Im ersten Teil wurden unkommentierte Bilder der Krakauer Burg, des Wawel, gezeigt, Zeichnungen seiner Architektur, Stadtpläne von Krakau und ihre Veränderung durch die Eindeutschung von Straßennamen, die historischen Kunstschätze und prunkvollen Säle des Sitzes der polnischen Könige. Vitold Rek begleitete die Bilderschau mit dunkel-melancholischen Akkorden.
Im Mittelteil las Dieter Schenk Passagen aus seinem Buch und erläuterte die einzelnen Bilder. Hier sah man die martialischen Appelle und hohlen Feiern der deutschen Okkupanten im Burghof, die Posen des Statthalters Frank, seine Vorliebe für kulturelle Zerstreuung, für die große Oper, um die Besatzer und ihre Frauen bei Laune zu halten.
Schenks Verdienst ist es, in der Figur von Hans Frank exemplarisch die normale Schizophrenie eines deutschen Kulturbürgers aufzuzeigen, der in seiner Freizeit Klavier und Schach spielt, Nietzsche liest, mit Künstlern wie Gerhart Hauptmann und Richard Strauß Umgang pflegt, und in seiner Dienstzeit Befehle gibt, die Hunderttausenden von Polen das Leben kosten und die Vernichtung der Juden vorantreiben. Frank sorgte dafür, dass ein großer Teil der polnischen Intelligenz liquidiert und für die übrige Bevölkerung das faschistische Motto verwirklicht wurde: „Slawen sind Sklaven“. Eine Million Zwangsarbeiter wurden ins „Reich“ deportiert.
Während Hans Frank in der Herrscherloge der Krakauer Oper zusammen mit festlich gekleideten deutschen Volksgenossen einem klassischen Ballett zuschaute, wurde nur eine Eisenbahnstunde entfernt in einem KZ das Morden fortgesetzt. Aber nicht nur als Schreibtischmörder war der „furchtbare Jurist“ Frank rastlos tätig, sondern auch als durch und durch korrupter und raffgieriger Sammler von Kunstwerken. Er und seine Frau bereicherten sich schamlos, nicht nur am Vermögen der verfolgten Juden. Das ging so weit, dass Franks Frau in den Ghettos erschien und mit dem falschen Versprechen von Schutz und Rettung Pelze und Schmuck für ein paar Zloty an sich raffte.
Wenn im mittleren Teil der Konzertlesung Reks Musik eher eine unterstützende, den Text ergänzende Funktion hatte, so änderte sich das im dritten Teil, in dem wieder nur eine rasche Abfolge von Bildern gezeigt wurde. Rek brachte dem Publikum den polnischen Widerstand nahe, indem er Volksmelodien aus seiner Heimat, Elemente jüdischer musikalischer Tradition und harte Rhythmen aus dem Jazz aufgriff und transformierte. Auch wenn die Teilnehmer die von ihm gesungenen polnischen Worte und Sätze nicht verstanden, verstanden sie doch deren Bedeutung.
Der Applaus für den alle bewegenden Abend, an dem in einer überraschenden Weise Text, Bild und Musik kombiniert worden waren, um Erkenntnis zu ermöglichen, war lang anhaltend und herzlich. In der anschließenden Diskussion wurde herausgestellt, dass solche plastischen und emotional wirksamen Darstellungen in den Schulbüchern und im Unterricht fehlen. Gerade angesichts des wachsenden Rechtsextremismus gelte es, die Nazi-Zeit nicht nur mit dürren Daten und Fakten und den Horrorbildern aus den KZs zu vermitteln, die eher zu Abwehrreaktionen führen.
Es ist zu wünschen, dass Dieter Schenks und Vitold Reks Konzertlesung, die zuerst im Dezember 2010 in Krakau stattfand, dort mitveranstaltet vom Deutschen Generalkonsulat, auch in anderen Städten ihr Publikum findet.
Reiner Diederich
Dieter Schenk, „Krakauer Burg : die Machtzentrale des Generalgouverneurs Hans Frank ; 1939 – 1945“, Berlin : Christoph-Links-Verlag, 1. Aufl., 2010, 206 S., ISBN 978-3-86153-575-1, 29,90 Euro