Marcus Bensmann in Düsseldorf

Folgt auf die Dämmerung der Tag oder die Nacht?

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Marcus Bensmann von "Correctiv" bei seinem Vortrag am Mittwoch in der Düsseldorfer Jazzschmiede. Auf dem dem Bild im Hintergrund ist AfD-Mann Maximilian Krah zu sehen.
Marcus Bensmann in Düsseldorf

Marcus Bensmann von der Recherche-Plattform Correctiv analysierte in Düsseldorf die Ziele und Methoden der AfD. Auf Einladung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!) zeichnete er ein bedrohliches Bild.

Wir alle erleben derzeit eine sehr unsichere außenpolitische Lage. Hinzu kommt: Es sind nur noch wenige Tage bis zu einer besonders wichtigen Bundestagswahl. Sich in dieser Situation einen Vortrag von Marcus Bensmann anzuhören, vermag die Stimmung kaum aufzuhellen. Der Senior-Reporter der Recherche-Plattform Correctiv fängt denn auch düster an, als er US-Präsident Donald Trump zitiert, der kurz zuvor den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als "Diktator ohne Wahlen" bezeichnet hatte. Bensmann sagt: "Man hat das Gefühl, sich in einer Dämmerung zu bewegen. Und wir wissen nicht, ob nach der Dämmerung der Tag oder die Nacht kommt." Aber das lasse sich noch steuern, fügt er hinzu: "Am Sonntag ist ein wichtiger Tag, an dem wir demokratisch sagen können, in welche Richtung wir unser Land führen."

Bensmann war maßgeblich beteiligt an der sogenannten Potsdam-Recherche, die 2024 das Treffen von AfD-Politikern mit rechtsextremen Aktivisten und Unternehmern und deren Pläne zur sogenannten Remigration öffentlich machte. Die Recherche mobilisierte vor einem Jahr bundesweit Millionen Menschen, auf die Straße zu gehen.

An diesem Abend referiert Bensmann auf Einladung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!) und des Bündnisses "Respekt und Mut" in der mit 150 Zuschauern voll besetzten Düsseldorfer Jazzschmiede. Unter dem Titel "Die Pläne der AfD. Niemand kann sagen, er habe es nicht gewusst" analysiert der Journalist und Autor 90 Minuten lang in Vortrag und Diskussion den Markenkern der AfD. Einer Partei, um die – so sieht er es – nicht von außen eine Brandmauer gebaut wurde. Die Partei habe sich mit ihren Werten selbst eingemauert. Bensmann sagt: "Keine Partei, die sich eine liberale Demokratie wünscht, kann diese Brandmauer überschreiten. Wenn sie es tut, stellt sie die liberale Demokratie infrage."

Diese drei Steine machen für Bensmann die von der AfD selbst errichtete Brandmauer aus: 1. Die völkische Idee. 2. Die Bestrebung, die Erinnerungskultur mit Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit verächtlich zu machen. 3. Die Hinwendung zum Osten, zu Russland.

Der erste Stein: Eine völkische Ideologie

Die Idee, dass das Eigene im Gegensatz zum Fremden ein "Unterpfand des Glücks" sei, so sagt es Bensmann mit einem Seitenblick auf die Sprache der Nationalhymne, sei ein Trugbild. Ein Trugbild, das die deutsche Rechte aber immer wieder male. Er führt diesen Gedanken unter anderem auf den 1985 gestorbenen Staatsrechtler Carl Schmitt zurück, der die antisemitischen Nürnberger Gesetze von 1935 eine "Verfassung der Freiheit" genannt hatte. Bensmann nennt Schmitt den "spitzfindigsten und kaltherzigsten Kronjuristen der Nazis" und zitiert die Vorlage, die Schmitt für das heutige Gedankengut der AfD gegeben habe, als er schon 1923 sagte: "Zur Demokratie gehört notwendig Homogenität, und nötigenfalls die Ausscheidung und Vernichtung des Heterogenen."

"Liberale Demokratie kann nicht zulassen, dass die liberale Demokratie über ihre Liberalität zerschossen wird."

Auch einer der identitätspolitischen Vordenker der Rechten und der AfD, Martin Sellner, beziehe sich auf die Homogenitätsidee von Carl Schmitt. Das Problem, dass die Neue Rechte mit der Nazizeit nicht in Verbindung gebracht werden will, löse man durch sprachliche Tricks, durch verbrämende Begriffe. Bensmann: "Ethnokulturelle Identität klingt besser als Reinrassigkeit. Remigration klingt besser als Abschiebung im großen Stil." Ein lateinischer Begriff im Übrigen, der, wie von der Rechten geplant, längst Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden habe. Dabei sei der dahinter stehende Gedanke: "Die Remigration nicht assimilierter Staatsbürger soll über über Anpassungsdruck und maßgeschneiderte Gesetze bewerkstelligt werden." Bensmann sagt: "Im Begriff 'Remigration' sitzen die Dämonen der völkischen Ideologie."

Der zweite Stein: Verhöhnung der Erinnerungskultur

Bensmann erinnert unter anderem daran, dass AfD-Mann Björn Höcke das Holocaust-Mahnmal als Denkmal der Schande bezeichnet hatte und analysiert: "Die völkische Idee, den Erhalt der ethnokulturellen Identität und die dafür erforderlichen Maßnahmen kann man nur durchsetzen, wenn man die Erinnerungskultur verschwinden lässt. Und wenn die Menschen nicht mehr an die Verbrechen der Zeit erinnert werden, in denen diese völkischen Politiker und Ideologen an der Macht waren." Bensmann gerät ein wenig in Rage, wenn er über die mediale Reaktion auf eine besonders bizarre Äußerung von AfD-Chefin Alice Weidel spricht. Diese hatte kürzlich im Gespräch mit Elon Musk behauptet, Hitler sei Kommunist gewesen. Darüber sei doch tatsächlich lang und breit diskutiert worden. Dabei wäre die einzig angebrachte Reaktion, so Bensmann, doch gewesen: "Hitler war ein völkischer Ideologe. Eben diese völkische Ideologie findet sich in der AfD. Das verbindet beide. Punkt."

Der dritte Stein: Die Hinwendung zu Russland

Bensmann bezeichnet die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht als Büchsenspanner Russlands. "In Russland und China gelten die universellen Menschenrechte nicht. Wenn man sich in einem gesellschaftlichen Umfeld zu Russland und China bewegt, dann kann man in letzter Konsequenz auch Vertreibung durchsetzen." Dabei blieben liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit auf der Strecke. Die Gefahr sei gegenwärtig besonders groß: "Die USA als der wichtigste Partner, der bislang die freie Demokratie und Wohlstand garantiert hat, zieht sich zurück, wechselt aus dem demokratischen in das autoritäre Lager. Gleichzeitig greift Russland nach Europa. Wir in Europa sind nicht die Mediatoren, wir sind die Beute", warnt Bensmann. Russland wolle die Dominanz über Europa herstellen. Und überraschend bringt er ein Uralt-Zitat des früheren CDU-Bundeskanzlers Konrad Adenauer, das höchst aktuell erscheint: "Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit."

Foto: © Eva Creutz
Marcus Bensmann von "Correctiv" bei seinem Vortrag am Mittwoch in der Düsseldorfer Jazzschmiede. Auf dem Bild ist eine Fotomontage zu sehen, die einen Bruderkuss von Wladimir Putin und AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla zeigen soll. Foto: © Eva Creutz

Wie aber soll man reagieren auf die sich verändernde Weltlage und die Bedrohung im Inneren? Bensmann sieht eine immer größer werdende Beeinflussung durch Soziale Netzwerke. Die von Rechtsextremen geschickt genutzte chinesische Plattform Tik Tok sei das Fenster in das Gehirn der Jugendlichen. Auf der anderen Seite bestimme Elon Musk mit der Plattform X den Informationsraum. Europa müsse sich mit einem eigenen Informations- und Technologieraum, mit selbst gesetzten Regeln, unabhängig machen.

Der Philosoph Karl Popper hat früher einmal vor falsch verstandener Toleranz gewarnt, als er sagte: "Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen." Bensmann sagt es knapper: "Liberale Demokratie kann nicht zulassen, dass die liberale Demokratie über ihre Liberalität zerschossen wird." Und er mahnt zum Schluss: "Wir haben nicht mehr viel Zeit. Die Demokratie will verteidigt werden, denn es geht um uns. Wir sind nicht die Zuschauer im Sessel. Wir nehmen daran teil."„"

Der Vortrag wurde aufgezeichnet und findet sich im YouTube-Kanal des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes.

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