Am Wochenende dominierten Bilder demonstrierender Gegner der Corona-Maßnahmen die Medien. Die starke Berichterstattung gaukelt eine gesellschaftliche Relevanz der "Corona-Rebellen" vor, die sie nicht haben. Sie stellen eine Minderheit dar. Die deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland und weltweit befürwortet die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus.
In ihrer eigenen Vorstellungswelt fühlen sich die sogenannten "Corona-Rebellen" als die wahren Volksvertreter und sind kurz davor, in Deutschland die Macht an sich zu reißen. Zahlen von bis zu sechs Millionen Teilnehmenden an den Berliner Corona-Demonstrationen des vergangenen Wochenendes kursieren in ihren Kreisen. Die Realität sieht deutlich anders aus. Rund 38.000 Menschen haben nach Angaben der Polizei an sämtlichen Berliner Corona-Demonstrationen am Samstag teilgenommen, je rund 2.000 an zwei weiteren Demonstrationen am Sonntag. 38.000 Menschen – das sind knapp 0,05 Prozent der 83 Millionen starken Bevölkerung Deutschlands und nicht mal ein halb volles Signal Iduna Stadion des BVB in Dortmund, dessen Spiele 2019/2020 laut der Fußballzeitschrift kicker im Schnitt von 81.073 Zuschauern besucht wurden.
Natürlich haben die Demonstrierenden Recht, wenn sie sagen, dass nicht alle, die wie sie denken, am Wochenende in Berlin waren. Tatsächlich gibt es in der Bevölkerung mehr als 0,05 Prozent, die die Corona-Maßnahmen kritisieren. Doch trotzdem sind sie deutlich in der Minderheit, während die Mehrheit der Bevölkerung die Maßnahmen der Regierung zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus befürwortet oder sich gar noch strengere Maßnahmen wünscht. Dies zeigen mehrere unabhängig voneinander durchgeführte Umfragen.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zwischen dem 7. und 10. August erklärten nur drei Prozent der insgesamt 2.018 Befragten, dass sie die Schutzmaßnahmen für überflüssig hielten, weil das Virus ihrer Einschätzung nach "nicht so gefährlich" sei. Sieben Prozent sahen hinter den Schutzmaßnahmen einen "Versuch mächtiger Kreise, andere Ziele durchzusetzen". Weitere 16 Prozent waren zwar für Schutzmaßnahmen, hielten die aktuell vorgeschriebenen Regelungen jedoch für überzogen. Über zwei Drittel (68 Prozent) erklärten die aktuell vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen hingegen für absolut notwendig.
Bemerkenswert ist auch, dass die Unterstützung für die Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln seit Ende Mai deutlich gewachsen ist. Wollten Ende Mai 33 Prozent die Pflicht abschaffen oder lockern, so waren es Anfang August nur noch 24 Prozent. Und während Ende Mai nur 13 Prozent die Maskenpflicht auf weitere Lebensbereiche ausdehnen wollten, so war es Anfang August bereits ein Viertel der Befragten. Die übrigen Befragten – und damit die Hälfte der an der Umfrage Teilnehmenden – fanden die Maskenpflicht in ihrer bestehenden Form genau richtig. Insgesamt erhielt das Krisenmanagement der Bundesregierung bei zwei Dritteln der Befragten (66 Prozent) hohe Zustimmungswerte. Ende März war es nur von 54 Prozent positiv bewertet worden.
Das am 28. August veröffentlichte "Politbarometer August 2020" der Forschungsgruppe Wahlen, für das vom 25. bis 27. August 2020 1.303 Personen befragt wurden, kommt zum Ergebnis, dass 60 Prozent der Befragten die geltenden Schutzmaßnahmen für gerade richtig halten. 28 Prozent fanden, dass die Maßnahmen härter ausfallen müssten und zehn Prozent fanden sie übertrieben. Gut drei Viertel der Befragten (77 Prozent) sprachen sich für eine stärkere Kontrolle bei der Einhaltung der Corona-Maßnahmen aus, darunter Mehrheiten in allen Parteianhängergruppen, mit Ausnahme der AfD-Anhänger, bei denen sich lediglich 48 Prozent für stärkere Kontrollen aussprachen.
Eine heute veröffentlichte repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.002 Personen ab 14 Jahren, durchgeführt am 26. und 27. August, kommt zu dem Ergebnis, dass 94 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum befürworten. Darunter sprechen sich 59 Prozent für eine Maskenpflicht nur in bestimmten Bereichen wie öffentlichen Verkehrsmitteln, Geschäften oder Kinos aus. Und 35 Prozent sind sogar für eine Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum. Dagegen lehnen nur fünf Prozent eine Maskenpflicht grundsätzlich ab. Unterschiede gibt es zwischen Ost- und Westdeutschland: zwölf Prozent der Ostdeutschen, aber nur vier Prozent der Westdeutschen sind Maskengegner. Im Vergleich zu einer TÜV-Umfrage im April hat die Zustimmung zur Maskenpflicht erkennbar zugenommen. Seinerzeit waren 88 Prozent für eine Maskenpflicht.
Eine internationale Studie des US-amerikanischen Pew Research Center kommt ebenfalls zu hohen Zustimmungswerten für staatliche Schutzmaßnahmen – und das nicht nur in Deutschland. Vom 10. Juni bis zum 3. August 2020 führte das Pew Research Center unter 14.276 Erwachsenen in 14 Ländern seine Umfrage durch: in den Vereinigten Staaten, Kanada, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden, dem Vereinigten Königreich, Australien, Japan und Südkorea. Die Umfrage zeigte, dass die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber dem Umgang des jeweils eigenen Landes mit der Coronavirus-Pandemie mehrheitlich sehr positiv ist.
Im Durchschnitt aller Länder gaben 73 Prozent der Befragten an, dass ihr eigenes Land bei der Bekämpfung des Ausbruchs gute Arbeit geleistet habe. In Dänemark, Australien, Kanada, Deutschland, den Niederlanden, Südkorea, Italien und Schweden bewerten etwa sieben von zehn oder mehr Befragten die Reaktion ihres Landes auf das Coronavirus positiv. Dasselbe gilt für mehr als die Hälfte der Befragten in Belgien, Frankreich, Japan und Spanien. Lediglich in zwei Ländern – dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten – sind die Menschen in ihren Überzeugungen gespalten, wenn es darum geht, die Leistung ihrer Regierung in Bezug auf die Reaktion auf das Coronavirus zu bewerten.
8 Kommentare
Kommentare
Christian Meißner am Permanenter Link
Danke für die sachliche Zusammenfassung! Sehr nett auch die kicker-Statistik ;-)
Zu Spanien ist anzumerken, dass dort im Gegensatz zu Deutschland die so genannten "Rechtspopulisten" ("Vox") sich nahezu geschlossen für eine Verschärfung der Maßnahmen aussprechen.
Offenbar geht es stets darum, über das Auffangen von Stimmungen Stimmenfang zu betreiben - wodurch sich die beiden Gruppierungen den Titel "Populisten" zwar redlich verdient haben.
Andererseits zeigt genau dieses Fehlen einer einheitlichen "radikal-rechten" Position zum Thema auch die Chancen für die demokratischen Parteien auf, Widersprüche im Weltbild der "Radikal-Rechten" aufzudecken. Voraussetzung dafür ist natürlich die Bereitschaft zur offenen Debatte in der Sache selbst.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"...
Wenn ja, wundert mich eigtl. nix mehr.
Armes 'schland.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ganz meiner Meinung Herr Trutnau in allen Punkten.
Klaus am Permanenter Link
Das ist auch eine Form die Anti-Corona-Maßnahmen madig zu machen!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Sind die nicht schon längst "madig"?
Klaus am Permanenter Link
Sie hinterlassen einmal mehr den Eindruck, dass es Ihnen weniger um eine sachliche Diskussion geht als um Stimmungsmache.
Die mehrheitliche Unterstützung der Corona-Maßnahmen hat zunächst einmal herzlich wenig mit den Beliebtheitswerten eines Politikers zu tun, sondern wohl eher mit der Tatsache, dass diese Einschränkungen von Politikern gerade am Anfang offen kommuniziert und von vielen Bürgern als notwendig und vernünftig akzeptiert wurden.
Ihre unterschwellige Botschaft lautet:
Wenn Menschen die Corona-Maßnahmen mittragen und gleichzeitig einen - bei Ihnen (wie bei mir) unbeliebten - Politiker gut finden, kann kann es mit ihrer Urteilsfähigkeit nicht so weit her sein. Herrn Söder dann allerdings noch als "einen der rechtesten Politiker" in Deutschland zu bezeichnen, spricht nicht gerade für Ihr eigenes politisches Einschätzungsvermögen. Man fragt sich, wo sie dann die AFD und Leute wie Kalbitz oder Höcke verorten.
Nun, Herr Söder ist als CSU-Vorsitzender sicher ein rechtskonservativer Politiker, vor allem aber ist er ein geschickter Karrierist, der schon mit sehr unterschiedlichen Taktiken gespielt hat.
Es ist noch nicht vergessen, dass er vor gut einem Jahr eine zweite Flüchtlingswelle an den bayrischen Grenzen beschwor, um der AFD den Wind aus den Segel zu nehmen. (War nicht sehr nachhaltig!)
In der Corona-Pandemie hat er schnell die Rolle des Machers eingenommen und wohl auch für viele den richtigen Ton getroffen. Ob das politische Lernfähigkeit war oder zufällig der richtige Griff in die Taktik-Kiste sei dahingestellt.
Trotz der berechtigten Kritik an der an oder anderen Corona-Maßnahme, am föderalen Flickenteppich sowie am timing mancher Aktionen, halte ich in der Summe die deutsche Corona-Politik für richtig, notwendig und relativ erfolgreich. Deutschland wird international dafür auch vielfach geschätzt.
Es liegt mir fern hier eine weitere Diskussion über den Umgang mit der Corona-Pandemie vom Zaun zu brechen. Ich habe das auch auf hdp schon verschiedentlich ausgeführt.
Ich bin es aber leid, wenn auf einer Plattform, die sich der Rationalität und dem Humanismus verpflichtet fühlt, immer wieder in Kurz-Statements ohne inhaltliche Argumentation (zuweilen verpackt in harmlos wirkende rhetorische Fragen) Stimmung gemacht wird.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Bzgl. "sachliche Diskussion / Stimmungsmache / Kurz-Statements" verweise ich gerne auf Ihren Kommentar vom 5.9. hier oben.
Und afd & co sind für mich ganz rechts außen; undiskutabel.
Klaus am Permanenter Link
Ach Herr Trutnau,
das wird ja wieder das bekannte Spiel!?
Sie verbreiten in Form harmlos wirkender Fragen unterschwellige Botschaften gegen die deutsche Corona-Politik bzw. deren Unterstützer (Die obige haben Sie indirekt gleich selbst beantwortet, indem Sie sich im armen Deutschland über gar nichts mehr wundern).
Ich erkläre Ihnen, warum ich dies für eine Form des "Madigmachens" der Corona-Maßnahmen halte. Und Sie reagieren wiederum mit einer Gegenunterstellung.
Überhaupt nichts gegen kritische oder zustimmende Kurz-Statements. Es wird jedoch problematisch, wenn sie immer wieder versteckte Subtexte enthalten. Deshalb wäre es einfach mal interessant, von Ihnen klarere, inhaltliche Argumente zu lesen.
Solange bleibe meinem Verdacht der "Stimmungsmache".