Projekte in Zeiten der Corona-Pandemie

Grüße aus Berlin – schreibst du mir?

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Arbeit von Nichtregierungsorganisationen, wie sie Kids Welcome leistet, und Fächer wie Humanistische Lebenskunde fördern kommunikative Kompetenz. Das sagt Sandra Moßner, Dozentin für allgemeine Grundschulpädagogik (Schwerpunkt Fachdidaktik Deutsch) der Humboldt-Universität zu Berlin. Berliner Grundschüler*innen schickten Bilder und Postkarten aus Berlin nach Hamburg. So erfahren die Verletzlichen unserer Gesellschaft in diesen schweren und unsicheren Zeiten Solidarität von Gleichaltrigen. Gleichzeitig verbindet Simone Will im Rahmen eines It's your party(cipation)-Projekts der "Kultur macht stark"-Reihe Institutionen, die sich mit Kinderrechten für Kinderrechte einsetzen.

Was war geschehen? In Geflüchtetenunterkünften in Hamburg wurde der Zugang zum Internet abgestellt und damit das Tor zu Familie und Freund*innen abgeschnitten. Grund waren Sicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckung mit Covid-19. Kids Welcome, die in und um Hamburg aktiv sind, haben schnell reagiert: Aus Berlin kamen Postkarten, Blumen, Grüße für jene Hamburger Kinder, die in dieser Zeit am meisten zurückstecken müssen. Kinder, die mit ihren Familien auf engstem Raum leben und oft nicht die technische Ausstattung haben, um "Homeschooling" zu machen. Auch Ruhe und Unterstützung bei den von der Schule gestellten Aufgaben sind oft nur schwer möglich.

Der hpd sprach mit der Lehrenden einer Universität und einer Lehrerin über einen praktischen Humanismus, der auf gesellschaftlicher Ebene agiert.

hpd: Welchen gesellschaftlichen Aufgaben stellt sich Kids Welcome in diesen Zeiten der Pandemie, in dem physischer Kontakt für Monate nicht möglich war und teilweise immer noch unmöglich ist.

Simone Will, Berit Hansen: Wir haben festgestellt, dass Kinder in Unterkünften sehr isoliert waren, da es kein WLAN gibt und es in den Familien keine Geräte gibt, auf denen wirklich gearbeitet werden kann. Wir hatten kaum Kontakt zu den Kids, obwohl wir viele Flyer in Briefkästen verteilt hatten mit Beratungs- und Nachhilfeangeboten.

Wie hat sich eure Arbeit durch die Pandemie verändert?

Wir hatten einen kurzen Stillstand, weil unsere Arbeit auf Präsenz in den Unterkünften beruht. Wir hatten auch keine Telefonlisten oder Ähnliches von den Kindern.

Zuerst haben wir mit Flyern gearbeitet. Doch das hat nicht gut funktioniert. Erst Kontakte über die Schulen waren erfolgreich, so konnten wir Nachhilfegruppen aufbauen. Am 16. Juli 2020 waren wir zum ersten Mal wieder in einer Unterkunft.

Gruppenangebote machen wir nur Outdoor und gleich beim ersten Mal hat es aus Eimern geschüttet, so dass unser Pavillon zusammengebrochen ist. Es war trotzdem ein schöner Termin, wir haben mit den Kindern gemalt.

Ihr habt bisher sehr erfolgreich Projekte für geflüchtete Kinder umgesetzt, sowohl materiell (große Spendenaktionen) als auch immateriell (sensible Freizeitgestaltung für Kinder mit Fluchterfahrung, Kinderrechtetrainings, Malkurse und einiges mehr) konzipiert und umgesetzt. Woher nehmt ihr die Ideen? Was zeichnet euch aus?

Wir orientieren uns an dem größten Bedarf. 2015 und 2016 war das Notversorgung, 2017 und 2018 war Empowerment ein großes Thema. 2019 fanden wir die Außenbotschaft wichtig: An Kinderrechte müssen sich die Erwachsenen halten. 2020 war bisher das Jahr der Langeweile (weshalb wir sehr viel Spiel- und Bastelmaterial in die Unterkünfte brachten) und das Jahr der Schullücken.

Foto: © Simone Will
Foto: © Simone Will

Euer Projekt "Grüße aus Berlin – schreibst du mir?" ist bereits angelaufen. Wie sind die Reaktionen? Was erhofft ihr euch von der Aktion?

Wir erhoffen uns ein Gefühl der "Togetherness", wir haben bewusst nicht den Fluchthintergrund thematisiert, sondern den Austausch von "Kind aus Berlin" und "Kind aus Hamburg". Die Kinder in Hamburg sind sehr neugierig und freuen sich über Post.

Annette Barnscheidt ist Lebenskundelehrerin an der Papageno-Grundschule und an der Wolkenstein-Grundschule in Berlin.

Was war die Motivation, an der Aktion der Hamburger teilzunehmen und den Kindern dieses Freizeitangebot zu machen?

Annette Barnscheidt: Über Gerechtigkeit diskutieren, Solidarität üben … das sind wichtige Bausteine im Lebenskundeunterricht. Wir konnten glücklicherweise über die Notbetreuung und über unser Padlet unsere Schüler*innen teilweise erreichen, auch wenn wir mit Lebenskunde kein Kernfach darstellen. Die Idee von Kids Welcome, ganz "oldschool" Briefe schreiben zu lassen und Bilder zu malen, wenn überall sonst Hightech und Online-Dienste boomen, das hat mich sehr angesprochen.

Die Corona-Zeit hat auch unsere Schüler*innen nachdenklich gemacht. Wie bei vielen anderen Menschen auch spielt die Frage "Was ist wirklich wichtig?" eine große Rolle. Genau hier kann der Humanistische Lebenskundeunterricht viel beitragen. Über Emotionen, Krisen, Veränderungen, Sinnhaftigkeit zu reden und Unterstützung zu finden, ist Teil unseres Curriculums.

Wir wissen, dass die Kinder im sogenannten Homeschooling ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, wie sinnvoll ist da "noch eine Hausaufgabe", fragte mich eine Kollegin. Trotz der Zweifel haben wir es versucht und wundervolle Briefe und Blumen bekommen.

Solidarische Nachrichten aus Neukölln, Pankow und Wedding nach Hamburg! Daran werden die Berliner und Hamburger Kinder sich sicher noch eine Weile erinnern. Auch, wenn der Zugang zum Internet wieder da ist und die Menschen Wohnungen haben und ihr neues Leben beginnen können.

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