Lernen zwischen Engeln und Dämonen

 

Hat der Waldorflehrer dennoch Schwierigkeiten mit Schülern, bleiben ihm zudem noch ganz besondere Möglichkeiten, diese zu lösen. Dann steigt er, wie Rudolf Niederhäuser schreibt, einfach „des Nachts in „höhere Welten“ (d.h. sein Astralleib) und holt sich dort Rat!“ (Rudolf Niederhäuser, „Freie Schulen aus freiem Geistesleben“ in „Aus der Waldorfschule geplaudert“, S. 121)

Das „Kinderformen“ nach dem Waldorfideal

Die vermeintlich auf die Individualität des Kindes eingehende Waldorfpädagogik verfolgt in Wirklichkeit das Ziel, das Kind dem Steinerschen Ideal gemäß zu formen. Der Waldorflehrer handle nach einem kosmischen Führungsplan, dessen höchstes Ziel die Erziehung zum „Vollmenschen“ sei, erklärt Sybille-Christin Jacob. Dazu typisiert der Lehrer die Schüler in vier Temperamente und versucht sie entsprechend zu formen und zu „harmonisieren“. „Ein genormtes Seelenleben und –verhalten sind das Endziel“. Kinder, die sich dagegen sträuben, werden in die ominöse Heileurythmie (die „Sprache der Erzengel“ = in Bewegungen umgesetzte Buchstaben) als eine Art Allheilmittel geschickt (wobei weder das Kind noch die Eltern den konkreten Grund je erfahren).

Übrigens: „Vokale stärken die Persönlichkeit, Konsonanten schwächen sie und sind bei egoistischen Menschen angebracht. Und wenn ein Kind den Eindruck macht, träge, willensschwach zu sein – real also vielleicht so willensstark ist, dass es sich nicht von all den schönen Unterrichtsinhalten mitreißen lässt, auch vom „Mut zu dienen“ nichts hält –empfiehlt Steiner ein eurythmisch willensweckendes ‚Einhämmern’.“ (Charlotte Rudolf „Waldorf-Erziehung“, S. 54) Wirkt die „Erzengelsprache“ dennoch nicht, blüht dem Kind auch mal schnell ein Verweis von der Schule.

Ansonsten: Versagt die Waldorfschule, dann ist, nach Steiner, vor allem die Mutter schuld - bzw. wenn man es genau nimmt, eigentlich das Kind selbst; denn nach der anthroposophischen Lehre hat es sich seine Eltern schließlich selbst ausgesucht.

Eine „große Familie“, eingeschlossen und abgeschlossen

Ein besonderes Merkmal der Waldorfschule ist die Abschottung von der Außenwelt. Nicht nur die Lehrer müssen sich alle einig sein (bei Abstimmungen besteht Einstimmigkeitszwang) auch die Eltern und Kinder werden massiv nicht nur in das System eingeschlossen und diesem verpflichtet, auch ist die Waldorfschule darauf bedacht, ihre Schäfchen von der „bösen“ Außenwelt fernzuhalten: kein Fernsehen, kein Radio, kein Plastikspielzeug, keine „fremden“ Bücher usw.. Hierauf werden die Eltern nicht nur hingewiesen, sondern es wird seitens der Schule auch durchaus kontrolliert. Das führt dazu, dass Waldorfanhänger sehr oft sektengleich, in einer ganz eigenen Parallelwelt leben.

Ein solches Eingebundensein erleben viele als eine Art Geborgenheit. Gleichzeitig wird hier auch eine Sehnsucht erfüllt, die wohl auch Religionen und Ideologien für viele so attraktiv macht: ein Gemeinschaftsgefühl, verbunden mit dem Gefühl, sich ganz einer höheren Macht „hingeben“ zu können, frei von Zweifeln und Unsicherheiten, die eigene Verantwortung an eine „allwissende“ Macht abgeben zu können. Und da ist man bei Steiner an der richtigen Adresse, denn, so Detlef Drewes: Steiner „enthielt sich jeder Beweisführung, er verlangte schlicht Glauben und bedingungslosen Gehorsam.“ („Aus der Waldorfschule geplaudert“, S. 234) Für das Kind überzeugter Waldorfeltern gibt es fast kein Entrinnen. Eltern und Lehrer arbeiten zusammen - einstimmig, versteht sich!