Warum du nicht in einer Höhle schlotterst und deinen Lieblingshund schlachten musst

Verschwörungsglauben als Ersatzreligion

Für viele Menschen ist der Glaube ein essenzieller Bestandteil ihres Lebens und ihres Bewusstseins. Er gibt ihnen Hoffnung und Trost. Vor allem aber verspricht er ihnen ein Leben nach dem Tod. All das vermittelt ihnen Sinn und macht die Abwege unseres modernen Lebens erträglicher.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie glaubwürdig und plausibel ein strenger Glaube ist, der die Erlösung nach dem Tod und das Jenseits verspricht.

Diese Frage stellen sich Gläubige selten, denn viele ahnen, dass ihnen die Antwort nicht schmecken könnte. Sie verdrängen Selbstzweifel, um nicht ins Elend zu stürzen. Manche geben zu, lieber in einer allfälligen Illusion zu verharren, als sich die Hoffnung zu zerstören. Das ist zu respektieren, auch wenn es manchmal schwer fällt.

Es gibt einen weiteren Trick, um den Glauben nicht zu erschüttern. Ich kenne ihn. Zwar nicht aus eigener Anschauung, sondern weil ihn mir Gläubige aus Freikirchen wiederholt ans Herz gelegt haben.

Er funktioniert so: Ich solle doch Jesus in mein Herz aufnehmen, auch wenn bei mir noch gewisse Zweifel vorhanden seien. Dann sei ich nach meinem Ableben auf der sicheren Seite und werde von Gott erlöst. Das wäre für mich dann wie ein Sechser im Lotto. Dieser Einsatz müsse es doch wert sein, Jesus meine Referenz zu beweisen. Frei nach dem Motto: "Nützts nüüt, so schads nüüt."

Kein Kuhhandel in metaphysischen Fragen

Dieser Ratschlag ist zweifelsfrei gut gemeint, er funktioniert bei mir aber nicht. In metaphysischen Fragen lasse ich mich nicht auf einen Kuhhandel ein. Da gilt für mich der Wille zur Suche nach der Wahrheit.

Natürlich ist mir bewusst, dass es in Glaubensfragen keine absolute Wahrheit gibt. Die Auseinandersetzung mit religiösen und philosophischen Fragen ist aber der Versuch, das Leben zu ergründen und mich der subjektiven Wahrheit anzunähern. Und dies im vollen Bewusstsein, dass der Erkenntnisstand bescheiden bleiben wird.

Vielleicht ist die geistige Auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens die entscheidende menschliche Bestimmung. Da gehe ich lieber mit wehenden Fahnen nach dem Tod unter, als dass ich einer möglichen Illusion anhänge.

Schwieriger wird es beim "Alltagsglauben", bei politischen Überzeugungen und Ideologien. Da geht es nicht mehr um schwarz oder weiß wie beim religiösen Glauben, vielmehr zeigt die Realität Grautöne oder ist gar bunt.

Bei der Orientierung helfen wenn immer möglich Vernunft und die Wissenschaft. Zwar haben auch diese Werkzeuge keinen Anspruch auf Wahrheit, doch mit ihnen gelingt es, die Phänomene in allen Lebensbereichen nach objektivierbaren Kriterien zu ergründen. Was sie dabei in den letzten 100 Jahren geleistet haben, ist bemerkenswert.

Eine geistige Wohlstandsverwahrlosung

Trotzdem hat vor allem die Wissenschaft in letzter Zeit einen schweren Stand. In Zeiten von Fake News, Verschwörungsmärchen und Corona misstrauen ihr immer mehr Leute. Sie glauben lieber, dass Bill Gates das Virus gezüchtet und ausgesetzt hat, dass der Bundesrat eine Coronadiktatur aufbaut, dass mit der Impfung die Bevölkerung dezimiert werden soll, dass sich Reptilienwesen zusammen mit Aliens in der hohlen Erde treffen, um die Weltherrschaft vorzubereiten und Vieles mehr. Ein solcher Aberglaube gleicht einer Ersatzreligion, die Ausdruck einer geistigen Wohlstandsverwahrlosung ist.

Natürlich gibt es auch Auswüche in der Wissenschaft. Aber ohne wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Errungenschaften würden wir heute vielleicht in einer Höhle schlottern und unseren Lieblingshund schlachten, um nicht verhungern zu müssen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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