WIEN. (hpd) Die Verantwortlichen des Stiftes Admonts stehen in Leoben (Steiermark) vor dem Zivilgericht. Ein ehemaliger Schüler ihres Stiftsgymnasiums fordert eine hohe Entschädigungen. Er sei in den 60-ern von Stiftspriestern vergewaltigt und geschlagen worden, sagt er. Das Stift will die Entschädigungszahlungen dem Staat umhängen.
Ein Kind besucht ein Stiftsgymnasium und wohnt im stiftseigenen Konvikt. Zwei Pfarrer schlagen das Kind mehrfach – das stellen laut Medienberichten alle Beteiligten außer Zweifel. Ob das Kind damals auch, wie der heute erwachsene Mann sagt, vergewaltigt wurde oder nicht, ist strittig. Die kircheneigene Klasnic-Kommission geht offenbar davon aus, dass das passiert ist.
Vertreter des Stifts sagen eher nein, aber das haben Kirchenvertreter bis in jüngste Vergangenheit immer getan, wenn Vorwürfe sexuellen Missbrauchs laut wurden. Wie oft das Leugnen gestimmt hat, siehe allein die Ryan-Kommission in Irland. Weiterer Kommentar oder weitere Beweisführung überflüssig – mit der Einschränkung, dass das nur bedingt Rückschlüsse auf diesen Fall zulässt. Das zu klären, ist Aufgabe des Gerichts in Leoben. Ob es wie hier ein Zivilgericht ist oder ein Strafgericht ist in dieser Hinsicht egal.
Der Staat ist schuld, nicht die Schulleitung
Nur geht es hier auch um Geld. Der Betroffene fordert 420.000 Euro vom Stift. Das sei als Betreiber von Schule und Konvikt verantwortlich für das, was dort passierte. Nein, sagt der Vertreter des Stifts vor dem Richter. Verantwortlich sei die Republik Österreich. (Die Schriftsätze liegen dem hpd vor.) Das Gymnasium habe Öffentlichkeitsrecht. Die Republik habe die Schulaufsicht und solle die Entschädigung zahlen. (Unter der unausgesprochenen Voraussetzung, irgendjemand habe überhaupt Entschädigung zu zahlen).
Die Republik verantwortlich? Für Geschehnisse in einer Schule, die von einer Suborganisation der katholischen Kirche betrieben wird? Wo Organe des Stifts die unmittelbare Aufsicht haben? Wo Lobbying der katholischen Kirche zu Sondergesetzen geführt hat, die eine öffentliche Aufsicht nur schwer möglich machen? Öffentlichkeitsrecht als Argument? Jenes Öffentlichkeitsrecht, das konfessionellen Privatschulen aufgrund von kirchlichem Lobbying automatisch zusteht?
Es fehlt an druckfähigem Vokabular
Das ist der Moment, wo es selbst für den wohlmeinendsten aller Beobachter (als den sich der Kolumnist nicht bezeichnet) aus ist mit der Sachlichkeit. So abgrundtiefe Unverfrorenheit und Verlogenheit, so eine Missachtung auch nur der geringsten menschlichen Intelligenz gegenüber erlebt man selten wie aus dem Munde der Admonter Benediktiner.
Es gibt kein halbswegs druckfähiges Vokabular um zu beschreiben, wie dreist und plump die Kuttenträger versuchen, sich Entschädigungszahlungen zu ersparen. Man mag dem Kolumnisten seine Emotionalität ruhig vorhalten. Allein, hier kann er nicht mehr anders und ist sich sicher, jedem auch nur halbwegs vernunftbegabten Menschen ginge es genauso.
Methode „Haltet den Dieb!“
Der Kolumnist nimmt sich auch die Freiheit und gibt zu: Als Richter hätte er den Anwalt, der den Antrag verfasst und so laut „Haltet den Dieb“ geschrien hat, am Kragen gepackt und auf den Platz vor dem Gericht geschleift. Unabhängig von seiner sonstigen Überzeugung, dass man Anwälte nicht für das verantwortlich machen darf, was dessen Klienten verlangen. Aber irgendwann muss doch auch Standesehre schlagend werden. Man muss nicht jedes dreckige Manöver mitmachen, zumal nicht ein solches, das offensichtlich faktenwidrig ist. Den Ausdruck Winkeladvokat wird er sich nach diesem Antrag wohl gefallen lassen müssen, der Herr Anwalt.
Gymnasium gehört Stift seit fast 400 Jahren
Das Gymnasium von Admont steht bis heute unter Oberaufsicht der Benediktiner und rühmt sich seiner mittlerweile knapp 400-jährigen Geschichte und Bedeutung für die Region. Schüler verfassen regelmäßig Lobeshymnen auf die Äbte, angehalten vom Stift selbst, versteht sich. Dass heute offiziell ein Schulerhalterverein Benediktinerstift Admont als Träger fungiert, ändert am Charakter des Stiftsgymnasiums als solches nicht das Geringste.
Schüler haben keine Religionsfreiheit
Bis heute greift man auch tief in die Religionsfreiheit der Schüler ein. Unter dem Titel „Allgemeine Informationen“ auf der Homepage behandelt der mit Abstand ausführlichste Punkt den Religionsunterricht. Dort heißt es ungekürzt:
Die religiöse Bildung eines Menschen betrachten wir als wesentlich für seine persönliche Entfaltung und als unverzichtbares Element im Verständnis der eigenen Identität und der europäischen Kultur.
Die Anerkennung der christlichen Grundwerte wird von allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft erwartet.
In unserer Schule gilt daher:
- Alle christlichen SchülerInnen besuchen den Religionsunterricht ihrer Konfession.
- Die Abmeldung vom christlichen Religionsunterricht ist nicht möglich.
- SchülerInnen ohne religiöses Bekenntnis und SchülerInnen mit einem bei uns nicht unterrichteten christlichen Religionsbekenntnis, besuchen den Unterricht jener Religionsgemeinschaft, der bei der Einschreibung vereinbart wurde.
- Bei SchülerInnen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, wird eine Eingliederung in die jeweilige Kirche (katholische oder evangelische) durch die Taufe angestrebt.
- Für SchülerInnen, deren anerkannte Glaubensgemeinschaft keinen offiziellen Unterricht anbietet, übernehmen die Eltern die Verpflichtung zur religiösen (außerschulischen) Erziehung.
- Das Schuljahr wird mit einem Gottesdienst eröffnet und beendet, der von allen SchülerInnen besucht wird.
- Die Achtung der christlichen Symbole und die Berücksichtigung der besonderen Zeiten des Kirchenjahres ist uns ein wichtiges Anliegen.
(Hervorhebung durch den Autor)
Religiöse Diskriminierung beim Personal
Auch beim Personal greift man in Religionsfreiheit und Privatsphäre ein. Zitat aus Paragraf 20 des Privatschulgesetzes:
(2) Die Zuweisung (eines öffentlich bezahlten Lehrers an eine konfessionelle Privatschule, Anm.) ist aufzuheben, wenn der Lehrer dies beantragt oder wenn die zuständige kirchliche (religionsgesellschaftliche) Oberbehörde die weitere Verwendung des Lehrers an der betreffenden Schule aus religiösen Gründen für untragbar erklärt und aus diesem Grunde die Aufhebung der Zuweisung bei der zuständigen Dienstbehörde beantragt.
Selbstredend darf eine konfessionelle Privatschule sich auch weigern, Lehrerinnen und Lehrer aufzunehmen, wenn diese nicht bei der „richtigen“ Religionsgemeinschaft sind oder es sonst Einwände aus religiösen Gründen gibt. Man behält sich die personelle Oberhoheit vor.
Lehrer werden vom Staat bezahlt
So etwas nennt man Gummiparagraf. Tritt der oder die Betreffende etwa aus der Kirche aus, lässt sich scheiden, lebt offen homosexuell – fort mit ihnen aus den geweihten Stätten, und seien diese beziehungsweise die Lehrerinnen und Lehrer auch aus öffentlichem Geld bezahlt. Was in Österreich der Fall ist.
Die Lehrergehälter übernimmt zu 100 Prozent der Steuerzahler. Auch zum Schulerhalt gibt es laufende Subventionen, die man freilich öffentlich nicht so gerne zugibt. So beweihräuchert sich die katholische Kirche auf der Seite katholisch.at selbst mit dem wichtigen Beitrag, den sie angeblich zur Bildung leiste. Und stellt dort gleichsam beleidigt fest, dass „der Staat an katholischen Schulen nur die Lehrpersonalkosten trägt und damit das katholische Schulwesen eine wesentliche Entlastung öffentlicher Haushalte ist?“
Katholisch, so lange es gut geht
Da sind’s wieder katholische Schulen. So lange es gut geht, rühmt sich die katholische Kirche ihrer Taten und tut so, als hätt sie’s erfunden. Es ist nebenbei bemerkt ein gewaltiger Fortschritt, dass man nicht mehr vorspiegelt, dass die Schulen hauptsächlich aus dem Kirchenbeitrag finanziert würden. Das ist ohne falsche Bescheidenheit ein Erfolg des Buches „Gottes Werk und unser Beitrag“ von Carsten Frerk und dem Kolumnisten.
Für wie dumm hält man uns?
Wie die Herren von Stift Admont angesichts dieser Ausgangslage auf die Idee kommen, nach der Republik zu schreien, sobald es schief geht, erschließt sich einem halbwegs logisch denkenden Menschen nicht ganz. Die Herrschaften haben seit beinahe 400 Jahren eine nahezu unumschränkte Kontrolle über die Schule, die Schüler und die Lehrerinnen und Lehrer – und seinerzeit über das Internat sowieso. Wer, wenn nicht die Leitung des Stifts kann hier versagt haben? Die Republik, der man nicht einmal die personelle Oberhoheit über das Lehrpersonal zugesteht vielleicht? Und die Herrschaften glauben, unsereins ist dumm genug, nicht zu merken, welchen Bären man uns aufbinden will?
Offensichtlich soll hier der Steuerzahler ein zweites Mal zur Kasse gebeten werden. Das Stift will sich mögliche Entschädigungszahlungen sparen (über deren Rechtmäßigkeit allein Gericht befinden kann) und redet sich auf den Staat aus – der leider aufgrund von kirchenfreundlichen Gesetzen denkbar wenig tun hätte können. Es ist ein schäbiges Manöver, das die Herrschaften veranstaltet haben. Noch dazu eingedenk der Tatsache, dass das Stift Admont einer der größten Grundbesitzer Österreichs ist und auch sonst über einiges an Vermögen verfügt. Man kann nur angewidert den Kopf schütteln.
Christoph Baumgarten
Notizen aus Wien ist die monatliche Kolumne unseres Österreich-Korrespondenten.