Neue Worte braucht das Land

Man wird abwarten müssen, welches Echo die neue Plakatwerbung bei den Fahrgästen in den Stuttgarter S-Bahnen und in der Öffentlichkeit hervorrufen wird. Zumindest muss sich die Süddeutsche Plakatmission von der Hoffnung verabschieden, die Sache würde sich schnell auslaufen.

Das Nebeneinander von unterschiedlichen Weltanschauungen in einem stark frequentierten öffentlichen Verkehrsraum wird gewiss zu Diskussionen führen, die sonst nicht aufkommen würden, weil die Präsenz des religiösen Lagers übermächtig ist – und das nicht nur in den Stuttgarter S-Bahnen.

Bleibt zu wünschen, dass die ungleichen Botschaften nicht allein zum Zankapfel werden, sondern die demokratische Streitkultur anregen.

Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die öffentliche Darstellung eine Menge an Privilegien besitzen, die ihnen der Staat großzügig zugeschanzt hat.  „Die christliche Welt hat ihren Sendeplatz“, heißt es bei katholisch.de und dort ist man stolz auf das Erhaltene. Den eifrigen Nehmern sei gesagt, dass es in der Apostelgeschichte (20,35) heißt: „Geben ist seliger denn Nehmen.“!

Anders Denkende oder nicht Glaubende haben es viel schwerer, ihre Ansichten unters Volk zu bringen. Redezeiten wie sie der BfG - Bayern im Rundfunk erhält, sind selten und die Sendeplätze (Sonntag 06:45 Uhr) mehr als schlecht. Das Wort zum Sonntag indessen kommt regelmäßig nach der Samstagabend-Sendung im 1., Kirche in WDR wird jeden Morgen kurz vor 6:00 Uhr ausgestrahlt, also genau in der Zeit, in der sich die Menschen für den Arbeitstag vorbereiten und noch die Nachrichten hören wollen.

Die Plakataktion der GBS Stuttgart/Mittlerer Neckar e.V. ist ein guter Anfang, ein Vorstoß, an diesen Zuständen etwas zu ändern. Die Plakate bewirken, dass sich das religionsfreie Drittel der deutschen Bevölkerung in der Öffentlichkeit wiederfindet.

Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn die Kampagne der Stuttgarter GBS dazu führen würde, dass sich die verschiedenen humanistisch-religionsfrei orientierten Verbände, Gruppen und Vereine über ihre Meinungsverschiedenheiten hinweg für eine weiterführende und dauerhafte Kampagne zusammenschließen könnten. Das wäre gut für die Streitkultur in Deutschland und sicher nicht zum Nachteil der Verbände, die sich eventuell über Zuwachs an Mitgliedern und damit auch an Finanzen freuen könnten.

Thomas Häntsch