WASHINGTON. (hpd) Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Pew Forum on Religion und Public Life“ unter den 4.000 Teilnehmern einer Evangelisationskonferenz im Oktober 2010 ergab, dass säkulare Prozesse weltweit als größte Bedrohung beurteilt werden. Bei der Atheist Alliance International meinte man, dass im Zeitalter des Internet die vermeintlichen Wahrheiten der Religionen einfach leichter als jemals zuvor als Schwindelei entlarvt werden können.
Vom 16. bis 25. Oktober 2010 fand in Südafrika der „Dritte Kongress für Weltevangelisation (Lausanne III)“ statt. Rund 4.000 Vertreter des sendungsbewussten Christentums aus über 190 Nationen kamen in Kapstadt zusammen. Die hiesige Sektion, die Deutsche Evangelische Allianz, bezeichnete die Veranstaltung als „repräsentativste Zusammenkunft der Evangelikalen“. Die dazugehörigen Bekehrungskampagnen wie „ProChrist“ werden auch von führenden deutschen Politikern und Medienmachern unterstützt. Darunter befinden sich die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, der Fernsehmoderator Peter Hahne und auch der Vorsitzende der Arbeitsagentur, Frank-Jürgen Weise. Bundespräsident Christian Wulff lässt seine offizielle Fördermitgliedschaft seit Amtsantritt ruhen.
Das Ziel des Kongresses war, über das zukünftige Vorgehen beim gemeinsamen Vorhaben zu beraten, die gesamte Menschheit zum festen Glauben an die Legenden dieser weit verbreiteten Religion zu bekehren.
Rund 2.200 der Teilnehmer nahmen im Rahmen dessen an einer vom Pew Forum durchgeführten Befragung teil. Nun wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Es wurde unter anderem festgestellt, dass jeweils rund 20 Prozent der Missionierungsstrategen aus Europa, Nordamerika und dem asiatischen bzw. pazifischen Raum kamen. Die übrigen 40 Prozent gaben den afrikanischen Kontinent, Zentral- und Südamerika oder den Mittleren Osten als Herkunftsregion an.
Die größte Bedrohung („major threats“) für die eigenen Vorhaben geht nach Auffassung der Befragten vom Einfluss säkularer Prozesse („Influence of secularism“) aus. Ganze 71 Prozent stimmten dem zu. Weniger bedrohlich als die gesellschaftliche Säkularisierung werden unter anderem die Überbewertung von Konsum, Sex und Gewalt in der Gegenwartskultur oder auch der Einfluss des Islam beurteilt. Letzteres Phänomen wurde mit 47 Prozent von weniger als der Hälfte der Teilnehmer an der „Pew“-Befragung als Gefahr eingestuft. Staatliche Einschränkungen der Religion sahen übrigens nur 22 Prozent als drängendes Problem an.
Grundsätzlich gibt es auch einen deutlichen Unterschied zwischen den Vertretern der Nord- und der Südhalbkugel des Planeten. Es zeigte sich, dass die Konferenzteilnehmer aus südlicheren Regionen deutlich optimistischere Zukunftserwartungen bezüglich der Weltevangelisation haben als die ambitionierten Bekehrer aus Regionen nördlich des Äquators: Während ein Drittel dieser Menschen meint, dass sich die Lage für das evangelikale Christentum während der nächsten fünf Jahre verschlechtern wird und nur 44 Prozent eine Verbesserung erwarten, erhofft mit 71 Prozent eine deutliche Mehrheit von Vertretern südlicher Regionen einen Aufschwung bei der gesellschaftlichen Verankerung von Bibelglauben in menschlichen Gehirnen.
Atheisten am unerwüschtesten
Atheisten wurden derweil auch als die unerwünschteste („unfavorable“) gesellschaftliche Gruppe eingestuft. Ganze 70 Prozent haben sehr wenig oder keine Sympathien für Menschen, die nicht den christlichen Eingottglauben und den damit verbundenen Missionierungsdrang teilen. Damit rangieren sie auf der Beliebtheitsskala hinter Muslimen, Hindus oder Buddhisten. Diese konfessionellen Gemeinschaften erfuhren von jeweils rund zwei Dritteln eine ungünstige Einschätzung. Pfingstler und Katholiken sind wiederum die Gruppen, welche am meisten Begeisterung für sich verbuchen können.
Nichtreligiöse Menschen sind derweil auch Hauptziel der beabsichtigten Bekehrung. Mit 73 Prozent erklärten fast drei Viertel der Befragten, dass sie hier die Top-Priorität („top priority“) sehen. Die muslimischen Gemeinschaften zugeordneten Menschen werden von 59 Prozent der Verkündiger des Evangeliums ebenfalls als wichtiges Missionierungsziel eingestuft, der Jesus-freie Glaube von Hindus beschäftigt immerhin noch 39 Prozent intensiv.
Wer will wen bekehren?
Stuart Bechman kommentierte für die Atheist Alliance International die Ergebnisse der „Pew“-Befragung. Er wies darauf hin, dass evangelikale und andere Führer der christlichen Religion häufiger davon sprächen, dass die in der Säkularisierung beteiligten Menschen das Christentum ausmerzen wollten. Dabei stellte er zunächst fest, dass die Gruppen organisierter Atheisten und anderer nichtreligiöser Menschen erheblich kleiner als die Gläubigengemeinschaften sind und nur mit einem Bruchteil des Etats evangelikaler Organisationen arbeiten. Im Gegensatz dazu stünden die Milliarden-Haushalte religiöser Vereinigungen, die von Steuerbefreiungen oder anderen staatlichen Zuschüssen profitieren. Es dürfe mit Fug und Recht erklärt werden, dass eher die hier beteiligten Organisationen des Christentums den Säkularismus ausmerzen werden als das umgekehrt der Fall wäre.
Zudem könnte es sein, dass die wahrgenommene Bedrohung wohl auch daher rührt, dass die Ansichten der nichtreligiösen und säkularen Gruppen überzeugender sind. Bechman fragte: Hält der christliche Glaube den vorgelegten Argumenten und Belegen einfach nicht stand? Schon die vor Jahrtausenden gegen den religiösen Glauben vorgelegten Argumente sind bis heute nicht effektiv von Apologeten der Religion und ihren Göttern widerlegt worden. Derweil sind sogar Bücher erschienen, welche die so bedrängten Gläubigen gegen einen „Angriff des säkularen Humanismus“ wappnen sollen. Stattdessen, so Bechham weiter, erhebe sich regelmäßig ein empörtes Getöse und der Versuch einer persönlichen Diskreditierung der Kritiker, bis Beobachter darüber die ursprünglich vorgebrachten Argumente vergessen haben.
Aufschrei von Bibelgläubigen in Deuschland
Vergleichbares war auch in Deutschland zuletzt gut zu beobachten, als der Entwurf eines kritischen Rundschreibens des SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz anlässlich des von Kirchenpolitikern arrangierten Auftritts des katholischen Kirchenführers Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag in die Medien lanciert worden ist.
Volker Kauder, Fraktionschef der Kirchenparteien CDU/CSU im Bundestag und ebenfalls bekennender Anhänger evangelikaler Organisationen, nannte das Dokument einen „Ausdruck von religiöser Intoleranz und politischer Unvernunft“, woanders wurde Schwanitz‘ Haltung als „Schande“ für die – derzeit ebenfalls von kirchlich gebundenen Politikern regierte – SPD verurteilt. Der Aufschrei von Bibelgläubigen erschreckte im Ergebnis viele der mit dem Rundbrief sympathisierenden Mandatsträger im Bundestag. Eine kritische und inhaltliche Auseinandersetzung mit den veröffentlichten Positionen: Fehlanzeige.
Im Zeitalter des Internet, so Bechman schließlich, sind die Wahrheiten der Religionen jedoch leichter als jemals zuvor zugänglich und die Öffentlichkeit erkenne immer mehr deren Schwindeleien, woraufhin sie ihre Gefolgschaft zum religiösen Glauben und ihren Führern aufkündigen. Das sei möglicherweise der Grund, warum Säkularismus als größte Bedrohung des evangelikalen Christentums gesehen wird und er könne nur hoffen, dass diese Einschätzung sich als zutreffend herausstellt.
Arik Platzek