Die religiösen Gefühle der anderen

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Mark Rossel: Mariendarstellung (Ausschnitt)

ST.PÖLTEN. (hpd) Kirchenvertreter und die rechtspopulistische FPÖ laufen Sturm gegen eine Ausstellung moderner Sakralkunst. Die Freiheitlichen haben eine Demonstration organisiert und den Künstler, den Australier Mark Rossell, wegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“ angezeigt. Auch der zuständige Diözesanbischof Klaus Küng sieht in den Mariendarstellungen „religiöse Gefühle“ verletzt. Der Künstler fühlt sich missverstanden.

Es ist, als gebe es kein anderes Thema in der Regionalpolitik. Zumindest aus Sicht der rechtspopulistischen FPÖ scheinen in Niederösterreich weder das Sparpaket der Bundesregierung noch die Pläne der Landesregierung, zahlreiche Bahnlinien zu schließen, so wichtig zu sein wie die aktuelle Ausstellung im Landhaus, dem Sitz der Landesregierung. Der australische Künstler Mark Rossell präsentiert in der so genannten Landhausbrücke, die traditionell für Ausstellungen genützt wird, Marien-Installationen unter dem Titel „Generator of the Heart“. Mit den sakralen Kunstwerken will er eigenen Angaben zufolge traumatische Erfahrungen aufarbeiten, die er in Lourdes gemacht habe, als er die Kommerzialisierung des katholischen Marien-Kults beobachtete.

Auf der Ebene „religiöser Gefühle“ eine Übung, die aus Sicht von sich ebenfalls religiös gebärdenden Menschen gründlich danebengegangen ist. Stein des Anstoßes ist vor allem eine Statue, die nach Ansicht von Kritikern eine Madonna zeigt, die von einem stilisierten Kondom verhüllt werde. Irgendwo soll auch „Ejakulat“ zu sehen sein. Vor allem Vertreter der niederösterreichischen FPÖ zeigen sich nicht um heftige Attribute verlegen: „Beleidigung religiöser Gefühle auf Kosten der Steuerzahler“, „Marienschändung“, „blasphemische Pseudo-Kunst“. Oder wie es der FPÖ-Abgeordnetete Christian Hafenecker in einer Presseaussendung zusammenfasste: „Diese Skandalausstellung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Ausgaben für Kultur radikal zusammenzustreichen. Kein einziger Niederösterreicher braucht diese Fantasien eines Künstlers, dem offenbar bei seiner Arbeit nicht klar ist, dass er die Gefühle Zigtausender gläubiger Menschen in diesem Bundesland und darüber hinaus verletzt!" Und ganz nebenbei fordern Politiker der nationalistisch ausgerichteten und ehemals antiklerikalen Partei den Rücktritt jenes Mitglieds der Landesregierung, das die Ausstellung eröffnet hatte.

Installation mit weißen Leintüchern verhängt

Mit Aktionen wird ebenfalls nicht gespart. Vor wenigen Tagen verhängten Vertreter der rechtspopulistischen Partei die Installationen mit weißen Leintüchern. Und erstatteten Anzeige gegen den Künstler nach dem so genannten Blasphemieparagrafen (§188 des österr. Strafgesetzbuchs) wegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“, wie Landesparteiobfrau Barbara Rosenkranz erklärte. Der Politikerin war heuer mangelnde Distanzierung zum Nationalsozialismus vorgeworfen worden, als sie erfolglos für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte. Sie selbst ist aus der Kirche ausgetreten, keines ihrer zehn Kinder ist getauft. Was ihr katholische Fundamentalisten angesichts der jüngsten Aktionen verzeihen dürften.

Das Internetportal kath.net (nicht zu verwechseln mit kathpress, Anm.) spendete Beifall und forderte zu Protest-e-mails an den konservativen Landeshauptmann Erwin Pröll auf. Auch gloria.tv, berüchtigt für seine militante Haltung in der Abtreibungsfrage, nahm sich des Themas an – wenn auch auffallend zurückhaltend. Diesmal schien den Fundis die Stellungnahme des katholischen Diözesanbischofs Klaus Küng genügt zu haben. Der sagte, eine solche Darstellung der Muttergottes sei geeignet, "die religiösen Gefühle vieler Menschen in unserem Land, für die Maria der Inbegriff der Reinheit ist, schwer zu verletzen - unter anderem meine eigenen". Küng betonte, er äußere diese Kritik in "Respekt vor der spirituellen Erfahrung eines Künstlers und seinem Bedürfnis, diese auch provokativ darzustellen". Im Vergleich zu den Stellungnahmen der FPÖ eine diplomatische Ansage des Opus-Dei-Mitglieds. Was daran liegen mag, dass der in Niederösterreich lebende Mark Rossell bereits Installationen für die Diözese angefertigt hat.

Nur einem Unbekannten scheint das nicht gereicht zu haben. Er hat die kritisierte Statue mit roter Farbe eingesprüht. Außerdem wurde eine kleine Skulptur gestohlen. Die Ausstellung soll trotz des Angriffs geöffnet bleiben.

Künstler fühlt sich missverstanden

Der Künstler fühlt sich missverstanden. Die vielfach zitierte Madonna mit Kondom sei gar keine. „Das ist eine Figur aus Styropor, Epoxyharz und Silikon, keine Madonna. Wenn Leute glauben, dass diese Figur eine Madonna ist, dann irren sie. Und wenn manche bei dem Gedanken bleiben wollen, sie würden ein Kondom oder Ejakulat sehen, dann liegt das im Verantwortungsbereich ihrer Fantasie. In Wahrheit ist es eine Membran zwischen Betrachter und Figur, eine Schwelle sozusagen.“ Er wolle sicherlich niemand mit der Darstellung „verletzen“, sagt der 50-Jährige in einem Interview mit den niederösterreichischen Nachrichten. Ähnlich die Interpretation von Karl Aigner, dem Leiter des Landesmuseums, der die Ausstellung organisiert hat. Auch er spricht von primär religiös inspirierten Werken. Und Joachim Rössl, Leiter der Kulturabteilung der Landesregierung, interpretiert die Schau als „Protest gegen den entwürdigenden Umgang mit religiösen Symbolen“.

Religiöse Gefühle vs. Religiöse Gefühle

Ob die „religiösen Gefühle“ des Künstlers oder der Kritiker Vorrang haben, wird wahrscheinlich ein Richter entscheiden. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat angekündigt, gegebenenfalls Ermittlungen nach der FPÖ-Anzeige einzuleiten. Sollte Rossel verurteilt werden, drohen ihm ein halbes Jahr Haft oder eine hohe Geldstrafe.

Christoph Baumgarten