Eine Studie zum religiösen Glauben in Österreich

"Irgendwas Höheres wird's schon geben"

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Immer weniger Menschen in Österreich fühlen sich einer traditionellen Religion verbunden, vor allem der katholische Glaube verliert zusehends an Bedeutung. Trotzdem herrscht im Land eine "grundsätzliche Religionsfreudigkeit", wie es Patrick Rohs formuliert. Der Theologe ist Co-Autor einer Studie. Die ersten, jetzt veröffentlichten Ergebnisse bestätigen Tendenzen, wie sie in vielen westlichen Nationen zu beobachten sind und schärfen den Blick auf neuere Formen von Religiosität und Spiritualität. Damit liefert sie vielversprechende Impulse für das Verständnis von Weltanschauungen im Wandel.

Die Untersuchung ist Teil eines Projekts mit dem Titel "Was glaubt Österreich?", das die Wiener Uni gemeinsam mit der Rundfunkanstalt ORF durchführt. Beteiligt sind neben Patrick Rohs auch seine Fachkollegin Regina Polak sowie die Religionswissenschaftlerin Astrid Mattes-Zippenfenig. Grundlage bildet eine qualitativen Vorstudie mit 1.261 Befragten. Auf diese Weise ermittelten die Wissenschaftler Themenbereiche, die noch nicht im Fokus der Forschung standen, obgleich sie in der Bevölkerung eine Rolle spielen. Die Resultate flossen in die Konzeption der jetzt veröffentlichten Studie ein.

Diese beruht auf einer repräsentativen Befragung unter 2.160 Personen zwischen 14 und 75 Jahren mit Wohnsitz in Österreich. Darin bezeichnen sich nur 27 Prozent der Befragten als "religiös", hingegen 48 Prozent als nicht religiös. Als spirituell sehen sich knapp 24 Prozent, während 41 Prozent dies für sich ablehnen. Etwa 11 Prozent geben an, sowohl religiös als auch spirituell zu sein; fast 29 Prozent sind nach eigener Aussage keins von beidem.

Deutlich weiter verbreitet ist der Glaube an den Einfluss des "Schicksals" oder des "Universums", von den Forschern "religioide Versatzstücke" genannt. So bekennen sich 38 Prozent der Befragten zum Glauben an ein vorherbestimmtes Schicksal. Jeweils 37 Prozent sind überzeugt von der "Kraft des Universums" und daran, dass "alles mit allem verbunden" sei. Diese Vorstellungen zeigen sich bei religiösen und nicht religiösen Personen gleichermaßen. Allerdings glauben Muslime und Katholiken eher an das Schicksal, als es Protestanten, Atheisten und Agnostiker tun.

Nur: Was genau verstehen die Befragten unter so diffusen Begriffen wie "Schicksal" oder "Universum"? Solche Fragen möchte das Forschungsteam bis zur Veröffentlichung der Endergebnisse im Januar 2025 klären. Wie Patrick Rohs vermutet, sind sie möglicherweise an die Stelle anderer, klassisch religiöser Begriffe getreten.

Fest steht, dass viele Schicksalsgläubige sich dieses als positive Macht vorstellen. 41 Prozent von ihnen gehen davon aus, dass das Schicksal "einen guten Plan für mich hat", weitere 36 Prozent glauben dies teilweise. Nur eine Minderheit von 15 Prozent in dieser Gruppe fühlt sich von der Vorstellung belastet, dass sie an ihrem Schicksal nichts ändern könnten.

Logisch konsistent sind solche Weltbilder freilich nicht, wie Rohs erläutert. Ein Widerspruch ergebe sich "etwa, wenn Menschen angeben, an Schicksal zu glauben, und gleichzeitig davon überzeugt sind, ihr Leben selbst und frei steuern und bestimmen zu können." Dennoch nehmen Menschen solche Ungereimtheiten offenbar in Kauf, ohne das Gesamtbild in Frage zu stellen.

Geglaubt wird, was man als hilfreich erlebt. Und das können je nach individueller Situation Elemente aus ganz verschiedenen Traditionen sein. Vergleichbares gilt für das Ausprobieren von Ritualen aus Brauchtum und Esoterik, wie Räuchern, Horoskope oder das Absenden von "Wünschen ans Universum". Nach der Lesart von Patrick Rohs wählten Menschen im religiösen Kontext aus, was ihnen nützlich erscheine. Kritisch stünden sie dagegen Dingen gegenüber, "die sie vielleicht auch eher fordern und beanspruchen, die ihnen möglicherweise gar nicht unmittelbar nutzen".

Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass lediglich 22 Prozent an "einen Gott oder eine göttliche Wirklichkeit" glauben. Ebenso viele lehnen solche Transzendenzvorstellungen komplett ab. Die größte Gruppe (fast 36 Prozent) glauben an "ein höheres Wesen, eine höhere Energie oder geistige Macht", was immer damit auch gemeint ist. Diese Differenzierung zwischen traditionellem Gottesbild und neueren Konzepten in der Befragung mag zumindest teilweise den großen Unterschied zu den Ergebnissen einer früheren Studie erklären. Noch 2018 hatte sich in Österreich eine deutliche Mehrheit von 73 Prozent als gottgläubig bezeichnet. Nur 21 Prozent taten dies nicht.

Eine weitere Erkenntnis der aktuellen Erhebung ist, dass viele Menschen dem Gottesglauben dennoch eine hohe gesellschaftliche Bedeutung beimessen – darunter auch einige, die angeben, selbst "nicht richtig zu wissen, was sie glauben sollen". Insgesamt 71 Prozent bejahten zumindest teilweise, dass "Religion wichtige Werte" vermittele, 21 Prozent stimmten "eher" zu, 12 Prozent "voll und ganz".

Gleichzeitig schwindet die Bindung an Kirchen und ähnliche Institutionen, auch die traditionell religiöse Alltagspraxis erweist sich als rückläufig. Die Autoren betrachten diese Entwicklung mit Sorge, denn ohne diese beiden Faktoren "verdunstet im Lauf der Zeit auch der Glaube an Gott in einem christlichen Verständnis", so ihre Befürchtung. Indes stünden die religiösen Institutionen mit ihrem Vertrauensverlust nicht allein da, wie es in der Studie heißt. Betroffen seien beispielsweise auch Parteien und Gewerkschaften. In den nächsten Monaten wollen die Autoren dieses Problemfeld weiter auswerten und interpretieren. Die Ergebnisse dürften auch für säkulare Organisationen von Interesse sein.

In der Studie wurde auch der Antisemitismus in Österreich untersucht. Den Text dazu lesen Sie hier.

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