Dogma – das ist eine Aussage oder Wertvorstellung, die der Einzelne oder ganze Gruppen als unumstößlich ansehen. Als für sich verbindlich. Der eigene Standpunkt wird als absolut empfunden. Wir kennen das von Religionen. Aber auch in Zeiten politisch verhärteter Fronten haben wir es oft mit Dogmen zu tun. Sie sind wie innere Stützpfeiler, auf die sich der Einzelne verlässt, um sich und auch der Gruppe, der er sich zugehörig fühlt, sicher zu sein. Um Halt zu finden. Doch ist es richtig, an Positionen festzuhalten, nur weil man sie schon immer hatte? Oder weil die eigene Bubble sie einfordert? Nur wie kommt man raus aus eingefahrenen Bahnen?
Wer könnte bessere Antworten darauf geben als diejenigen, für die es gerade dazu gehört, quer und kreativ zu denken – Künstler. Eben diese hat der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!), eine Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung, aufgefordert, das Thema kreativ anzugehen.
"Check your Dogma" lautet denn auch dieses Mal der Titel des nun schon zum vierten Mal ausgeschriebenen Düsseldorfer Kunstpreises "DA! Art Award". In der Ausschreibung wurden die Künstlerinnen und Künstler angestoßen, ihre Kreativität zu nutzen – auch und gerade, um später das Publikum mit ihrem Werk mit Fragen zu konfrontieren wie: Welche Aussage oder Autorität darf nicht hinterfragt werden? Bei welchem Thema erhebe ich den Anspruch auf Allgemeingültigkeit? Behalte ich Skepsis gegenüber den eigenen Positionen und Grundsätzen? Bei welcher Idee oder Erzählung werde ich unkritisch? Bin ich im Zweifel offen für das bessere Argument?
Die Künstlerinnen und Künstler haben das Thema in ihrer jeweils eigenen künstlerischen Sprache angepackt. Zugelassen waren Arbeiten aus den Kategorien Malerei, Grafik, Zeichnung, Plastik, Skulptur, Installation, Fotografie und Medienkunst. Joachim Horn vom fünfköpfigen Kuratoren-Team des Kunstpreises sagt zum Stand der Dinge: "Im Rahmen der mittlerweile abgeschlossenen Ausschreibung sind insgesamt 998 Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen. Die Künstlerinnen und Künstler haben Fotos ihrer Kunstwerke oder auch Videodateien eingereicht. Von diesen 998 haben wir als Kuratoren-Team in einem ziemlich aufwändigen Prozess mit langen Diskussionen (entscheidend war, wie gut und originell das Thema getroffen und umgesetzt wurde) 90 Kunstwerke ausgesucht. Dann haben wir die Künstlerinnen und Künstler benachrichtigt, dass sie uns ihre Originale zusenden."
Eben diese Kunstwerke werden vom 7. bis 28. September im Düsseldorfer Stadtmuseum (Berger Allee 2, 40213 Düsseldorf, Vernissage 6. September, 18 Uhr) ausgestellt. Eine kompetent besetzte Jury wird am Ende die ausgelobten Preise vergeben. Die Preise für die drei von der Fachjury prämieren Werke sind mit jeweils 3.000 Euro dotiert. Weil das Urteil von Sachverständigen nicht immer zusammenfällt mit der Einordnung des Publikums, ist auch ein Publikumspreis ausgeschrieben. Besucherinnen und Besucher dürfen mit einem Stimmzettel ihren Favoriten bestimmen. Wer hier am besten abschneidet, bekommt den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis. Am Samstag, 28. September, 15 Uhr, werden die Preise dann feierlich im Stadtmuseum verliehen. Die Preisverleihung wird auch live im Internet übertragen.
Exklusiv zeigt der hpd hier schon einmal einige der Werke, die auch in Düsseldorf ausgestellt werden. Zusammen mit dem Text, den die Künstlerinnen und Künstler als Interpretationshilfe hinzugefügt haben.
"Die drei Holzfiguren mit Sprühflaschenköpfen aus Beton stehen nebeneinander, gefangen in selbstbezogener Isolation. Das Exponat prangert die Isolation und das fehlende ehrliche Interesse aneinander an. Sie zeigt uns, wie uns Vorurteile und starre Denkweisen von einem herzlichen Miteinander trennen. Was hindert uns daran, offen und neugierig miteinander umzugehen? Sind es Dogmen, die unsere Ansichten zementieren? Angst vor Andersartigkeit, die uns auf Distanz hält? Die Nobuddies fordern uns heraus, unsere Glaubenssätze zu hinterfragen. Sie zeigen sich als Spiegelbild unserer Gesellschaft und laden uns ein, unsere Komfortzone zu verlassen und unsere Ansichten immer wieder aufs Neue zu überprüfen."
"Eine Seite aus alten Glaubensschriften mit den 245 Dogmen der katholischen Kirche bildet den Hintergrund. Übermalt mit einem Kelch, dessen Cuppa ein Gehirn darstellt. Das Gehirn wird zum Träger der Dogmen, die tief in seine Struktur eingebrannt sind. Glühende Zwischenräume repräsentieren die unerbittlichen Konsequenzen einiger Dogmen z.B. 239 und 240. Das Gehirn symbolisiert auch ein Labyrinth, ein komplexes System von Gedanken und Ideen, in dem sich Menschen verirren können. Das Bild offenbart die Verflechtung von religiösen Dogmen und menschlichem Denken, illustriert die Macht der Dogmen, regt dazu an, über deren Konsequenzen nachzudenken, und die Grenzen zwischen persönlicher Überzeugung und institutioneller Autorität zu hinterfragen."
"Stille dort, wo es laut hätte werden sollen. Bedrohlich zeichnen sich die Muster der blinden Demokratie-Infragestellung ab, wir erleben die Fremdenfeindlichkeit rechtsorientierter Gruppen, keimenden Antisemitismus, die Radikalisierung im instrumentalisierten Glauben und den Missbrauch von Religion für Kriegstreiberei in Europa. Das provokante Gemälde Wir glauben (nicht) legt schonungslos den übergriffigen Akt der Massenmanipulation offen, spielt ungeschönt mit den Thematiken von Machtmissbrauch, Fremdlenkung und Populismus. Blind, vertrauensvoll und hingegeben, präsentiere ich mein Sujet in aller Verletzlichkeit und Formbarkeit. Der anonyme, weiß gekleidete Aggressor führt die junge, androgyne Person marionettenartig – aber wohin?"
"Das Gemälde zeigt zwei vollständig verschleierte Frauen in Afghanistan und lässt den Betrachter mit vielen Fragen zurück. Ihre unsichtbaren Gesichter verbergen ihre Emotionen: Haben sie Angst? Sind sie gezwungen? Weinen sie oder sind sie vielleicht fröhlich und zufrieden? Ich habe meine eigenen Vorstellungen über ihre Gefühle, ziehe es jedoch vor, diese nicht zu teilen, um die Interpretation des Betrachters nicht zu beeinflussen. Daher bleibt das Bild ohne Titel. Das Werk regt zum Nachdenken an: Was bewegt Menschen dazu, so zu sein, wie sie sind? Ist es Religion, kultureller Zwang oder eine freiwillige Entscheidung? Dieses Gemälde soll zum Nachdenken anregen und den Betrachter ermutigen, eigene Antworten auf diese Fragen zu finden."
"Freiheitssymbole können als Dogma betrachtet werden, wenn ihre Bedeutungen und Emotionen unkritisch akzeptiert und nicht hinterfragt werden. In meinem Bild, das die amerikanische Freiheitsstatue mit Julian Assange kombiniert, wird diese Spannung deutlich: Die Freiheitsstatue, ein Symbol für Freiheit und Demokratie, steht im Kontrast zu Assange, der für Pressefreiheit und die Enthüllung von Wahrheit kämpft, aber selbst eingesperrt ist. Diese Kombination zeigt, wie Freiheitssymbole starr und dogmatisch werden können, wenn sie die Realität komplexer Freiheitskämpfe nicht reflektieren. Dieses Bild hinterfragt somit das starre Dogma dieser Symbole und regt zur kritischen Auseinandersetzung an."
"Die unbefleckte Empfängnis Mariens gehört zu den wichtigsten Dogmen der katholischen Kirche. Meine Darstellung der Madonna stellt sich dem entgegen. Ein weißer Schleier um Kopf und Oberkörper sowie ein blauer Hintergrund, Symbole der Reinheit, der Unschuld und Spiritualität, provoziert den Betrachter mit einer fast nackten Madonna, die verhüllt nur mit einem transparenten Tuch und mit Zigarette in der Hand unweigerlich den Blick in ihre Lendengegend führt, wo das christlichste aller Symbole, das Kreuz als Tattoo zu sehen ist. Im Kontext der 'Blut weinenden Madonnen' zum kirchlichen Dogma der unbefleckten Empfängnis wird Weiblichkeit von der Kirche ja allgemein als unrein und sündig verstanden. Dieses Dogma stigmatisiert die Frau!"
"Die Werke Lenins wurden mehrere Wochen in ein Wasserbecken gelegt. Der Dogmatismus scheut die Verflüssigung, hält ihr nicht stand und endet schließlich in Verkrustung und Erstarrung."
"Einer der wohl bekanntesten Momente der Menschheitsgeschichte wird hier auf den Kopf gestellt: Adam überreicht Eva den Apfel. Diese Umkehrung löst Fragen aus über die Festschreibung von Geschlechterrollen, Schuld und Verantwortung. Was wäre, wenn der Impuls für den Sündenfall nicht von Eva, sondern von Adam ausgegangen wäre? Wie würden sich die Stereotypen und Vorurteile, die seit Jahrhunderten bestehen, verändern? Wie anders hätte sich die Geschichte der Menschheit entfaltet? Wie würden wir auf die Themen Sünde, Versuchung und Herrschaft blicken? Reset ist eine subtile Reflexion über die Macht der Interpretation und die Fragilität von Geschichte."