100 Tage Anlaufstelle

BERLIN. (hpd) Seit einhundert Tagen gibt es nun die “Berliner Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder”. Da wird es Zeit für ein Resümee. Nicht nur deshalb trafen sich am gestrigen Dienstag ehemalige Heimkinder und Mitarbeiter der Anlaufstelle.

Die Atmosphäre in dem kleinen Beratungsraum war gespannt. Es gab von Seiten der ehemaligen Heimkinder Vorwürfe wegen der als schleppend empfundenen Auszahlungen aus dem Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975" (Fonds Heimerziehung West). Eine aus Sicht der ehemaligen Heimkinder mehr als verständliche Wut entlud sich gegenüber den sich um Ausgleich bemühenden Mitarbeitern der Anlaufstelle.

Der gerade eingestellte kommissarische Geschäftsführer der Trägergesellschaft, Dr. Herbert Scherer, stimmte einigen der Vorwürfe zu, wies jedoch mehrfach darauf hin, dass die von den ehemaligen Heimkindern als “Almosen” verstandenen Zahlungen aus dem Fonds von der Anlaufstelle nur verwaltet werden. “Der berechtigte Zorn sollte nicht gegen die Mitarbeiter der Anlaufstelle gehen,” so Dr. Scherer, “die nicht mehr machen können, als diese Almosen auszugeben.”

Träger der Anlaufstelle in Berlin ist die GskA - eine als GmbH geführte Gesellschaft. Diese Konstellation ist deutschlandweit einmalig. In allen anderen Bundesländern sind es die Landkreise oder Städte, die als Träger der Anlaufstellen Ansprechpartner der Betroffenen sind.

Es zeigte sich in der hitzig geführten Diskussion überdeutlich, dass einige der ehemaligen Heimkinder noch immer nicht verstanden haben, dass die Zahlungen aus dem Fonds keine Entschädigungen sind. Zwar geistert dieses Wort im Zusammenhang mit dem Fonds häufiger durch die Medien; ist nichtsdestotrotz aber falsch.

Der Fonds Heimerziehung West wurde vom Bund, den Ländern und den Kirchen vor allem deshalb eingerichtet, um den Betroffenen Hilfe zu leisten bei der Bewältigung und Behandlung von psychischen und physischen Schäden, die nachweislich auf die Heimzeit zurückzuführen sind. Es ist das ausdrücklich keine Entschädigung für das erlittene Unrecht. Umso unverständlicher wurde es von den ehemaligen Heimkindern aufgenommen, dass von ihnen eine “Verzichtserklärung” unterschrieben werden sollte, die weitere Ansprüche ausschließt. Das hatte der Bundestag anders entschieden. Hierzu wurde allerdings während des Gespräches eine Regelung in Aussicht gestellt, die einen Anrechnungsverzicht im Sinne der Heimkinder beinhaltet.

Umstritten ist auch, dass die Leistungen aus dem Fonds auf andere sozialen Sicherungssystemen angerechnet werden müssen. Hier scheint eine Regelung im Sinne der ehemaligen Heimkinder in Sicht zu sein.

Der Fonds sieht für jeden Antrag stellenden Betroffenen maximal 10.000 Euro vor, eine Erhöhung wird mit begründeten Einzelantrag in Aussicht gestellt. Die Auszahlung der Summe ist jedoch an einen Nachweis gebunden.

Speziell für die Berliner Anlaufstelle konnte gestern mitgeteilt werden, dass diese kurzfristig über eine Summe in Höhe von 30.000 Euro verfügen wird, aus der sie Sachleistungen der Antragsteller begleichen kann, die diese als Soforthilfe erhalten und nicht ausführlich begründen müssen.

Bisher jedoch - so bestätigte ein Mitarbeiter der Anlauf- und Beratungsstelle - sei in Berlin noch kein Cent an ein ehemaliges Heimkind geflossen.

F.N.