Zusätzlich zu den Schulen in kirchlicher Trägerschaft in Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch drei Waldorfschulen. Hinter den Waldorfschulen steckt ein pädagogischer Ansatz, der auf dem Esoteriker und Anthroposophie-Erfinder Rudolf Steiner fußt. Die Zeitschrift Skeptiker der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) unterzog die Pädagogik der Waldorfschulen zuletzt in der Ausgabe 4/2011 einer gründlicheren Analyse. In der Bilanz blieb kein Mythos heil, der dem vermeintlichen Gottvater einer besseren und kindgerechteren Pädagogik mitunter zugeschrieben wird. Fast 1.000 Schülerinnen und Schüler besuchen in Mecklenburg-Vorpommern die Waldorfschulen, vor deren pädagogischen Ansätzen auch die GWUP zu warnen versucht.
Insgesamt können die freien Schulen dort aber schließlich durchaus optimistisch in die Zukunft schauen, denn nach dem rapiden Rückgang der Schülerzahlen um deutlich mehr als die Hälfte in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten ist in den nächsten Jahren wieder mit einem leichten Wachstum der Zahl schulpflichtiger Kinder zu rechnen, das für etwa fünf Jahre andauern soll. Während nach 2017 die Gesamtschülerzahl noch einmal deutlich abnehmen soll, prognostizierte der Bildungsbericht für die Schulen in freier Trägerschaft auch langfristig einen konstanten Wert.
Doch ob nun Evangelien, Katechismen oder die anthroposophischen Lehren des Rudolf Steiners: Der wissenschaftliche, öffentliche und gesellschaftliche Blick auf in den jeweiligen Texten enthaltene Ideen und Moralkonzepte hat sich seit Schaffung des Grundrechts und der Bedingungen für die Errichtung privater Schulen deutlich verändert. So richtig angekommen in der Bildungspolitik Mecklenburg-Vorpommerns sind diese Tatsachen aber offenbar nicht wirklich, wie die gewachsenen Verhältnisse bei den privaten Schulen in einem Land zeigen.
Während das bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen die Ehrfurcht vor einem Gott noch heute als das oberste Bildungsziel nennt, kannte das Schulgesetz in Mecklenburg-Vorpommern solche Vorgaben nie. Trotzdem legen die Wachstumszahlen bei den freien Schulen ziemlich unmissverständlich den Schluss nahe, dass die Vermittlung von Götter- und Bibelglaube politisch immer wieder auf eine Höhe mit den Lehrzielen für die öffentlichen Schulen gestellt wurde, deren Grundsätze von einem humanistischen und säkularen Ethos geprägt sind.
Somit konnten die freien Schulen in dreierlei Hinsicht ein Wachstum gegen den Trend durchsetzen: Zum einen gegen den drastischen Rückgang der Schülerzahlen – wobei allerdings manch freie Schule genau deshalb entstand, wie auch der Bericht der taz aufzeigte. Zum anderen konnten sie sich gegenüber der gesetzlichen Vorgabe durchsetzen, nach der die Lehrziele nicht hinter denen der öffentlichen Schulen – bei denen in Mecklenburg-Vorpommern anders als in diversen alten Bundesländern kein Auftrag religiöser Orientierung mehr existiert – zurückstehen dürfen. Schließlich schafften insbesondere die konfessionell ausgerichteten Schulen es offenbar sehr überzeugend, sich gegenüber einer ganz überwiegend konfessionsfreien Bevölkerung zu präsentieren.
Nicht nur im Rahmen der freien Trägerschaft haben sich so insbesondere die evangelische und die katholische Kirche in Mecklenburg-Vorpommern im Bildungsbereich durchaus erfolgreich verwirklicht. Unangetastet blieb bis heute auch die Praxis, wie der Religionsunterricht in die Schulen kommt. Das Schulgesetz des Landes sieht hier weiterhin vor, dass sich Eltern bzw. die Schüler vom Religionsunterricht abmelden müssen, um an einem Ersatzunterricht teilzunehmen. Und eine Reform hin zu einem integrativen und allgemeinverbindlichen Werte- und Orientierungsunterricht nach Berliner Vorbild, bei dem Religionsunterricht zum freiwilligen Fach wird, steht nicht in Aussicht.
Eine Initiative, welche die Einführung eines nach Brandenburger Vorbild gestalteten Fachs Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde anstrebte, blieb bis heute vollkommen erfolglos. Nicht nur, weil es bei der Landes-CDU ungewollt ist. Auch Vorstöße durch einzelne Parlamentarier innerhalb der regierenden SPD trafen auf taube Ohren oder sogar offene Distanzierungen bei den Parteigenossen.
Das Ergebnis der Politik kann sich schließlich auch hier sehen lassen, jedenfalls aus evangelischer und katholischer Perspektive. Denn weiterhin ist auch die Quote der Schülerinnen und Schüler, die in Mecklenburg-Vorpommerns Schulen den Religionsunterricht besuchen, rund doppelt so hoch wie der Anteil in den Kirchen gebundener Menschen.
Arik Platzek