Richard Dawkins: Atheismus für Anfänger

Hasta la vista, Baby!

Evolutionsbiologe und Anti-Kreationist Richard Dawkins wirbt wieder für gepflegte Gottlosigkeit und eine wissenschaftliche Deutung der Welt. Sein neues Buch "Atheismus für Anfänger" zielt auf jugendliche Leser.

"Tschüss, Gott!" Gleich der Titel des ersten Buchteils zeigt, wo's lang geht. Der alte Sack im Himmel – oder wo immer Gott und seine Alter Egos abhängen – ist gefeuert. "Hasta la vista, Baby!" Für den Job als Lebens- und Universumsurheber kürt Dawkins fähigere Kandidaten: Evolution und Urknall. Mit Darwins Hilfe verrentnert Dawkins die Gottgang auch als Moralstifterin. In Dawkins' Buch Der Gotteswahn (2007; engl.: The God Delusion; 2006) lag der Schwerpunkt noch auf der gesellschaftlichen Schadensbilanz der Religionen.

Wie man Gott loswird

Atheismus für Anfänger hangelt sich entlang elementarer Fragen, die sich Gläubige und Nicht-Gläubige womöglich stellen, wenn sie Argumente für oder gegen Religion suchen.

Cover

"Brauchen wir Gott, um gute Menschen zu sein?" – Wer Dawkins kennt, weiß, dass die Frage rhetorisch ist. Kants kategorischer Imperativ beispielsweise ist ein weitaus originellerer und sinnvollerer Maßstab zur moralischen Orientierung als die lächerlichen zehn Gebote der Bibel. Besonders das erste Gebot wurde oft genug als Aufruf zum militanten Fundamentalismus interpretiert: "Die wahnhafte Entschlossenheit der frühen Christen, Bilder rivalisierender Götter zu zerstören, hat heute ihre Parallele in dem muslimischen Fanatismus von IS und al-Qaida."

Dawkins zerpflückt die alttestamentarischen Paragrafen, einen nach dem anderen. Zwei oder drei Beispiele hätten hier allerdings genügt. Fundamentalchristen wie diese "12 Stämme"-Spinner wird dieses Buch eher nicht erreichen und weltgewandtere Gläubige werden die zehn Gebote wohl nicht so ernst nehmen wie Old Moses.

Die Religion isst man mit

Dawkins macht seinen Aufklärungsjob auch in diesem Buch recht gründlich. Ein Abschnitt befasst sich mit der gesellschaftlichen Rolle von Religion (das Auge Gottes als moralische Überwachungskamera) und einigen Erklärungsversuchen, wie Religionen entstanden und wie sie die Evolution überstanden.

Einer ist die "Nebenprodukt-Theorie". Gemeint sind religiöse Überzeugungen und Rituale wie Gebete oder Opfer an Regengötter, die Eltern an ihre Kinder weitergeben – neben allerhand praktischen und tatsächlich funktionierenden Ratschlägen. Sie sind zwar nutzlos, andererseits verhindern sie aber nicht, dass die Kinder alt genug werden, um ihre Gene und Überzeugungen weiterzugeben. Eben Mitläufer. Zudem dient Religion bisweilen als gesellschaftlicher Katalysator, etwa wenn ihre irdischen Vertreter jenseitige Versprechungen machen und damit Zusammenhalt und Aufopferungsbereitschaft der Krieger erhöhen: "Die Priester solcher Götter predigen die Vorzüge des Mutes in der Schlacht. Vielleicht lehren sie, ein Krieger, der den Märtyrertod stirbt, werde geradewegs in einen besonderen Märtyrerhimmel aufsteigen. Oder geradewegs nach Walhalla. Vielleicht versprechen sie sogar den Männern, die im Kampf für den Stammesgott sterben, im Himmel wunderschöne Jungfrauen." In einer Schlacht zwischen zwei Stämmen kann diese Gehirnwäsche – oder besser Gehirnverschmutzung durchaus ein Überlebensvorteil sein.

It's not a trick, it's evolution

Als Erklärung für die Verbreitung von Religion, speziell für heutige, hätte Dawkins auch auf soziologische Theorien zurückgreifen können. Die Evolutionstheorie ist fantastisch, um die Entstehung von Leben und der biologischen Arten zu erklären und sämtliche Götter und göttlichen Schöpfer und Gestalter in die Märchenbücher zu verbannen, aber sie ist keine Universaltheorie. Manchmal wirkt es, als wolle Dawkins mit seinem Schweizer Taschenmesser einfach jedes Problem lösen. Andererseits braucht es manchmal große Leidenschaft, um andere von etwas zu überzeugen, das ihrem Weltbild komplett widerspricht.

Fakten sind das eine. Das andere ist Begeisterung für seine Sache. Dawkins ist eben nicht nur anti-religiös. Er ist vor allem pro-Wissenschaft. Man spürt förmlich, wie viel Kraft es Dawkins gekostet haben muss, sich vergleichsweise kurz zu fassen und sich nicht jeder aufpoppenden Abschweifung hinzugeben. In dieser fast kindlichen Begeisterung liegt auch die Stärke des Buches. Dawkins hat einen ausgeprägten Sinn für Schönheit und wie sie die Wissenschaft beseelt.

Richard Dawkins: Atheismus für Anfänger: Warum wir Gott für ein sinnerfülltes Leben nicht brauchen, Ullstein, 2019. 320 Seiten, broschiert, ISBN 978-3550200441, 18 Euro (16,99 Euro eBook)