Die Grenzen des Terrors

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Straßenhändler in Kabul / Fotos © Robert Puskas

WIEN. (hpd) Eine Foto-Ausstellung in Wien zeigt unbekannte Seiten der afghanischen Hauptstadt Kabul. Robert Puskas dokumentiert den Alltag in einer Stadt, die bei uns nur als Schauplatz terroristischer Anschläge, kriegerischer Handlungen und politischer Krisen bekannt ist.

Ungewöhnliches kombiniert mit exotischem. Zwei Dutzend Fotos aus Kabul hängen im lateinamerikanischen Tanzlokal Fania am Wiener Yppenplatz, den sonst eher Migranten aus der Türkei und Ex-Jugoslawien prägen, nebst einigen Szenelokalen mit „einheimischen“ Gästen. Klischees prallen aneinander und heben sich auf. Zumindest einen Moment lang. „Meine Fotos bringen die Besucher zum Nachdenken“, erzählt Robert Puskas sichtlich stolz. Es ist die erste Ausstellung des Datenbank-Spezialisten, der bis vor kurzem nie daran gedacht hätte, Bilder öffentlich auszustellen.

2009 hat ihn ein Projekt für einen Mobilfunk-Anbieter in die afghanische Hauptstadt verschlagen. Für Ausländer ging es damals ziemlich paranoid zu: „Wir haben in einem Guest House gewohnt, vor der Tür standen Sicherheitsleute mit Kalashnikovs“. Jeder Schritt, den man nach draußen machte, wurde überwacht. Wie streng die Sicherheitsmaßnahmen waren, dokumentiert ein Foto aus dem Küchenfenster des Komplexes.

 

Zur Arbeit am anderen Ende der Stadt ging es in gesicherten Auto-Konvois. Private Ausflüge waren nicht vorgesehen. „Ich hatte immer wieder Konflikte mit dem Sicherheitschefs, weil ich auf der anderen Straßenseite einen Tee getrunken habe oder ab und zu in der Umgebung spazieren gegangen bin“, erzählt Puskas mit einem verschmitzten Lächeln. Er scheint die Konflikte genossen zu haben. „Ich wollte ja auch etwas von der Stadt sehen. Immerhin interessiere ich mich seit 20 Jahren für Afghanistan und hab einiges an Literatur zu Hause.“

Sein Interesse für Land und Menschen spiegelt sich in den Fotos wider. Man merkt ihnen an, dass sie von einem Menschen gemacht wurde, der nicht journalistisch verschult ist. Puskas interessiert nicht das Chaos, das westliche Nachrichtenagenturen sonst von der Stadt vermitteln. Er hat sich auf die Suche nach Menschen gemacht. Die findet man am Straßenrand und auf Märkten.

Als Konsument westlicher Medien ist man überrascht, dass sich in dieser Stadt jemand auf die Straße traut. Alle paar Tage geht eine Bombe hoch. „Die Kabuler leben ihren Alltag und versuchen das Leben zu genießen. Die Terror-Gefahr ist bei ihnen weit weniger präsent als bei uns.“

Die Fotos dokumentieren die Grenzen des Terrors. Da passiert es, dass Puskas einen Tischler überrascht, der in seiner Werkstatt eingeschlafen ist. „Seine Angestellten haben gelacht, als ich ihn so fotografiert habe.“ Seine Einwilligung für das Foto hat der Mann nachträglich erteilt.

 

Auch einen „Heiligen“ samt Manager trifft Puskas auf einem seiner Ausflüge. „Die Kabuler zahlen ein wenig Geld, um sich von ihm berühren zu lassen. Sie glauben, das bringt Glück.“ Der Manager möchte zunächst nicht, dass er den „Heiligen“ fotografiert. Aber der gibt nach dem üblichen Bakschisch seine Einwilligung. „Das war auch ein Spiel. Verhandelt wird dort gerne.“

Überhaupt, erzählt Puskas, seien die Kabuler froh gewesen, einen Ausländer zu treffen, der an ihnen interessiert war und nicht an einer weiteren Reportage über ein desolates Land. „Die Aufmerksamkeit hat ihnen gefallen. Ich bin so oft mit einem Lächeln begrüßt worden.“ Freude über Interesse eines Fremden – eine typisch menschliche Eigenschaft. Bei den Horror-Geschichten über Kabul und Afghanistan würde man das kaum vermuten. Nur: Menschen bleiben Menschen. Das zeigen Puskas Fotos deutlich. Im Herbst könnte die kleine Ausstellung in der burgenländischen Stadt Mattersburg gezeigt werden. „Ich bin gerade in Gesprächen mit der Gemeinde“. Geld dürfte es keines geben. Das ist Puskas auch nicht so wichtig. „Ich hoffe, dass die Menschen, die meine Bilder sehen, lernen, genauer hinzuschauen, und dass sie vielleicht nicht alles glauben, was ihnen medial vermittelt wird.“

Christoph Baumgarten