Kein atheistischer Kandidat für den US-Wahlkampf

Obwohl ein beträchtlicher Teil der US-Amerikaner sich keiner bestimmten Religion zuordnet beziehungsweise gar keine hat, spiegelt sich das bei ihren Volksvertretern nicht wider. Aber nicht, weil es unter ihnen keine Ungläubigen gäbe, sondern weil sie sich davor scheuen, dies bekannt zu geben. Auch bei den demokratischen Kandidaten für den neuen Präsidentschaftswahlkampf gibt es keinen bekennenden Nicht-Religiösen. Eine Ausnahme ist da der Kongressabgeordnete Jared Huffman, der in einem Interview mit dem Guardian über seine weltanschaulichen Ansichten sprach.

Wie die britische Tageszeitung berichtet, ist die Auswahl an Bewerbern als demokratischer Präsidentschaftskandidat so vielfältig wie nie zuvor. Es sind Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe dabei, ein Homosexueller, ein Selbsthilfeguru – aber keiner, der sich offen zum Atheismus bekennt. Dafür ein Katholik, eine Methodistin, ein Episkopaler und eine Jüdin, die ihre Überzeugungen offen in die Politik tragen. Bei Bernie Sanders ist die Sachlage nicht ganz klar. Einerseits ist er Jude, andererseits sei er nach eigener Aussage "nicht aktiv an organisierter Religion beteiligt". Über seinen persönlichen Glauben äußerte er sich eher unkonkret, dass für ihn wir alle und alles Leben miteinander verbunden seien.

Atheisten sind in der US-Politik so gut wie nicht vertreten, während sich 23 Prozent der Bürger als Atheisten, Agnostiker oder "nichts Bestimmtes" bezeichnen. Es ist die größte Diskrepanz ihrer Art zwischen Abgeordneten und Bewohnern des Landes. Christen seien dagegen überrepräsentiert. Im Senat gibt es lediglich eine Person, die keiner Religion angehört: Kyrsten Sinema (43) von den Demokraten; und im Kongress hat sich ein einziger Abgeordneter als Humanist geoutet: Der 55-jährige Jared Huffman, ebenfalls Demokrat.

Er ist Mitbegründer des "Congressional Freethought Caucus", einem Zusammenschluss von Freidenkern innerhalb des amerikanischen Kongresses. Zusammen mit Jamie Raskin ist er Vorsitzender des Gremiums, dem außerdem noch acht weitere demokratische Abgeordnete angehören. Gemeinsam wollen sie sich für eine Politik einsetzen, die auf Vernunft, Wissenschaft und Moralvorstellungen beruht. Außerdem setzen sie sich für die verfassungsgemäße, strikte Trennung von Staat und Kirche ein sowie gegen die Diskriminierung von Atheisten, Agnostikern, Humanisten sowie religiöser und nicht-religiöser Personen. So wollen sie weltweit für Gedanken- und Gewissensfreiheit eintreten.

Ende 2017 bezeichnete Huffman sich selbst wörtlich als "nicht-religiös, humanistisch, spirituell, aber ohne ein bestimmtes Dogma. Ich lasse mich spirituell treiben. 'Ein Suchender' wäre auch eine passende Bezeichnung." Er interessiere sich für die Werte und die Moral, die uns zusammenhalten, es gebe aber bei den organisierten Religionen vieles, was einfach nicht zu ihm passe, zitierte ihn der Guardian. Der Kongressabgeordnete bevorzuge für sich jedoch die Bezeichnung "nicht-religiös", da er nicht dagegen sei, wenn jemand eine Religion habe: "Ich möchte, dass jeder seine eigenen religiösen Entscheidungen trifft." Atheismus hingegen bringe die Vorstellung mit sich, gegen Religion zu sein. Kämpfern wie Richard Dawkins oder Christopher Hitchens wolle er nicht nacheifern. "Ich würde Religion nie als etwas kategorisch Schlechtes bezeichnen", so der Politiker gegenüber dem Guardian. Er sehe viel Positives, das von religiösen Menschen oder auch organisierter Religion bewirkt werde wie zum Beispiel die Enzyklika von Papst Franziskus, die sich mit der Umweltzerstörung beschäftigt. Es gebe aber auch "viel lausiges, unmoralisches Zeug", es sei eben eine Mischung von beidem.

Warum gibt es so wenige wie ihn? Warum gibt es keinen nicht-religiösen Bewerber für den Präsidentschaftswahlkampf? Es herrsche auf der nationalen politischen Ebene noch immer die Auffassung, man müsse irgendeine Form von Glauben vorweisen können, dass dies eine der Grundvoraussetzungen sei. Jared Huffman ist sich jedoch sicher: Er hat viele Sympathisanten, aber nur die wenigsten wagen es, ihren Nicht-Glauben öffentlich bekannt zu geben. "Ich denke, da ist immer noch diese Angst vor der weit verbreiteten Weisheit, dass es irgendwie das Schlimmstmögliche in der Politik ist, Atheist, Agnostiker oder ein Ungläubiger zu sein", sagte er dem Guardian. Seiner Erfahrung nach sei das nicht der Fall, aber es komme darauf an, wie man es umsetze.

Die Zahlen geben den Befürchtungen seiner Kollegen allerdings Recht. Es wird eine aktuelle Studie des renommierten Gallup-Instituts zitiert, nach der die US-Wähler viel eher für einen religiösen als für einen atheistischen Kandidaten stimmen würden: 95 Prozent der Befragten können sich vorstellen, einen Katholiken zu wählen, ein jüdischer Kandidat würde 93 Prozent überzeugen, ein evangelikaler 80. Zurückhaltender äußern sich die Testpersonen bei einem Muslim, er könnte lediglich 66 Prozent für sich gewinnen. Ein Atheist käme dagegen lediglich auf 60 Prozent. Noch schlechter würde nur ein Sozialist abschneiden (47 Prozent). Auf eine längere Zeitspanne gesehen sind die 60 Prozent allerdings weniger negativ zu bewerten, als es auf den ersten Blick scheint: Seit 1937 führt das Meinungsforschungsinstitut diese Umfrage durch, seit 1958 wurde erstmals ein möglicher atheistischer Kandidat einbezogen. Damals hätte ein solcher Bewerber lediglich 18 Prozentpunkte erreichen können.