SCHWERIN. (hpd) In Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Schülerzahlen in den letzten 15 Jahren mehr als halbiert. Die privaten Schulen verzeichneten hingegen ein teils zweistelliges Wachstum. Trotz regelmäßiger Zusatzkosten besucht dort nun bereits fast jedes zehnte Kind eine private Schule. Die Kirchen sind hier ganz vorne mit dabei.
Aber nicht nur in diesem Bereich zeigen sich bemerkenswerte Verhältnisse.
Insgesamt sind es im letzten Jahr 12.773 Schülerinnen und Schüler gewesen, die in Mecklenburg-Vorpommern eine Schule in freier Trägerschaft besuchten, also rund 9,6 Prozent aller Schulbesucher. Das ist ein neuer Rekordwert für eine Gegend, die außer besorgniserregenden Wahlergebnissen für die NPD und hohe Arbeitslosenzahlen nur eher selten mit positiven Rekordwerten punkten konnte.
Insgesamt 74 Schulen in freier Trägerschaft stehen dafür derzeit 495 öffentlichen Schulen gegenüber, mehrheitlich im Bereich der Grund- und Gesamtschulen. Damit haben sich die Verhältnisse im Vergleich zu Bayern durchaus passabel angeglichen: Während sich dort im letzten Jahr rund 13 Prozent aller allgemeinbildenden Schulen in privater Hand befanden, sind es in der Region zwischen Ostsee und Brandenburg sogar 15 Prozent. Nur im Verhältnis der Schülerzahlen gibt es hier noch einen leichten Rückstand, denn in Bayern liegt der Anteil bei etwas über 11 Prozent.
Zu den Ursachen für Erfolgsmeldungen zu solchen Wachstumsmarken gehört unter anderem die Tatsache, dass es in den neuen Bundesländern bis 1990 keine solchen Schulen gegeben hat. Erst seit das im deutschen Grundgesetz verankerte Recht zur Errichtung von privaten Schulen auch dort galt, waren Gründungen möglich. Ein Motiv dahinter: Die Gleichschaltung der Bildung – wie in den Jahren der Nazi-Diktatur – zu verhindern und den Wettbewerb pädagogischer Konzepte zu fördern.
Elterninitiativen in Mecklenburg-Vorpommern machten gern von diesem Grundrecht Gebrauch. Die taz berichtete ausführlicher über Beweggründe und Widrigkeiten entsprechender Vereine – nicht ohne zugleich an die Bedingungen für den Betrieb solcher Schulen zu erinnern: Denn die Lehrziele und die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte dürfen laut Gesetz nicht hinter denen öffentlicher Schulen zurückstehen – und staatliche Lehrziele religiöser Natur gibt es hier, anders als etwa in der alten Bundesrepublik, seit langem nicht mehr.
Deshalb liegt dort eine im Vergleich zu den alten Bundesländern eigentlich ganz andere Ausgangssituation vor, die im Rahmen der Vorgaben für freie Trägerschaften aber offenbar nicht richtig politisch reflektiert wurde. Denn zur Menge der Schulen in freier Trägerschaft gehören zum einen ganz mehrheitlich reformpädagogisch orientierte Schulen. Der größte Anteil privater Schulen wird allerdings auch hier durch evangelische wie auch katholische Organisationen betrieben: Und für diese gelten offenbar Maßstäbe, wie sie in einigen alten Bundesländern früher existierten oder teilweise noch heute angelegt werden.
Allein die Evangelische Schulstiftung weist in Mecklenburg und Vorpommern 17 Schulen aus, die mit Hilfe der Stiftung seit der deutschen Wiedervereinigung entstanden sind und gefördert werden. Gut die Hälfte aller privaten Schulen im Land befindet sich in kirchlicher Hand.
„Die Schulen sind einer guten Bildung verpflichtet und haben eine klare Ausrichtung aufs Evangelium und auf ein christliches Menschenbild", sagt Helmut Hanisch, Vorsitzender der Stiftung, gegenüber der Schweriner Volkszeitung. Nicht einmal jeder zweite Schüler sei hier getauft, heißt es weiter. Gottesdienste, Andachten und das Tischgebet vor dem Essen gehören selbstverständlich zu den Ritualen des schulischen Alltags.
Gegenüber Eltern wird nicht nur mit verhältnismäßig niedrigen Zusatzkosten, sondern auch unter anderem mit einer Studie geworben, die privaten Schulen mit konfessioneller Bindung 2005 eine bessere Qualität bescheinigen wollte. Drei Säulen der pädagogischen Arbeit wurden damals genannt. Neben der Qualifikation und Sozialerziehung hieß es: „Konfessionelle Schulen haben in einer Zeit allgemein zunehmender ‚Entkirchlichung‘ den Anspruch, einen Ort zu verkörpern, der den Glauben stärkt.“ Deutlicher lässt sich kaum werden. Der damalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, bezeichnete die Aussagen der Untersuchung dann auch als ermutigend. Dass über Schulgeld und religiöse Ausrichtung eine soziale Selektion von Bildungsschwächeren erfolgt, wird dabei tunlichst verschwiegen.