Wird Bischof Lugo ein neuer Chavez?

ASUNCION. In die zunehmende Lautstärke des Orchesters der Linksentwicklung in Lateinamerika hat sich neben den Solisten Chavez (Venezuela),

Lula da Silva (Brasilien), Evo Morales (Bolivien) und Michelle Bachelet (Chile) ein neuer Virtuose gemeldet.

Nachdem der Fernando Lugo in Paraguay seine Kandidatur für das im Jahre 2008 neu zu besetzende Präsidentenamt angemeldet hatte, wurde er daraufhin vorige Woche vom Vatikan von seinem - ruhenden - Bischofsamt <entbunden>.

Vorher schon hat Kardinal Giovanni Battista Ré, Präfekt der Bischofskongregation, ihm von Rom aus ernsthaft wegen dieses Vorhabens gewarnt, da es die Aufgabe eines Bischofs ist, die Gläubigen dazu zu bringen, dass „sie in Allem der Autorität der Kirche folgen", die sich „die Rettung der Seelen und nicht die Verwaltung der politischen Gemeinschaft" zum <Ziel> stellt.

Lugo ist kein unbeschriebenes Blatt. Der auch „roter Bischof" genannte Geistliche italienischer Abstammung hat schon immer den Kampf der landlosen Bauern gegen die Latifundisten und Multinationals unterstützt. Bereits als Priester wurde er deshalb mit Morddrohungen traktiert, womit der soziale Kampf in Paraguay eine neue <Dimension> erreichte.

Durch seinen unerbittlichen Kampf gegen die harten Auflagen des Internationalen Währungsfonds stieß er auf den wachsenden Widerstand des Vatikans, so dass Papst Johannes Paul II ihn 2005 mit 55 Jahren vorzeitig in den Ruhestand versetzte. Angeblich auf Basis der Canon 401 § 2 des kanonischen Rechtes, wonach Kleriker, die ihren Dienst nicht mehr ordentlich ausüben können, um ihre <Abdankung> bitten sollen.

Die Tatsache, dass ein Bischof normalerweise bis zu einem Alter von 75 Jahren in Amt bleiben kann, macht den Grad der Verärgerung des Vatikans über die Haltung Lugos deutlich. Nun aber wurde der Bischof erst richtig aktiv und organisierte verschiedene Manifestationen gegen die Regierung, so in März letzten Jahres, mit der Organisation „Bürgerwiderstand", eine Demonstration von mehr als 30.000 Menschen und in Juni eine tausendköpfige <Menschenkette> zusammen mit vielen anderen Priestern und Nonnen.
Am 24. Dezember 2006 wurde bekannt, dass er sich <laisieren> lassen wolle.

Paraguay gehört zu den Ländern, in denen die Schere zwischen Arm und Reich riesig ist und noch immer weiter zunimmt. 35 Jahre stöhnte das Land unter der Herrschaft des Diktators Alfredo Stroessner und seiner Colorado-Partei. Stroessner wurde 1989 zwar aus dem Land gejagt und starb vor kurzem in Brasilia, aber in Asunción regiert die Colorado-Partei immer noch. Wer in Paraguay Beamte aber auch Lehrer oder Busfahrer werden möchte, braucht immer noch das Parteibuch dieser Partei. Das politische Leben in Paraguay spielt sich bis heute vor allem in den Salons dieser Staatspartei ab. Kein Wunder, dass die dringend notwendigen sozialen Reformen ausblieben.

Besonders die Lage der Bauernschaft ist dramatisch. Nur 2 % der Bevölkerung besitzt de facto 70% des Bodens. Etwa 400.000 landlose Bauern leiden unter diesem System. Viele der Großgrundbesitzer verkaufen oder verpachten riesige Territorien an multinationale Konzerne, die mit ihren Monokulturen den Boden bis zur Unfruchtbarkeit ausbeuten. Insbesondere die Anpflanzungen von genetisch manipulierter Soja und den extensiven Einsatz von Pestiziden und Insektiziden sind für die zunehmende Zahl von land- und arbeitslosen Armen verantwortlich. Auch die früher als Sicherheitsnetz gegen Hunger und Isolation bestehenden Gemeinschaftsstrukturen wurden durch die agrarischen Multis zerstört.

Gegen diese Entwicklung haben sich viele Bewegungen von Bauern und traditionellen Kollektiven gebildet. Von Zeltlagern aus versuchen sie Teile der oft brachliegenden Ländereien zu besetzen und liefern sich harte Kämpfe mit Polizei und Armee, die sie immer erneut vertreiben. Die „Frente Nacional de Lucha por la Soberania y la Vida" (Nationale Front für den Kampf um Souveränität und Leben) versucht diese Bewegungen zusammen mit Gewerkschaften, urbanen Organisationen, Journalisten, Universitätsangehörigen und mit Unterstützung von Teilen der Kirche zu gruppieren. Sie fordern den heutigen Präsident Duarte auf, gegen diese Situation Maßnahmen zu ergreifen, haben bis jetzt aber nur wenig Erfolg zu verzeichnen. Wenn die notwendigen Reformen weiter ausbleiben, wird damit gerechnet, dass die soziale und politische Situation im Land außer Kontrolle gerät. Schon heute stehen ganze Landesteile unter der Kontrolle des organisierten Verbrechens. Vor allem im Norden sind große Teile der Ländereien in Hand mächtiger Betriebe und Gangster-Syndikate aus <Brasilien>.

Viele dieser Bewegungen haben nun Fernando Lugo als den Mann anerkannt der ihre Hoffnungen auf eine demokratischere Gestaltung Paraguays realisieren könnte und haben ihn gebeten, sie im Wahlkampf zu vertreten. Auf die Attacken der etablierten Kirchenvertreter antwortete der Ex-Bischof, dass seine Aberkennung als Priester ihn zwar „schmerzhaft" getroffen habe, „aber ihn zugleich glücklich macht, da ab jetzt das ganze Land zu seiner Kathedrale geworden ist". Er will „die lange Geschichte der sozialen Exklusion, wofür die Verantwortlichen (die Colorados) bekannt sind, <beenden>".

Jetzt ist es an den juristischen Instanzen des Landes zu beurteilen, ob diese kirchenrechtliche Maßnahme die politischen Rechte Lugos beeinträchtigt: Eine Bestimmung der Landesverfassung verbietet einem kirchlichen Amtsinhaber die Kandidatur bei Wahlen. Da er nur von seinem Amt entbunden ist, jedoch seinen Bischofstitel behält, ist eine komplizierte Situation entstanden. Die Entscheidung wird ausschlaggebend für die Wahlen sein, da Lugo nach allen Umfragen heute an der Spitze der Wählerpräferenzen liegt. Aber bis zu 2008 ist es noch eine lange Zeit und bereits jetzt melden sich die ersten Gegenkandidaten aus der <Opposition>.

So beklagte der Vorsitzende der Liberal-Radikal-Authentischen-Partei PLRA, Blas Llano, diese Woche, dass Lugo nicht berechtigt sei, ein Wahlprogramm öffentlich vorzustellen und es ein Fehler sei, dass er sich in die Politik einmische. Die PLRA will somit einen eigenen <Kandidaten> für die Präsidentschaftswahlen nominieren.

Ob ein Präsident Lugo in der Linie der in den letzten Jahren in Lateinamerika stattgefundenen politischen Linksentwicklung liegen wird, ist unsicher. Er und seine kirchlichen Mitstreiter berufen sich sicherlich auf das II. Vatikanische Konzil und auf eine klare Trennung von Kirche und Staat, weil es „nicht sehr gesund ist, wenn Kleriker, wenn auch mit guten Intentionen, die zivilen Gesellschaft leiten und dadurch die Ebenen durcheinander bringen." Zu den sozialpolitischen Zielen gibt es aber bisher nur vage Andeutungen: „Ich fühle mich nicht als Linker oder Rechter, nicht von Unten oder von Oben, weil es in Paraguay nur die gibt, die gestohlen haben und die, die Opfer dieses Diebstahls sind. " Trotzdem will er ein neues Wirtschaftsmodell ermöglichen, sowie Arbeitsplätze durch Kooperativen schaffen. Manche werfen ihm populistische ja sogar messianische Charakterzüge vor. Aber dadurch unterscheidet er sich wohl nicht sehr von anderen lateinamerikanischen politischen Politikern wie Morales, Chavez und ihren Urvater Fidel Castro.

 

Rudy Mondelaers