Jeder sechste Schüler im Lebenskundeunterricht

BERLIN. (hpd/hvd-b) Während immer weniger Schüler/-innen den Religionsunterricht der Evangelischen und Katholischen Kirche sowie der Islamischen Föderation besuchen, entscheiden sich immer mehr Familien für den Humanistischen Weltanschauungsunterricht.

Immer mehr Schülerinnen und Schüler wählen gemeinsam mit ihren Eltern einen Werteunterricht aus, der aus einer weltlichen Perspektive zentrale Werte vermittelt. Dies belegen die aktuellen Zahlen der teilnehmenden Schüler/-innen am Religions- und Lebenskundeunterricht an den Berliner Schulen.

Fast jede/-r sechste Berliner Schüler/-in (15,6 %) besucht in diesem Jahr den Humanistischen Lebenskundeunterricht. Nur der Evangelische Religionsunterricht ist noch erfolgreicher – jede/-r vierte Schüler/-in an einer Berliner Schule (25,1 %). Am Katholischen Religionsunterricht nehmen nur halb so viele Schüler/-innen (7,8 %) teil, wie am Lebenskundeunterricht. Nicht einmal zwei von einhundert Schülern besuchen den Islamischen Religionsunterricht (1,5 %).

In den Grundschulen nimmt sogar fast jede/-r dritte Schüler/-in am Weltanschauungsunterricht des Humanistischen Verbandes teil (29,8 %). Dies sind fast so viele Teilnehmer/-innen wie am evangelischen Religionsunterricht an den Grundschulen (32,9 %). Katholischer Religionsunterricht an Grundschulen wird deutlich schwächer besucht (9,9 %).

Teilnahme am Religionsunterricht geht zurück

Der Humanistische Verband konnte im Gegensatz zu den beiden Kirchen die Teilnehmerzahlen an seinem Weltanschauungsunterricht steigern. Mit 49.813 Schülerinnen und Schülern liegen die aktuellen Schülerzahlen um zwei Prozent höher als im Vorjahr (2009/10: 48.844; + 969 Schüler). Damit ist der Lebenskundeunterricht das Wertefach mit den größten Schülerzuwächsen.

Sowohl am Evangelischen als auch am Katholischen Religionsunterricht nehmen in diesem Schuljahr weniger Schüler/-innen teil, als noch im Vorjahr. Mit 80.393 Schülerinnen und Schülern ist der Evangelische Religionsunterricht zwar weiterhin das am stärksten besuchte konfessionelle Fach, im Vergleich zum vergangenen Jahr sind dies aber 1.525 Schüler weniger (2009/2010: 81.918; -2 %). Auch der Katholische Religionsunterricht verlor knapp ein Prozent seiner Schüler (2010/11: 25.021; 2009/10: 25.215, -1 %).

Der Islamische Religionsunterricht, im Schuljahr 2001/02 eingeführt, hat ebenfalls weniger Teilnehmer als noch im Vorjahr. Mit 4.833 teilnehmenden Schülerinnen und Schülern in diesem Schuljahr entspricht das einem Rückgang von etwa zwei Prozent (2009/10: 4.922). Auch die Teilnahme am Unterricht der sonstigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist um mehr als sechs Prozent deutlich zurückgegangen (2010/11: 3.013; 2009/10: 3.222).

Zwar sind die Teilnehmerzahlen im Alevitischen (2010/11: 143; 2009/10: 149) und Jüdischen Religionsunterricht (2010/11: 896, 2009/10: 862) sowie im Unterricht der Christengemeinschaft (2010/11: 420, 2009/10: 347) unterschiedlich stark gewachsen, die Schülerzahlen in diesen Fächern liegen jedoch jeweils deutlich unter 1.000. Die Zahl der Teilnehmer am Buddhistischen Religionsunterricht bleibt verschwindend gering (2010/11: 31; 2009/10: 40).

Der deutliche Zugewinn an teilnehmenden Schülerinnen und Schülern am Humanistischen Lebenskundeunterricht findet vor dem Hintergrund leicht zurückgehender Schülerzahlen statt (2010/11: 320.058, 2009/10: 320.870; -0,3 %). Dieser Rückgang der Schülerzahlen bewegt sich jedoch nicht in der Größenordnung, um die Teilnehmerverluste am christlichen und islamischen Religionsunterricht zu erklären. Zugleich sind die seit Jahren kontinuierlich steigenden Teilnehmerzahlen am Humanistischen Lebenskundeunterricht ein deutliches Zeichen dafür, dass sich das Konzept des Weltanschauungsfachs Lebenskunde auf der Höhe der Zeit befindet.

Öffentliche Schulen vs. Privatschulen

Die von der Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft veröffentlichten Zahlen belegen auch eine deutliche Spaltung in der Gesellschaft. Während an den öffentlichen Schulen nur knapp jede zweite Schülerin bzw. jeder zweite Schüler an einem Religions- und Weltanschauungsunterricht teilnimmt, besuchen an den Berliner Privatschulen drei Viertel aller Schüler ein Religions- oder Weltanschauungsfach. Der Religions- oder Weltanschauungsunterricht an Privatschulen ist fast ausschließlich christlichen Charakters, während der Unterricht an den öffentlichen Schulen deutlich gemischter ausfällt. Oder anders ausgedrückt: An den Berliner Privatschulen dominiert scheinbar eine Schüler- und Elternschaft mit Interesse an einer christlichen Grundausrichtung, während die Schüler/-innen aus weltlichen Haushalten eher eine öffentliche Schule besuchen.

Weniger als zwei Prozent der Teilnehmer/innen am Humanistischen Lebenskundeunterricht besuchen eine Privatschule, während jeder zehnte der Teilnehmer am Evangelischen Religionsunterricht (11 %) und sogar fast jeder dritte der katholischen Religionsschüler (30 %) eine Privatschule besuchen. Eine Ursache dafür ist auch in der Existenz der 19 katholischen und 13 evangelischen Privatschulen in Berlin zu suchen, so dass die hohen Teilnehmerzahlen am christlichen Religionsunterricht teilweise auch auf die religiöse Unterrichtung in den von den Kirchen betriebenen Schulen zurückzuführen sind.

Würde man die Privatschüler/-innen aus der Statistik herausrechnen, gewänne der Humanistische Lebenskundeunterricht gegenüber dem Bekenntnisunterricht beider Kirchen zusätzlichen Boden. Auch das ist ein deutlicher Beleg dafür, dass der Humanistische Lebenskundeunterricht als Bekenntnisunterricht in der Mitte der Berliner Gesellschaft verankert ist.

Die exakte Aufstellung der Zahlen zu den „Teilnehmer/-innen am Religions- und Weltanschauungsunterricht sowie deren Anteil an der Gesamtzahl der Schüler/-innen an öffentlichen und privaten allgemein bildenden Schulen in Berlin“ von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Bildung finden sich jetzt im fowid-Datenarchiv.


Thomas Hummitzsch
HVD-Berlin