„Es ist ein deutlicher Schaden entstanden“

 

Im Feld der Diskriminierung hat sich schon viel verändert. Wo sind hier in Zukunft die Arbeitsfelder der HU?

Haupt: Das kann ich nur schwer abschätzen.


Beim Thema Trennung von Staat und Kirche: war die HU hier ähnlich erfolgreich wie bei ihrem Einsatz gegen die Diskriminierung?

Haupt: Nein, überhaupt nicht. Wir haben da praktisch keine Fortschritte erzielt. Das liegt vor allem an der Rechtsprechung würde ich sagen. In juristischer Hinsicht gab es keine Fortschritte. Das Bundesverfassungsgericht ist außerordentlich kirchenfreundlich, dezidiert kirchenfreundlich. Im Arbeitsrecht gibt es nun gerade zwar Korrekturen durch die europäischen Gerichte, aber bisher haben sich die Verfassungsrichter da sehr kirchenfreundlich gezeigt. Die historischen Staatsleistungen gibt es immer noch, ebenso wie die Bevorzugung der Kirchen in allen möglichen Gremien oder in Rundfunkräten. Ich habe in der letzten Woche gelesen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in der kommenden Woche eine große Konferenz zum Thema Energie der Zukunft veranstalten wird und sie hat explizit Kirchenvertreter eingeladen. Ich sehe im Moment da gar keinen Grund, warum die Kirchen da ein besonderes Mitspracherecht haben. Es ist aber ein Zeichen, dass die Kirchen überall immer ihre Finger mit drin haben. Das ist manchmal gar nicht schlecht, denn in Energiefragen sind sie neuerdings relativ fortschrittlich. Einen sachlichen Grund für die Einbeziehung in die Gremien existiert meiner Meinung nach aber nicht.


Wer oder was ist ursächlich dafür, dass es bei der Trennung von Staat und Kirche bisher nicht weitergegangen ist?

Haupt: Erstaunlich ist der fehlende Entwicklungsprozess zunächst deshalb, weil wir ja eine große Zahl Menschen ohne Zugehörigkeit zu einer der großen oder überhaupt einer Religionsgemeinschaft in Deutschland haben. Es gibt heute sehr viele konfessionsfreie Personen und damit sollte sich eigentlich der Druck erhöhen, damit die Politik deren Interessen auch berücksichtigt und nicht nur die Kircheninteressen. Das geht sehr langsam. Woran es liegt, weiß ich auch nicht. Ich finde keine Anhaltspunkte dafür.

Die Humanistische Union vertritt als Vereinigung für Bürgerrechte auch die Interessen von konfessionsfreien Menschen. Wirkt sich die wachsende Zahl von konfessionsfreien oder nichtreligiösen Menschen positiv für die Humanistische Union aus?

Haupt: Das glaube ich nicht. Wir machen zunächst immer sehr deutlich, dass wir keine religionsfeindlichen Tendenzen einnehmen wollen – anders als viele säkulare andere Organisationen vertreten wir ausdrücklich keine weltanschaulichen Positionen, sondern achten die Christen genauso wie die Nichtchristen. Das, wofür ich fechten würde, bezeichne ich nicht als materialistische Weltanschauung. Ich meine, dass wir die Menschen unabhängig von ihrer Weltanschauung alle gleich behandeln sollten. Und deswegen habe ich auch kein Verständnis dafür, dass religionsfeindliche Tendenzen in den säkularen Organisationen so stark vertreten sind.

Ist das ein Phänomen, das Sie mit Sorge beobachten?

Haupt: Ja. Insbesondere dann, wenn die Weltanschauungsgemeinschaften, welche auf diese Weise entstehen, also die atheistischen Weltanschauungsgemeinschaften, auch noch Staatsmittel in Anspruch nehmen wollten. Es fiele der Humanistischen Union in den Rücken, wenn Organisationen wie der HVD oder ähnliche Vereinigungen Staatsmittel empfangen wollen. Das finde ich eigentlich unerhört.


Geht es hier um finanzielle Mittel auf Basis einer Gleichbehandlung der durch die historischen Staatsleistungen privilegierten Kirchen, oder öffentliche Gelder, die aufgrund von freien Trägerschaften an solche Verbände ebenso gezahlt werden wie an viele andere kleine Vereine, etwa im Bereich der kulturellen Förderung?

Haupt: Die freien Trägerschaften sind nicht das Problem. Es geht um die Privilegierungen der Religionsgemeinschaften. Wenn man sich dagegen wehrt, finde es nicht richtig, wenn man diese Privilegien auch für sich zu gewinnen versucht. Denn dann kann man nicht mehr dagegen kämpfen.


Die Trennung von Staat und Kirche läuft schleppend voran. Was könnte man tun, um hier das Vorgehen effektiver zu machen?

Haupt: Wir müssen in unserer Öffentlichkeitsarbeit besser werden. Ich finde aber auch, dass wir hier schon relativ gut sind. Gerade in den letzten Jahren ist wohl eine gewisse Bewegung, vor allem im finanziellen Bereich jedenfalls, in den Köpfen vieler Menschen entstanden. Und es kann ja sein, ich mache das etwa an der Laizisten-Bewegung in der SPD und ähnlichen Formationen in anderen Parteien fest, dass ein Mentalitätswandel vielleicht nicht ganz ausgeschlossen bleibt.

Beim Thema Antidiskriminierung wollten Sie keinen Blick in die Zukunft wagen. Die Trennung von Staat und Kirche bleibt weiter auf der Agenda. Wie sieht es beim Arbeitsfeld Datenschutz aus? Hier hat sich ja einiges verändert. Ist das ein Feld, was in Zukunft eine noch größere Rolle spielt? Gerade mit Blick auf die neuen Medien?

Haupt: Von einer größeren Rolle würde ich nicht sprechen. Wir haben aber tatsächlich die Situation, dass wir uns nicht mehr so sehr gegen staatliche Eingriffe in die Informationsfreiheit der privaten Bürger wehren müssen. Noch mehr müssen wir uns insgesamt gegenüber der globalisierten Welt auf Eingriffe der verschiedensten Arten einstellen. Dadurch ändert sich der Fokus. Die Internationalisierung der Datensammeleinrichtungen und des Datenmissbrauchs machen es viel schwieriger, sich dagegen zu wenden. Die Vorfälle haben keine oder nur kaum noch eine nationale Komponente. Hier sind internationale Aspekte stark im Vordergrund. Da wird es die HU schwer haben, sich international zu Wort zu melden. Hier haben wir vielleicht die Grenze unserer Leistungsfähigkeit erreicht. Und es gibt auch andere internationale Organisationen, die da mehr Sachverstand im Bereich der Informationstechnologie haben und näher dran sind. Das ändert aber nichts daran, dass wir weiterhin stark engagiert sind und bleiben, um auch andere Organisationen nach Kräften zu unterstützen.

Herr Haupt, herzlichen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Arik Platzek.