Nicht nur in Diktaturen oder autokratischen Regimen mit demokratischem Anstrich ist die Meinungsfreiheit bedroht. Das Attentat auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo, vor allem aber die teils verhohlene, teils offene Zustimmung, mit der nicht nur in Teheran, sondern auch in Paris darauf reagiert wurde, machte dies nur allzu deutlich. MIZ 4/23 befasst sich im Schwerpunkt mit einigen Aspekten der Debatte um Streitkultur und Cancel Culture.
Im Editorial wirft Gunnar Schedel einige Fragen auf: Was unter "Meinung" und "Freiheit" zu verstehen ist, inwiefern Menschen vor Meinungen geschützt werden müssen und was einem "herrschaftsfreien Diskurs" entgegensteht. Wie es um die Meinungsfreiheit in den Medien steht, erörtert der Süddeutsche-Online-Journalist Markus Schulte von Drach in einem Interview. In seinen Augen spielen staatliche Eingriffe in die redaktionelle Arbeit derzeit keine Rolle, es sind eher gesellschaftliche Prozesse, die Konformitätsdruck erzeugen (und die "Schere im Kopf" in Gang setzen).
Auf die grundlegende Frage, was Meinungsfreiheit, wenn es um Religion geht, denn darf, antwortete der Charlie-Hebdo-Anwalt Richard Malka in seinem Plädoyer im Gerichtsverfahren gegen die Unterstützer der Mörder. Ein Auszug aus der Rede, die später als Buch erschienen ist, wird in MIZ abgedruckt. Malkas Botschaft ist klar: "Heute" – und nicht irgendwann – "ist der Tag, an dem wir kämpfen müssen." Die im Heft vorgestellte Kampagne "Free Charlie!", die zur Abschaffung des § 166 StGB führen soll, könnte ein Teil dieses Kampfes sein.
Subvention und Privilegierung
In der Rubrik "Staat und Kirche" gibt ein Gespräch mit Sabine Smentek Auskunft über die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme in der Angelegenheit der Ablösung der Staatsleistungen und über politische Prozesse im Allgemeinen. Die Co-Sprecherin des sozialdemokratischen Arbeitskreises Säkularität und Humanismus ist optimistisch, dass der Verfassungsauftrag umgesetzt wird, wenn nicht in dieser Legislaturperiode, so doch in absehbarer Zeit.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Söders Kruzifix-Erlass endete mit einer Enttäuschung für die Kläger, die Begründung fiel sogar noch hinter das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zurück. Gleichwohl lenkt der Bericht den Blick in die Zukunft, denn der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München hat bereits angekündigt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Christliche Immobilienwirtschaft und der Nahe Osten
Ein bislang kaum behandeltes Thema beleuchtet Ralf Hutter: die christliche Immobilienwirtschaft. Denn kirchliche und kirchennahe Unternehmen besitzen und vermieten zehntausende Wohnungen – nicht ohne Konflikte mit den Mietparteien, denn der Wohnungsbestand wird keineswegs primär nach sozialen Gesichtspunken verwaltet.
Romo Runt stellt die von der Bundesregierung ausgerufene feministische Außenpolitik auf den Prüfstand. Ein unter fragwürdigen Begleitumständen geplatztes Treffen mit der iranischen Frauenrechtsaktivistin Masih Alinejad stellt dem Auswärtigen Amt ein schlechtes Zeugnis aus.
Klaus Blees, Katharina Eggers und Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar blicken anlässlich des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober kritisch auf eine Palästina-Solidarität, die blind ist für den Antisemitismus der religiösen Rechten.
Daneben bietet das Heft die Rubriken Zündfunke und Internationale Rundschau, die Glosse "Neulich... vor dem Kölner Dom" und eine Buchbesprechung.