FRANKFURT. (hpd) Der Bericht über eine Lesung mit Text, Bild und Musik über den NS-Generalgouverneur in Krakau fällt in eine Zeit, in der das Gewaltpotential in Deutschland am rechten politischen Rand wieder deutlich geworden ist.
Nicht nur die Morde und Raubüberfälle der „NSU“, auch die jetzt vorgestellten Ergebnisse der Langzeitstudie einer Bielefelder Soziologengruppe um Wilhelm Heitmeyer über „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (unter dem Titel „Deutsche Zustände“ bei Suhrkamp erschienen) belegen, dass das Protest- und Gewaltpotenzial auf der rechten Seite des politischen Spektrums größer geworden ist.
Die Ursachen dafür sind, wie schon in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 ff., die wachsende soziale Unsicherheit und Kälte, die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich, die Spaltungs- und Entsolidarisierungsprozesse in allen Bereichen der Gesellschaft – und ihre „falsche“ Verarbeitung bei denjenigen, die bereits ethnische Vorurteile haben bzw. anfällig sind für fremdenfeindliche und rassistische Propaganda.
Rechtspopulistische Denkmuster sind bereits bis weit in die „Mitte“ der Gesellschaft hinein vorgedrungen, wie der Erfolg des Bestsellers von Thilo Sarrazin über das „Türkengen“ und die „Kopftuchmädchen“ und die Verbreitung islamophober Internetseiten wie „Politically Incorrect“ beweisen.
In dieser Situation erscheint es geboten, sich immer wieder auch mit dem historischen Faschismus auseinanderzusetzen, um zu verstehen und darüber aufzuklären, wie er an die Macht kommen und sie bis zum bitteren Ende aufrecht erhalten konnte. Besonders über die „Machtergreifung“ Hitlers herrschen traditionell falsche Vorstellungen, die weder im Schulunterricht korrigiert werden noch durch die zum Teil inflationären Dokumentationen über die Nazizeit im Fernsehen.
Allein die Tatsache, dass die NSDAP im Januar 1933 gerade einmal über ein Drittel der Wählerstimmen und der Abgeordnetensitze im Reichstag verfügte, wird von den wenigsten gewusst. Sie müssten sich sonst fragen, welche gesellschaftlichen Kräfte es denn waren, die Hitler die Kanzlerschaft und den Nazis die Errichtung ihrer Diktatur ermöglicht haben.
Exemplarische Aufklärung
Bei der Veranstaltung, über die hier berichtet wird, ging es nicht um diese Fragen. Sie hatte ein spezifisches, eingegrenztes Thema, an dem aber viel über den Ungeist und die Herrschaftsmethoden des Nationalsozialismus deutlich wurde: Die Besetzung Polens durch deutsche Truppen im Zweiten Weltkrieg und das verbrecherische Hausen des von Hitler eingesetzten Generalgouverneurs Hans Frank, der mit Recht als „Schlächter von Krakau“ bezeichnet wurde.
Es handelte sich um eine Lesung aus dem 2010 im Christoph-Links-Verlag Berlin erschienenen Buch von Dieter Schenk: „Krakauer Burg. Die Machtzentrale des Generalgouverneurs Hans Frank 1939-1945“. Musikalisch begleitet wurde die Lesung von den Kontrabassisten Vitold Rek mit eigenen Kompositionen. Sie fand am 9. Dezember 2011 im Frankfurter Club Voltaire statt. Veranstalter waren die Humanistische Union Frankfurt a. M. und die KunstGesellschaft, ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 30 Jahren mit dem Verhältnis von Kunst und Gesellschaft befasst. Sachkundig und einfühlsam moderiert wurde die Veranstaltung von Peter Menne.
Dieter Schenk ist als Autor kein Unbekannter. Seit er Ende der 80er Jahre seine Stelle als Kriminaldirektor im Bundeskriminalamt aufgab, schreibt er Bücher zu brisanten Themen. So als erster über die „braunen Wurzeln des BKA“, dessen Gründer und leitende Mitarbeiter in der Nachkriegszeit ehemalige Nazis waren, die sich zum Teil selbst an Kriegsverbrechen beteiligt hatten. Über die Naziherrschaft in Polen veröffentlichte Schenk mehrere Bücher, darunter 2006 im Fischer-Verlag: „Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur“. Dieter Schenk ist Honorarprofessor an der Universität Lodz. 2003 erhielt er den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union für sein publizistisches Wirken.
Die als „Konzertlesung“ angekündigte Veranstaltung hielt, was die Bezeichnung versprach. Keinesfalls war die Musik nur eine Beigabe zur Vorstellung des Buches. Dieter Schenk und Vitold Rek haben für die Lesung eine Form gefunden, die an ein klassisches dreisätziges Musikstück erinnert.