„Wir brauchen breite Allianzen“

 

Wüssten Sie ein konkretes Beispiel?

Bielefeldt: Ich habe es im Februar erlebt, als hier eine Vertreterin der Heilsarmee, Vertreter eines atheistischen Humanismus und kopftuchtragende muslimischen Frauen sich zusammengeschlossen haben. Das fand ich toll. Ich finde also breite Allianzen sinnvoll. In denen die humanistische Stimme da ist, aber in einem breiteren Konzert. Ich glaube, das brauchen wir. Der Menschenrechtsdiskurs steht in der Gefahr, allzu sehr fragmentiert zu werden. Wir brauchen da breite Allianzen und hier sollten sich auch Humanisten einbringen.

 

Hat der Diskurs über und um die Religionsfreiheit an Bedeutung gewonnen oder sind solche Wahrnehmungen höchst subjektiv?

Bielefeldt: Eventuell bin ich selber so tief drin, dass mein Eindruck selber auch nicht mehr ganz repräsentativ ist. Ich glaube trotzdem sagen zu können, dass das Thema Religions- und Weltanschauungsfreiheit enorme Emotionen mobilisiert. Also es ist schon einer der großen Kampfplätze. Nicht der einzige im Arbeitsfeld der Menschenrechte bei der UNO, im Menschenrechtsrat oder der Generalversammlung. Für die Religionsfreiheit gilt aber schon besonders, dass da ganz unterschiedliche Weltsichten aufeinanderprallen. Da ist es umso wichtiger, auch hier breite Allianzen zu bilden und die Klarheit des Konzeptes aufrechtzuerhalten. Mittlerweile streiten in der Menschenrechtssprache auch Länder und Organisationen, die sehr autoritär sind. Da gilt es darauf zu achten, dass sich die menschenrechtliche Semantik nicht völlig von einem sinnvollen Menschenrechtskonzept völlig loslöst und auch im Kontext der Religions- und Weltanschauungsfreiheit besteht diese Gefahr durchaus.

 

Was sollte denn beim Ringen um die beste Politik im Feld der Religions- und Weltanschauungsfreiheit vermieden werden, wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt, dessen Bedeutung auch bei den Reden dieser Konferenz häufig hervorgehoben wurde, bewahrt bleiben soll?

Bielefeldt: Man sollte das Thema Religions- und Weltanschauungsfreiheit nicht völlig isolieren. Was ich eben über Allianzen sagte, gilt auch für die Art und Weise wie man das Thema bearbeitet. Zum Beispiel eine Perspektive beim Thema der Religions- und Weltanschauungsfreiheit, die auch Gender-Fragen mitnimmt. Synergien stiften wäre meine Rat, auch wenn Sie ja eigentlich eine negative Antwort wollten. Eine völlig isolierte Bearbeitung des Themas führt auch in die Irre.

 

Auf die Kommunikation und Kooperation mit anderem Menschen zu verzichten, wäre also überhaupt nicht ratsam.

Bielefeldt: Ganz genau. Zum einen sollte man sich nicht kommunikativ isolieren, zum anderen die Bearbeitung dieses Felds aber auch thematisch nicht völlig entkoppeln von anderen Menschenrechtsthemen wie eben etwa der Frage nach der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Das gehört dazu, sonst rutscht es sehr schnell ins Esoterische ab.

 

Herr Professor Bielefeldt, herzlichen Dank für das Interview.


Die Fragen stellte Arik Platzek (zurzeit in Oslo)

Heiner Bielefeldt ist seit Mai 2010 UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit bei den Vereinten Nationen. Beim World Humanist Congress 2011 unter dem Thema „Humanismus und Frieden“ referierte er am Samstag zum Themenkomplex „Die Rolle supranationaler Organisationen“. Der 53-jährige Theologe, Philosoph und Historiker ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und engagiert sich im interreligiösen Dialog.