es ein Staunen erzeugt. Wie kann es so lange flüssig bleiben und warum wirkt es so auratisch? Wir glauben an die Wirkung und nicht an das Periodensystem", kommentierte er sein Werk.
Die Jury war der intendierten Faszination vollkommen erlegen, lobte die Originalität und vergab den zweiten Platz. Vielleicht kein Wunder, dass Jurorin Teuwsen hier vor lauter Begeisterung bei der lobenden Erwähnung des stark erfüllten Themenbezugs zu unserem Motto "Glauben statt Wissen" aus dem aufmerksamen Publikum per Zuruf korrigiert werden musste: "Wissen statt Glauben!" Verflixt. Was natürlich für heiteres Gelächter im Publikum sorgte.
Der dritte Preis A: Fetisch mit Formeln lässt grübeln
Ein mit Formeln überdeckter Fetisch. "Ein Bild, das zum Nachdenken anregt", sagt Jutta Teuwsen und interpretiert: "Viele Menschen fühlen sich auch von der Wissenschaft abgehängt. Die Wissenschaft wird immer abstrakter. Was ist denn überhaupt Wissen, wenn wir es nicht verstehen? Gleichzeitig wird Religion immer konkreter. Einzelne Menschen leben Religion wie einen Fetisch. Beides: Religion und Fetisch können als Rettungsanker dienen. Was ist hier nun stärker: die Formeln oder der Fetisch? Reinigt der Fetisch die Atmosphäre von den vielen Formeln oder rauben die Formeln dem Fetisch die Luft zum atmen? Das bleibt eine offene Frage."
Der dritte Preis B: ein frei schaukelndes Kosmologiebuch
Anke Lohrer gibt mit ihrem Künstlerbuch naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über den Kosmos eine sehr poetische Bühne. Sie verwebt gekonnt naturwissenschaftliche Bilder mit künstlerischer Grafik und schafft verspielte Übergänge zwischen Naturwissenschaft und Kunst.
Der neugierig blätternde Besucher wird Teil der Komposition. Die für ihn parat gelegten weißen Handschuhe integrieren ihn ins Werk und wecken gleichzeitig die Assoziation zu so manchem heiligen Buch, das aus Respekt nicht mit der bloßen Hand berührt werden darf. Heiliger Kosmos! Ein Aspekt, der sich auch noch einmal in dem in der Grafik verwendeten Blattgold widerzuspiegeln vermag. "Berauschend", findet Jutta Teuwsen und freut sich darüber, dass bzgl. unseres Universums Glauben und Wissen mal nicht getrennt betrachtet, sondern als Einheit gesehen werden können.
Klopf, klopf ... lass mich rein!
Zu guter Letzt und von allen mit Spannung erwartet, stand nach Auszählung der Wahlurne dann auch der Publikumspreis fest: and the winner is ...
... ein klitzekleiner Bischof der vor einem maßstabsgetreuen Hirn um Einlass bittet: "Klopf, klopf ... lass mich rein!" betitelte die Künstlerin Marie Althöfer ihre Plastik.
Und fügt lakonisch hinzu: "Es ist nur fraglich, ob wir ihm Zutritt gewähren."
Ein Bischof kann uns doch nur beeindrucken, wenn wir uns auch von ihm beeindrucken lassen, oder? Wenn das Gehirn religiös weichgespült, schon voller Erwartung ist. Wenn es in der kindlichen Aufbauphase religiös indoktriniert wurde, es bereits einige Male vor Altar, Klerus und Heiligkeit kollektiv kniete und widerwillig bis willig die sich selbst klein soufflierenden Gebete mitmurmelte. Ehrfurcht vor Gott und seiner Stellvertreter-Institution lernte. Bis zum öffentlichen Beweis, wenn es sich salbungsvoll die bischöflich beringte Tatze protestlos auflegen lässt.
Liebes Hirn, bleibe skeptisch, bleibe selbstbestimmt und höre niemals auf, alles in Frage zu stellen. Auch und vor allem das, was Dich am meisten beeindruckt. Denn wir brauchen Dich in größtmöglicher Autonomie, wir haben ja nur Dich.
Liebe Marie Althöfer, vielen Dank für dieses inspirierende, plakative und humorvolle Bild! Ein würdiger Publikumspreis allemal.
5 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Belebend. Und fast 30 °C warm?
Maiki am Permanenter Link
Erklärt mir doch mal bitte, was es bedeutet, Wissenschaft zu "besitzen". Heißt das zum Beispiel, dass ich mir immer die neuesten Studien zur gesunden Ernährung reinziehe und sie befolge?
Ricarda am Permanenter Link
Heißt: die kritisch-rationale Methode, also den Weg der Naturwissenschaft, ihre Methode, den Weg des Zweifels zu verstehen und zu üben.
Maiki am Permanenter Link
Besitzt ein kirchlicher Organist keine Kunst?
Ricarda am Permanenter Link
Doch, der Organist besitzt natürlich Kunst (sofern er nicht beschissen spielt) Die Kunst des Orgelns steht ja in keinerlei Abhängigkeit zum Besitz von Religion.