Interview

Dude it like Lebowski!

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Oliver Benjamin: The Dudely Lama
Oliver Benjamin

Der 98er-Film "The Big Lebowski" von den Brüdern Ethan und Joel Coen hat ein Nachspiel. Die von Jeff Bridges gespielte Hauptfigur "der Dude" inspirierte den amerikanischen Journalisten Oliver Benjamin, eine "Open Source"-Religion zu gründen: den Dudeismus. Sein Mantra ist "take it easy" und "abide" (zu deutsch: "verweile!").

hpd: Formelle Ansprachen sind nicht so mein Ding, egal ob Queens, Analogadelsfuzzis, Politikheinis oder Religionswichtel. Aber du wirkst ganz gechillt, Alter. Deshalb interessiert es mich ausnahmsweise: Wie wirst du offiziell angequatscht: Mr. Presidude? Dude Father? Your Dudeness? Was geht, Duder?

Oliver Benjamin: The Dudely Lama.

Cool. Mr. Dudely Lama, wie verbringt der Gründer und Wegweiser des Dudeismus seinen Alltag im Diesseits?

Der Dudeismus ist slow grow. Wächst langsamer als jede andere Religion. Anfangs hieß das viel mehr schreiben und den Weg des Dude verkünden. Inzwischen stecke ich die meiste Zeit in die Website. Zwischendrin habe ich einige Bücher1 geschrieben zum Dudeismus. Und langsam wäre ein neues fällig. Damit sind wir beim größten Problem einer Religion, gegründet auf Faulheit und "take it easy!": Ich kriege meinen Hintern zu selten hoch, um etwas dafür zu tun. Es ist so wunderbar einfach, eine ruhige Kugel zu schieben. Dabei vergisst du schnell, dass es genauso wichtig ist, neuen Challenges zu winken und klarzumachen, dass du beim Spiel des Lebens mitwürfelst. Der wahre Dudeist weiß, wann er handelt und wann er nichts tut.

Klingt weise, Dude! Wenn du den Dudeismus in eine Schublade quetschen müsstest, welche würdest du bevorzugen: Religion (ihr habt ja all das Priesterzeug und die Church of the Latter-Day Dude)? Philosophie (wegen der Abide University)? Lifestyle (weil Dudeness so cool ist und wegen des Dudespaper)? Oder ganzheitliches Suvivalmanagement (weil wir in einer beschissenen Zeit leben und Dudeismus der gechillteste Weg ist, nicht durchzuknallen)?

Ich finde, sie passen alle. Die Spaßbremse bei vielen dieser Begriffe – Religion, Philosophie, Lifestyle etc. – ist, dass sie Ideologien und Ideen in ein Korsett packen. Glaube und Philosophien sind nur Modelle, um der Welt Sinn anzuheften. Dabei sind sie leider viel zu starr und rigide. Der Dudeismus versucht es mit einer differenzierteren Weltanschauung, in der wir "unseren Geist geschmeidig halten", wie der Dude sagt.2 Es liegt einzig in seiner übernatürlich flexiblen Wahrnehmung und seinem dudeistischen Denken, dass der Dude das Rätsel im Film löst und dass er die einzige Figur ist in The Big Lebowski, die wirklich glücklich und zufrieden ist mit seinem Leben.

Die Welt ist massiv im Arsch. Und überall regieren Blofelds, Dr. Nos, Goldfinger und Elliot Carvers. Ist Dudeismus ein formidabler Weg, um diesen Bullshit zu ertragen und die Welt zu retten oder sie zumindest nicht zurückzulassen wie einen vollgepissten Teppich?

Würde jeder Mensch etwas mehr Dude-Haltung annehmen, wäre das sicher ein Anfang, um einander besser zu verstehen. Das würde die Tür öffnen für weit lohnendere und erhellendere Gespräche. Der Film-Dude ist so einzigartig, weil er es schätzt, dass er von seinem Umfeld viel lernen kann, statt mit der "Ich weiß schon alles"-Einstellung aufzutreten. Diese aufgeschlossene, vorurteilsfreie Haltung zeigt er bei jeder Begegnung mit Leuten, egal wie sie ihm gegenüber auftreten. Daher kann er von jedem lernen und vermeidet, dass sein Ego der eigenen Entwicklung im Weg steht.

Bleiben wir bei der Religionsanalogie: Die Jesusleute haben ihr Fegefeuer (warm und gemütlich, besonders bei einem zapfigen Winterbastard), die Muhammadmen haben ihre Virgins (Welche Benefits bekommen eigentlich nicht-lesbische muslimische Frauen?) und Buddhisten ihr hipster-grunchiges Nirvana. Welche Rewards verspricht der Dudeismus seinen Followern für ein Leben im Verweilmodus? Ein selbstfüllendes Glas mit dem Getränk deiner Wahl? Einen Teppich, mit dem du dich überall zu Hause fühlst, egal wo du bist?

Dudeismus ist insofern einzigartig, als es dir überhaupt nichts verspricht. Im Dudeismus ist das Praktizieren von Dudeismus quasi seine eigene Belohnung. Wenn wir lernen, einfache Freuden zu genießen und zu erkennen, wenn wir lernen, uns zu entspannen und eine ruhige Kugel zu schieben, wenn wir uns mit geschmeidigen Kollegas zusammentun, bereichern wir unseren Alltag. Und wir brauchen kein Versprechen von einem Paradies danach. Das Paradies ist genau hier, genau jetzt. Im Hier und Jetzt ist es quasi verdammt cool.

Klassische Religionen sind vollgestopft mit anmaßendem Bullshit. Zudem fehlt es ihnen an solider Coolness und Dude-Style. Kennst du irgendeine andere Religion, die dem Dudeismus das Wasser oder besser den White Russian reichen kann? Vielleicht der Pastafarianismus alias Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters?

Der Pastafarianismus ist cool, aber er ist mehr eine Parodie auf bestehende Religionen. Die Pastafaris beanspruchen nicht wirklich, dir irgendwelche Lebenshilfe zu geben, und das ist cool. Ratschläge anzubieten ist schließlich ganz schön anmaßend. Aber wenn man auf so was steht, ist Taoismus ziemlich groovy. Der Dudeismus basiert in der Tat größtenteils auf Taoismus und Buddhismus. Allerdings mit mehr Spaß und popkulturellen Referenzen.

Eine weitere Spaßbremse der Mainstreamreligionen: Sie haben keine coolen Reliquien. Der Vatikan besitzt weder eine Flasche vom Wein, den Jesus aus Wasser und Magie gebraut hat (War er in Hogwarts? Ein Slytherin?) noch Marias aus Stroh geflochtenen Keuschheits-G-String, den sie trug, während sie von Jesus' Daddy fleckenfrei geschwängert wurde. Ich wette, wenn das Marketing der Church of the Latter-Day Dude Reliquien vorsähe, dann wäre eine davon Lebowskis vollgepinkelter Teppich. Oder reite ich jetzt komplett auf dem falschen Esel?

Der Dudeismus interessiert sich nicht für materielle Dinge. In der Tat ergeben sich alle Probleme des Film-Dude aus seinem Wunsch, an seinem geschätzten Teppich festzuhalten. Den großen Umweg seines Lebens macht er, als er sich darum sorgt, diesen Wertgegenstand zu verlieren. Der Dudeismus konzentriert sich auf den Wert von Ideen und Freundschaften – nicht auf den Wert von Schätzen und Status.

In deinem letzten Buch "The Tao of the Jedi" (2019) buddelst du dich in die spirituelle Seite von Star Wars. Heißt das, du konvertierst jetzt vom Dudeismus zum Jediismus oder Jodaismus?

Nicht jeder steht auf Lebowski. Traurig, aber wahr. Also expandieren wir den Dudeismus auf andere Kulturvehikel. Wie sich das entwickelt, siehst du auf unserer neuen Website Independent Spiritual Ministries. Jediismus ist da – und viele weitere. Sie alle sind in erster Linie Variationen vom Dudeismus. Es steht alles noch am Anfang. Quasi ein play-in-progress.

Analogreligionsofficials gehen zum Lachen bekanntlich in die Hölle. Haben euch Leute verklagt oder zumindest verflucht, weil der Dudeismus sich lustig macht über sie und eine verdammt coole Religion ist (was die Analogis natürlich niemals zugeben würden)?

Wir haben damit gerechnet, mehr wütende Briefe zu bekommen, weil wir eine Religion erfunden haben, die andere Religionen verarscht. In Wahrheit geht es uns gar nicht darum, über den Glauben anderer Leute herzuziehen. Wir integrieren respektvoll Ideen aus Christentum, Buddhismus, Taoismus und anderen Weltanschauungen. Wir sind vielleicht nicht mit allem einverstanden, aber wir sympathisieren mit den Bedürfnissen der Menschen nach Sinn und Erklärung. Pastafaris bekommen anscheinend viele böse Briefe von religiösen Eiferern – uns haben sie bisher in Ruhe gelassen. Vielleicht kennen sie uns einfach nicht. Und das ist auch cool.

Das Interview führte Jonny Rieder für den hpd.


  1. Dudeismus-Bücher von Oliver Benjamin:

    •The Abide Guide – Living like Lebowski, 2011

    •The Dude De Ching: A Dudeist Interpretation of the Tao Te Ching, 2015

    •The Tao of the Dude – Awesome Insights of Deep Dudes from Lao Tzu to Lebowski, 2015

  2. O-Ton Dude: "This is a very complicated case, Maude. A lot of ins, a lot of outs. Fortunately, I’m adhering to a pretty strict drug regimen to keep my mind limber." (The Big Lebowski, 1998) ↩︎

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