Schimpanse. Foto: Jutta Hof hpd: Können Sie erklären, weshalb der Widerstand so groß ist gegen die Forderung "Grundrechte für Menschenaffen"?
Goldner: Eben weil es nicht nur um eine sittliche Selbstverpflichtung des Menschen geht, mit Tieren anständiger umzugehen, als es üblicherweise getan wird, wie dies die Idee des traditionellen Tierschutzes ist, der sich karitativ-wohlwollend dem Tiere zu- oder zum Tier hinabneigt, sondern um das Infragestellen der bislang sakrosankten Trennlinie – hier Mensch, da Tier –, das mit Allgewalt verhindert werden muss, will der Mensch „Krone der Schöpfung“ bleiben.
Unmissverständlich erklärt der aktuell gültige Weltkatechismus der Katholischen Kirche, federführend herausgegeben im Jahre 1993 durch den seinerzeitigen Kurienkardinal Ratzinger: “Gott hat die Tiere unter die Herrschaft des Menschen gestellt, den er nach seinem Bilde geschaffen hat”. Somit dürfe der Mensch sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidung bedienen, er dürfe sie abrichten, um sie sich dienstbar zu machen; medizinische und wissenschaftliche Tierversuche seien „sittlich zulässig”, sei doch das „Gewaltverhältnis zwischen Mensch und Tier grundsätzlich unaufhebbar.”
Ungeachtet der Aufnahme von Tierschutz in das deutsche Grundgesetz im Jahre 2002 gilt der Ge- und Verbrauch von Tieren nach wie vor als völlig „normal”: Die meisten Menschen betrachten Tiere ausschließlich als Mittel zum Zweck. Es gilt als unhintergehbare Selbstverständlichkeit, dass Tiere für menschliche Nahrung und Kleidung ausgebeutet, gequält und getötet, für die Erforschung und Testung von Medikamenten oder Kosmetika genutzt, von Jägern erschlagen oder erschossen, in Zoos ausgestellt und in Zirkussen vorgeführt werden dürfen, dass sie zu Sport und Freizeitvergnügen jeder Art herhalten müssen. Grundrechte für Menschenaffen würde diese „gottgewollte Ordnung“ komplett aus den Angeln heben.
hpd: Ist es vorstellbar, auch anderen Tierarten/Lebewesen diese Grundrechte zuzugestehen? Wenn ja: welchen?
Goldner: Menschenaffen stellen den Dreh- und Angelpunkt dar des Verhältnisses Mensch-Natur, sie definieren wie nichts und niemand sonst die sakrosankte Grenzlinie zwischen Mensch und Tier: Sind sie festgeschrieben „auf der anderen Seite“, sind das alle anderen Tiere mit ihnen. Würde die Grenze zu den Affen hin durchlässig, könnte das ein „Türöffner“ sein, der letztlich allen Tieren zugute käme. Im besten Fall könnte es zu einem Paradigmenwechsel führen, zu einem radikalen Wandel des gesellschaftlichen Konsenses über das bisherige Verhältnis Mensch-Tier.
hpd: Worin sehen Sie die nahen und fernen Ziele des GAP?
Goldner: Das GAP könnte als Klammer dienen, die gegenwärtig in eine Unzahl kleiner und zudem heillos untereinander zerstrittener Organisationen, Gruppen und Grüppchen der Tierrechts- und Tierbefreiungsszene auf den gemeinsamen Nenner des Antispeziesismus zu vereinen: Der Forderung nach Zuerkennung einklagbarer Grundrechte an nicht-menschliche Lebewesen; pragmatischerweise in einem ersten Schritt an die Großen Menschenaffen, bei denen es sehr viel offensichtlicher ist als bei anderen nicht-menschlichen Tieren, dass sie über personales Bewusstsein verfügen, was ihre Aufnahme in die Gemeinschaft der Gleichen, der bislang nur Angehörige der Spezies Homo sapiens zugehören, zur ethisch verpflichtenden Notwendigkeit macht, will man die Idee von Recht und Gerechtigkeit aufrecht erhalten.
Naturwissenschaftlich ist es völlig unhaltbar, überhaupt zwischen Mensch und Menschenaffe zu unterscheiden: die Erbgutunterschiede etwa zwischen Mensch und Schimpanse bewegen sich je nach Messmethode im minimalen Prozent- oder gar nur im Promillebereich.
Grundrechte für Menschenaffen lassen sich, wie das Beispiel Neuseeland gezeigt hat, tatsächlich erkämpfen. Voraussetzung ist ein Bündeln der Kräfte, um entsprechenden politischen Druck entfalten zu können.
Orang-Utan. Foto: Jutta Hof
hpd: Welche Aktivitäten stehen in nächster Zeit an?
Goldner: Neben der bereits angeführten Bestandaufnahme zu den Haltungsbedingungen für Große Menschenaffen in deutschen und europäischen Zoos ist geplant, eine eigene Webseite einzurichten, auf der über das GAP informiert und über die ein Netzwerk an Mitstreiterinnen und Mitstreitern geknüpft werden kann. Es soll insofern auch Kontakt zu Personen und Organisationen aufgenommen werden, die bereits mit verwandten Zielen oder Projekten befasst sind: die Stichting AAP in Holland etwa, oder Monkey World im südenglischen Dorset; selbstredend auch mit dem in der Lüneburger Heide ansässigen Affenschutzzentrum Affen in Not. Darüberhinaus sind verschiedenste Aktionen und Publikationen geplant, über die ein möglichst breites öffentliches Interesse an den Zielen des GAP hergestellt werden soll; dazu gezielte Lobbyarbeit auf politischer Ebene. Nicht zuletzt soll an bereits bestehenden Plänen mitgewirkt werden, ein eigenes Schutzzentrum für Menschenaffen in Deutschland zu etablieren.
hpd: In welcher Weise engagiert sich die Giordano Bruno-Stiftung für das GAP?
Goldner: Die gbs hat alleine mit der Zuerkennung des Ethikpreises an Paola Cavalieri und Peter Singer – ausdrücklich für ihr tierrechtliches Engagement, sprich: die Initiierung des Great Ape Project – den hohen Stellenwert bekundet, den sie Tierrechten als integralem Bestandteil des von ihr vertretenen evolutionären Humanismus zumisst. Die gbs verfügt aufgrund ihrer breitgefächerten personellen Aufstellung über große Wirkmacht in viele gesellschaftliche Bereiche hinein. Viele der Beiräte und Fördermitglieder haben bereits ihre Bereitschaft zu aktiver Mithilfe beim Relaunch des GAP bekundet; mit gbs-Beirat Volker Sommer, einem der weltweit führenden Primatologen, steht dem Projekt zudem ein ausgewiesener Fachmann zur Seite. Ich bin guter Hoffnung, dass wir langfristig etwas für unsere haarigen Verwandten in Bewegung setzen können. Es ist höchste Zeit, dass wir handeln.
Vielen Dank für das Interview!
Mit Colin Goldner sprach Fiona Lorenz