BERLIN. (hpd). In Seoul wurde ein Büro der Vereinten Nationen eröffnet, um Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea fortlaufend dokumentieren zu können. Weiteres Thema: Aktivisten fordern eine Änderung der Politik gegenüber Nordkorea. Die Maßnahmen müssten dazu dienen, die Bevölkerung psychisch und physisch weiter vom Regime zu entfernen.
Büro der Vereinten Nationen in Seoul eröffnet
Ende Juni wurde in Seoul vom Hochkommissar für Menschenrechte der UN, Zeid Ra’ad Al Hussein, ein Büro eröffnet, um vor Ort die Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea weiter zu dokumentieren. Damit wurde einer Empfehlung des Abschlussberichts der UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Nordkorea gefolgt. Da in Südkorea mit knapp 30.000 Flüchtlingen die mit Abstand größte Gruppe von Exil-Nordkoreanern in Sicherheit lebt – die Zahl in China ist möglicherweise höher, aber dort sind die Menschen von Abschiebung nach Nordkorea bedroht – ist dieser Standort am besten geeignet, um weiterhin Zeugenaussagen zu sammeln. Die Transparenz der Arbeit der Untersuchungskommission soll beibehalten werden: Auf der offiziellen Website und sozialen Medien wie Facebook wird über die Arbeit informiert. Bei der Eröffnungszeremonie brachte Südkoreas Außenminister Yun Byung-se die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Zusammenarbeit mit der UN eines Tages dazu führen werde, dass auch der nordkoreanischen Bevölkerung Rechte wie Freiheit und Würde zuteilwerden.
Auf die Frage des internationalen Nachrichtenmagazin "The Diplomat", was die Einrichtung dieses Büros konkret bewirken könne, antwortete der Sprecher des Hochkommissariats für Menschenrechte, dass die Menschenrechtsprobleme in Nordkorea nicht über Nacht gelöst werden können, aber durch die neu geschaffene Institution weiter im Fokus der Aufmerksamkeit bleiben und nicht – wie in der Vergangenheit – ignoriert werden. Da Nordkorea inzwischen nicht nur von einzelnen Staaten, sondern – durch die UN – von der internationalen Gemeinschaft für die Verbrechen an der eigenen Bevölkerung kritisiert wird, habe sich der Druck auf das Regime merklich erhöht. Und für die Zukunft sei die fortlaufende Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen entscheidend, um eine Strafverfolgung der Verantwortlichen zu ermöglichen.
Jung Gwang-il, früherer Insasse des Lagers für politische Gefangene Nr. 15 („Yodok“) übergab dem Büro noch in der Woche der Eröffnung eine Liste von 180 Gefangenen dieses Lagers. Nordkorea gibt zwar die Existenz von "Orten" zu, in denen Menschen durch Arbeit umerzogen werden sollen ("Kyohwaso"), aber leugnet die Existenz von Lagern für politische Gefangene ("Kwanliso"), in denen allerdings nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen 80.000 bis 120.000 Insassen einsitzen.
Nordkorea hatte seit Beginn der Planungen gegen die Öffnung protestiert und das Büro als mögliches Angriffsziel benannt. Die Kritik an der desolaten Menschenrechtslage wird als Vorwand der USA zum Sturz des Regimes angesehen. Die Eröffnung sei eine "offene Kriegserklärung", und Südkorea werde "gnadenlos bestraft" werden. Das Büro werde nur dazu dienen, Falschaussagen von Überläufern zu sammeln. Von südkoreanischer Seite wurde die harsche Rhetorik bedauert und Nordkorea dazu aufgefordert, die Menschenrechtslage der Bevölkerung zu verbessern und nicht mit Drohungen zu reagieren. Am Tag der Eröffnung wurden zwei Südkoreaner in Nordkorea wegen des Verdachts der Spionage zu lebenslanger Haft im Arbeitslager verurteilt (Ausländer können anscheinend nicht umerzogen werden). Außerdem sagte Nordkorea seine Teilnahme an der Sommer-Universiade im südkoreanischen Gwangju ab, die nun im Juli ohne das Land stattgefunden hat. Allerdings gibt es Quellen innerhalb Nordkoreas, nach denen nicht der Protest gegen das UN-Büro, sondern die Angst vor MERS, einer schweren Atemwegserkrankung, die kürzlich in Südkorea ausgebrochen ist, zu der Absage geführt habe.
"Separierendes Engagement" als Strategie gegenüber Nordkorea?
In der vorherigen Ausgabe der "Notizen zu Nordkorea" stellten wir das Buch "North Korea Confidential" vor, in dem grundlegende Veränderungen innerhalb der nordkoreanischen Gesellschaft beschrieben werden. Die Gruppe der jungen Erwachsenen in Nordkorea wird oft als "Marktgeneration" bezeichnet, denn sie lebt im Prinzip in einer kapitalistischen Gesellschaft und hat ein funktionierendes staatliches Verteilungssystem nie kennengelernt.
Die Veränderung in der Mentalität vieler Nordkoreaner hat dazu geführt, dass sich viele physisch als auch psychisch – zumindest in einigen Provinzen – vom Regime entfernt haben. Der Exil-Nordkoreaner Jang Jin-sung betonte in einem Artikel für das europäische "Parliament Magazine", dass an diesem Punkt in der Politik gegenüber Nordkorea angesetzt werden müsse. Man müsse sich weg von einem "kritischen Engagement" hin zu einem "separierenden Engagement" bewegen, um die Kluft zwischen der nordkoreanischen Bevölkerung und dem Regime zu vergrößern, indem der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wird, ihr Leben unabhängig vom Regime zu gestalten.
Der Ansatz des "kritischen Engagements" der EU, also eines Engagements bei gleichzeitiger Kritik von Menschenrechtsverletzungen oder dem Kernwaffenprogramm, habe nicht viel verändert. Kleinere Verbesserungen stünden in keiner Relation zu den schweren Menschenrechtsverletzungen, die in Nordkorea bis heute begangen werden. Während der "Track-One"-Ansatz erfolgreicher war, durch den die internationale Aufmerksamkeit auf die Menschenrechtssituation in Nordkorea durch bilaterale Diplomatie und innerhalb internationalen Foren gelenkt wurde, könne die "Track-Two"-Strategie, die Beeinflussung von Funktionären und Bürgern durch Projekte im Land, eher als gescheitert angesehen werden. Ein grundlegendes Problem besteht darin, dass ein Engagement, das vom Regime geduldet oder befördert wird, nicht zu einer Transformation führen kann. Denn das einzige Interesse der Führung liegt im Erhalt des Regimes und daher im Ausbau von Propaganda und Militärtechnologie. Hilfen könnte also im schlimmsten Fall sogar zum Regimeerhalt beitragen.