Ungeklärte Todesfälle im Duisburger Zoo

Der Zoo der toten Tiere

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Schwarzschwanz-Seidenaffe (Mico melanurus) im Zoo von Chester
Schwarzschwanz-Seidenaffe

Am Abend des 12. März teilte der Zoo Duisburg via Facebook mit, dass sämtliche Mitglieder einer Familie von Schwarzschwanzseidenaffen – zwei Eltern- und zwei Jungtiere – urplötzlich verstorben seien: "Leider haben wir eine traurige Nachricht für euch – wir haben unsere Gruppe Seidenaffen verloren. (…) Wieso wir die Tiere ohne vorherige Symptome verloren haben, wissen wir derzeit nicht. Wir hoffen hier auf Klärung seitens der Pathologie."

Der Verdacht, die Seidenaffen – die Krallenaffenart stammt ursprünglich aus dem zentralen Südamerika – könnten womöglich an einer Corona-Infektion gestorben sein, lag nahe und wog schwer. Es wären nicht die ersten Primaten gewesen, die in einem Zoo angesteckt wurden: Unlängst erst war bekannt geworden, dass ein Gorilla im Zoo von Prag positiv auf das Virus getestet wurde; zudem auch zwei Löwen. Wie zuvor schon bei mehreren Tieren in den Zoos von San Diego und New York, war die Infektion vermutlich von Zoopersonal in die Käfige hineingetragen worden.

Da sich der Zoo Duisburg in der Vergangenheit nicht eben als besonders transparent erwiesen hatte im Umgang mit Todesfällen in seinem Tierbestand – im hauseigenen Delfinarium waren im Laufe der Jahre nicht weniger als 68 Wale und Delfine auf teils mysteriöse Art und Weise zu Tode gekommen –, forderte die Tierrechtsorganisation Great Ape Project (GAP) das zuständige Veterinäramt auf, umgehend eine externe Untersuchung anzuordnen. Das Vertrauen, dass der Zoo – wie angekündigt – eine Obduktion der toten Tiere veranlassen und deren Ergebnis dann auch zuverlässig veröffentlichen würde, sei denkbar gering. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Zoo einen zoonotischen Infekt in einem seiner Tierhäuser nach Kräften "unter der Decke" zu halten bestrebt wäre. Erst im letzten Jahr hatte der Zoo Leipzig ein aus ungeklärter Ursache verstorbenes Orang-Utan-Jungtier – auch hier stand der Verdacht einer Corona-Infektion im Raum – nicht obduziert, sondern ohne jede Ursachenforschung klammheimlich "entsorgt".

Parallel zur Meldung an das Veterinäramt wurden die Medien über eine Pressemitteilung des GAP von der Forderung in Kenntnis gesetzt, die vier verstorbenen Affen von einer unabhängigen Stelle obduzieren zu lassen:

"Der Zoo Duisburg ist verpflichtet, die Todesursache umgehend aufzuklären und öffentlich zu machen, zumal die Seidenaffen (wie auch andere im Zoo vorgehaltene Neuweltaffen) in einer begehbaren sogenannten 'Tropenhalle' gehalten werden, in der direkter Kontakt zu Besuchern jederzeit möglich ist. Sollte die Todesursache der Tiere tatsächlich in einer Infektionserkrankung liegen – egal ob Corona oder eine andere (zoonotische) Erkrankung –, wären grundsätzlich auch Besucher gefährdet. Wir haben daher höchstvorsorglich das örtliche Veterinäramt aufgefordert, eine externe Untersuchung der Todesfälle anzuordnen."

Ungeachtet des Umstandes, dass zahlreiche Medien, von dpa bis Bild, auf die Forderung des GAP Bezug nahmen, gab es 96 Stunden später weder eine Rückmeldung seitens des Veterinäramtes noch irgendwelche näheren Information seitens des Zoos (der auch Medienvertretern gegenüber keinerlei Auskunft erteilte). Tags darauf kontaktierte daher das GAP die Stadt Duisburg (die über eine Tochtergesellschaft Mehrheitseignerin des Zoos ist) sowie die zuständige Staatsanwaltschaft – und siehe da: plötzlich fand der Zoo sich herbei, seine ursprüngliche Meldung mit einem "Update" zu versehen: "Die pathologische Untersuchung der Seidenaffen hat Veränderungen von Leber, Niere und Milz ergeben, die zu einem Organversagen geführt haben. Dass dabei vier Tiere innerhalb weniger Tage versterben, ist ein besonders bedauerliches Ereignis. Eine Infektion mit dem Coronavirus konnte ausgeschlossen werden. Die Lunge wies bei der Untersuchung keine entsprechenden Veränderungen auf."

Keine Aufklärung

Als Ergebnis einer ernstzunehmenden pathologischen Untersuchung konnte und kann die kurze Mitteilung des Zoos natürlich nicht gelten. Es wurde schlechterdings überhaupt nichts geklärt. Am wenigsten, was zu dem zeitnahen Organversagen der vier bis dahin völlig gesunden Tiere geführt hat (bis auf den Umstand, dass angeblich keine Corona-Infektion vorgelegen habe, die allerdings, sollte sie denn vorgelegen haben, nicht notwendigerweise an einer Veränderung der Lunge zu erkennen gewesen wäre). Es wurde auch nicht angegeben, wann und von wem die Untersuchung durchgeführt wurde, so dass sie hätte überprüft werden können.

In Beantwortung des GAP-Schreibens an das Duisburger Veterinäramt teilte eine Behördenvertreterin lapidar mit, Untersuchungen ungeklärter Todesfälle im Zoo Duisburg würden immer von unabhängiger Stelle durchgeführt; im Übrigen verwies man – das Veterinäramt ist ebenso wie der Zoo eine städtische Einrichtung – auf das besagte Facebook-Update des Zoos (der in einer Presseerklärung nachschob, es werde "keine weiteren pathologischen Untersuchungen geben"). In zahlreichen Posts auf Facebook und in Leserbriefen an die Medien wurde das Vorgehen des Zoos teils heftig kritisiert. In einer Zuschrift an die (bekannt zoofreundliche) Rheinische Post etwa hieß es: "Wodurch haben sich Leber, Niere und Milz (der Affen) verändert??? Für mich steht hier noch überhaupt nichts fest." In einer anderen: "Ich werde den Verdacht nicht los, dass da was verheimlicht wird bzw. vertuscht werden soll."

Das Great Ape Project hat unter Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW beim zuständigen Veterinäramt das offizielle Obduktionsprotokoll angefordert.

Vier SIV-infizierte Mandrille werden "hinter den Kulissen" verwahrt

Im Zusammenhang mit dem mysteriösen Tod der gesamten Seidenaffenfamilie kam auch ans Licht, dass der Zoo Duisburg seit zweieinhalb Jahren eine vierköpfige Gruppe Mandrille – eine aus den tropischen Regenwäldern Zentralafrikas stammende Primatenart – in einem völlig ungeeigneten Bunkerraum "hinter den Kulissen" verwahrt. Der Grund dafür liegt darin, dass alle vier Tiere mit dem sogenannten "Simiane Immundefizienz-Virus" (kurz SIV, das Ursprungsvirus des menschlichen Immunschwächevirus HIV) infiziert sind. Seit Jahren versucht der Duisburger Zoo über den Europäischen Zoodachverband EAZA die Tiere loszuwerden – bislang ohne Erfolg: kein anderer Zoo in Europa ist bereit, die Tiere zu übernehmen. Im Freiland ist jeder dritte Mandrill SIV-positiv. Auch wenn sie keine Krankheitssymptome zeigen, können sie doch – und dies speziesübergreifend – hochansteckend sein.

Da nach hierzulande geltendem Tierschutzgesetz die vier Mandrille nicht einfach "entsorgt" werden können – in anderen Ländern der EU wäre dies problemfrei möglich –, trat der Geschäftsführer des Duisburger Zoos Mitte Februar an das Wales Ape & Monkey Sanctuary heran, ein dem Great Ape Project zugehöriges Auffangzentrum für "Affen in Not" im Vereinigten Königreich, mit der dringlich formulierten Anfrage, ob die vier Mandrille nicht dorthin überstellt werden könnten.

Mandrill
Mandrill (Mandrillus sphinx) im Las Águilas Jungle Park auf Teneriffa
(Foto: NicBar via Wikimedia Commons, gemeinfrei)

Das Waliser Sanctuary erklärte sich grundsätzlich bereit, die Tiere aufzunehmen, wies jedoch darauf hin, dass die Mandrille aufgrund ihrer SIV-Infektion nicht mit anderen Affen des Sanctuary vergesellschaftet werden könnten, insofern also ein völlig neues Gehege mit lebenslanger Quarantäne- beziehungsweise Isolationsmöglichkeit für sie erstellt werden müsse. Der Zoo Duisburg müsse sich – was bei Aufnahme anderer Tiere in das Sanctuary nicht erforderlich sei – an den Bau- beziehungsweise Unterhaltskosten beteiligen.

Mit Schreiben vom 17. März teilte der Zoo Duisburg daraufhin mit, die vier Mandrille unter diesen Umständen doch selbst behalten zu wollen. Man wolle mit eigenen Mitteln eine entsprechende Unterbringungsmöglichkeit auf dem Zoogelände für sie schaffen. Wann dies geschehen solle und ob beziehungsweise inwieweit diese Unterbringung dann den notwendigen Sicherheitserfordernissen entsprechen wird, blieb offen.

Das Great Ape Project hat umgehend eine Anfrage an das zuständige Veterinäramt gestellt, ob dort bekannt ist, dass vier SIV-infizierte Mandrille seit zweieinhalb Jahren in einem völlig ungeeigneten Nebenraum des Elefantenhauses weggesperrt sind. Es stand und steht zu vermuten, dass das Veterinäramt von diesem Missstand entweder keine Kenntnis hatte oder aber diesen über Jahre hinweg einfach ignorierte: Am 18. September 2018 – um es zu wiederholen: vor zweieinhalb Jahren (!) – hatte der Zoo mitgeteilt, dass die Mandrille für Besucher ab sofort nicht mehr zu sehen seien, da sie zeitnah in einen anderen Zoo umziehen würden. Ab diesem Zeitpunkt war nichts mehr von ihnen zu hören oder zu lesen gewesen. Tatsächlich wurden und werden die Tiere seither unter indiskutablen Bedingungen "hinter den Kulissen" des Zoos versteckt gehalten.

Zudem wurde angefragt, ob beziehungsweise inwieweit die Haltungsbedingungen der vier SIV-infizierten (und damit für Zoopersonal wie Besucher gleichermaßen ansteckungsriskanten) Mandrille veterinäramtlich überwacht werden. Eine Antwort liegt bislang nicht vor.


Aktueller Nachtrag (24.03.2021): Laut Mitteilung vom 23.03.2021 an den Autor ist dem Veterinäramt der Stadt Duisburg "die Haltung der Mandrills bekannt. Der Zoo wird regelmäßig hinsichtlich der Einhaltung tierseuchen- und tierschutzrechtlicher Vorgaben kontrolliert."

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