‚A schöne Leich’ u.a. Notizen aus Wien

0-titel.jpg

Bunte Trauer / Alle Fotos: Martin Sedlacek (flickr.com)

WIEN. (hpd) Eine Zeitreise mit einer wiederbelebten Leiche, eine Hitzewelle, die allerlei seltsame Ideen zeitigt, eine erfolgreiche, wenn auch ungewollte paradoxe Intervention – der Juli in Österreich war ereignisreich. Wenn auch nur von der heiteren Seite zu nehmen. Notizen aus Wien von Christoph Baumgarten.

Ganz sicher konnte sich der unbedarfte Beobachter nicht sein, wer im Wiener Stephansdom zu Grabe getragen wurde. Die Monarchie? Der verhinderte Kaiser? Die Republik? Für letzteres sprachen die prachtvollen Uniformen der Nostalgie-Militärverbände und Tiroler Schützen, gegen die die Ehrengarde des Bundesheeres wie eine Pfadfinderdelegation mit schlechtem Sponsor wirkte. (Warum das Bundesheer bei dem Begräbnis da war, wusste auch kein Mensch vernünftig zu erklären. Familienwünsche allein sind keine hinreichende Begründung. Da könnte, um eine beliebte Redewendung gegen Aufmüpfige zu zitieren, ja jeder kommen.) Gegen die These, dass die Republik zu Grabe getragen wurde, sprach einzig, dass der agnostische Bundespräsident in der ersten Reihe saß.

 

Wobei: Zumindest mir ging eine Anekdote von der ehemaligen kommunistischen Tageszeitung „Volksstimme“ nicht aus dem Kopf: Bei der Berichterstattung vom Begräbnis des ehemaligen ZK-Vorsitzenden Antropov der UdSSR schaffte es das Blatt, auf der Titelseite Andropov in der ersten Reihe der Trauergäste zu zeigen. (Das Foto war beim Begräbnis von Breshniev aufgenommen worden.) So erzählen zumindest glaubwürdige Zeugen. Und immerhin, in Österreich kann es passieren, dass konservative Landtagsabgeordnete und Bürgermeister in kirchennahen Zeitungen gleich zweimal auf einem Foto erscheinen.

 

Im Lichte dieser Ereignisse konnte die Anwesenheit des sichtbar lebendigen Bundespräsidenten nur als starkes Indiz gewertet werden, dass nicht er oder die Republik begraben wurden. Ein endgültiger Beweis war das nicht. Den lieferten Bundespräsident und der ebenfalls anwesende Bundeskanzler (allerdings nicht in der ersten Reihe, so viel Anstand muss sein) erst am Ende der Zeremonie. Sie sangen die Kaiserhymne nicht mit. Was eine allgemeine Erleichterung im Land bewirkte: Der eben zu Grabe getragene Otto Habsburg wurde nicht posthum doch noch zum Kaiser aufgerufen. Möglicherweise zum Bedauern von Kardinal Christoph Schönborn, der Otto Habsburgs ältesten Sohn Karl auch gleich zum Erzherzog von Österreich machte. Mit ausdrücklichem päpstlichen Sanktus, versteht sich. Immerhin. Andererseits, wäre ich Karl Habsburg, würde ich das beinahe als Angriff auf meine Person werten. Viel deutlicher kann man wohl nicht unter die Nase gerieben bekommen, dass man das Land eben nur beinahe erbt. Das muss etwas frustrierendes haben. Obwohl es kirchlicherseits sicher anders gemeint war.