Märchenstunde des Berliner Bischofs

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Geld / Fotografie Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge hat gefordert, die Diskussion um die Staatsleistungen zu versachlichen und die sozialen und kulturellen Finanzleistungen der Kirche anzuerkennen. Anscheinend weiß er aber nicht, wovon er spricht und auf was er sich bezieht.

Ein Kommentar von Carsten Frerk

Bischof Markus Dröge soll die Versachlichung der Diskussion um die Staatsleistungen gefordert haben. Recht hat er, denn die Fortführung der kirchlichen Alimentierung des feudalen Staatskirchentums hat für eine demokratische Gesellschaft keinerlei Bedeutung und Notwendigkeit mehr. Das kann und sollte man sachbezogen diskutieren.

Diesen Sachbezug wählt er jedoch nicht. Im Gegenteil, er wehrt jede Frage nach einer Reduzierung der staatlichen Kirchenfinanzierung ab und verweist auf die Bedeutung und den vorgeblichen finanziellen Beitrag der Kirche für die Kultur in Deutschland, die ein Mehrfaches der Staatsleistungen ausmache: Das kirchliche Engagement für die Kultur in Deutschland habe ein Volumen von jährlich 3,5 bis 4,8 Milliarden Euro.

Bezug und Legitimation für diese Darstellung ist ihm eine Rede und die Darstellung des „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“, Bernd Neumann.

In einer Rede hatte „Kulturstaatsminister“ Bernd Neumann anlässlich der Eröffnung des ersten Kirchen-Kulturkongresses der EKD am 15.09.2011 in der St. Elisabeth-Kirche in Berlin-Mitte u.a. gesagt:

„Spätestens seit dem Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages dürfte Allgemeingut sein, dass die Kirchen in Deutschland – neben Bund Ländern und Kommunen – zu den maßgeblichen Kulturträgern unseres Landes gehören. […]
Im Kirchengutachten von 2005, das das „Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen“ im Auftrag der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages erstellt hat, wird errechnet, dass beide Kirchen in Deutschland jährlich 3,5 bis 4,8 Mrd. Euro für Kultur aufbringen – so viel also wie jeweils alle Länder oder alle Kommunen zusammen. Ich gebe gerne zu, ich war selbst überrascht, als ich zum ersten Mal von diesen Zahlen hörte – und selbst in kirchlichen Kreisen lösen diese Zahlen Erstaunen aus, wenn ich sie bei Gelegenheit anführe.“

Recht hat er, mit seinem Erstaunen. Aber das hat leider nicht seine Skepsis geweckt, einmal genauer nachzuschauen, auf was für ein Gutachten er sich da bezieht. Es ist von der Qualität seines Inhaltes und seiner angeblichen Berechnungen her noch nicht einmal das Papier wert, auf dem es gedruckt wurde.

Neumann hatte auch bereits vorher bei der Verleihung des Preises zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland die Kirchen mit der gleichen Begründung als „zentrale kulturpolitische Akteure“ bezeichnet. (Kommentar dazu: „Lügen haben lange Wirkung“)

Dem alles zugrunde liegt eine von den Kirchen angeregte „Enquete-Kommission Kultur“, die in der 15. und 16. Legislaturperiode tagte und den Zweck hatte, die Kirchen besser zu positionieren und zu finanzieren.

Den Abschlussbericht der „Enquete-Kommission Kultur“ gibt es natürlich immer noch, als normale Bundestagsdrucksache abrufbar. Und schon im Inhaltsverzeichnis wird deutlich, wer da mitgeschrieben hat. In Kapitel 3.2.1. geht es um: Die kulturelle Tätigkeit der Kirchen. Die Forderungen lauten: 1. Kulturellen Beitrag der Kirchen in Kulturstatistik darstellen, 2. Im Verwertungsrecht Gesamtverträge der Kirchen beibehalten, 3. Stiftungsrecht verbessern, 4. Kirchliche Belange im Gemeinnützigkeitsrecht berücksichtigen, 5. Ermäßigte Umsatzsteuer für Denkmalschutz an Sakralbauten einführen, 6. Ermäßigte Umsatzsteuer für Gegenstände der Sakralkunst beibehalten, 7. Ausbildung von Kantoren und Kirchenmusikern fördern, 8. Sicherheit von touristisch genutzten Sakralbauten verbessern, und 9. Förderprogramm für historische Orgeln auflegen.

Das alledem zugrunde liegende Gutachten „Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften zur Kultur in Deutschland, (Kirchengutachten) von Prof. Matthias Theodor Vogt (Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen). (Kommissionsdrucksache 15/414b)" ist nicht mehr so einfach auffindbar, da es in das Archiv des Bundestages verschoben wurde und dort zwar nicht einfach, aber noch zu finden ist.

Es ist, und das muss hiermit noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden, ein solcher Armutsbeweis von Gefälligkeitsgutachten, das es zu Recht so gut wie von der Bildfläche verschwunden ist. Das allerdings hat auch den Nachteil, dass man sich nicht mehr ganz so einfach darüber informieren kann, was für ein Unsinn in diesem Text steht. Der Gipfelpunkt ist in der Zusammenfassung (s. 250) der Punkt 10, in dem es heißt: „Es würde sich daher anbieten, vom Primat der Kirchen bei den Kulturfinanzen auszugehen und den bisherigen Beauftragten für Kultur und Medien aufzuwerten zu einem Bundesminister für Kultur- und Kirchenangelegenheiten nach tschechischem Vorbild.“

(Na ja, die Umformung des „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“ in den „Kulturstaatsminister“ entspricht dem schon weitgehend, und die kirchlichen Interessen vertritt er inhaltlich.)

In zwei Artikeln war das bereits im Dezember 2007 ausführlich kommentiert worden (Die 4,4 Mrd. Euro - Peinlichkeit ,Teil 1 und Teil 2) ebenso wie damals über die Veröffentlichungspolitik der „Enquete-Kommission“ bereits berichtet worden war. (Der 4,4 Milliarden Euro Coup).

Aber, was macht Staatsminister Neumann? Er zitiert wiederholt ungeniert daraus und verbreitet damit wissentlich oder unwissentlich schlecht Zusammengefummeltes, unbegründet Geschätztes und frei Phantasiertes.

Etwas Dümmeres hätte dem Berliner evangelischen Bischof gar nicht einfallen können, um seinen respektablen Standpunkt einer Versachlichung der Diskussion zu begründen. Allerdings zeigt vielleicht gerade das die Brüchigkeit und Hilfslosigkeit in der Begründung eines Anspruchs auf Staatsleistungen, wenn zu solchem dubiosen Gutachten zurückgegriffen wird.