Erwachsen werden - mit oder ohne Gott

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Laura (links) hat Konfirmation, Antje (rechts) nimmt an der Jugendweihe teil / Foto: Steffi Langerbein

SEEVETAL. (hpd/jwd) Konfirmation oder Jugendweihe? Zwei junge Frauen wählten verschiedene Wege, um sich auf den Übergang von der Jugend in das Erwachsenenalter vorzubereiten und das entsprechend unterschiedliche Fest zu feiern. Ein Portrait von zwei Freundinnen.

Nach einem Schulreferat war es um sie geschehen: Laura möchte gern live erleben, wie Menschen und Tiere in der Antarktis überleben. Auch ein längerer Aufenthalt nach dem Abitur in Kanada wäre ihr Wunsch. Die Reisen dorthin will sie selbst zusammensparen. Das Startkapital soll ihr Konfirmationsgeld werden. Laura Conrad (14) aus Over hat sich das von den Gästen ihres großen Festes auf dem Weg in die Welt der Erwachsenen gewünscht, was die meisten Konfirmanden wählen.

Den giftigsten Kontinent möchte ihre Freundin Antje Langerbein (14) aus Bullenhausen entdecken und in Australien sehen, warum Schlangenfänger dort eine anerkannte Berufsgruppe sind. Eine Insel weiter, in Neuseeland, möchte sie erkunden wie man Häuser in Felsen baut. Sie wüsste auch gern, wie man denn in Neuseeland Schüler heute schon fit macht für Berufe, die es erst morgen geben soll. Auf die Flugtickets will auch sie sparen und ihre Jugendweihe-Geschenke Zinsen bilden lassen.

Laura und Antje wurden Ende April bzw. Ende Mai in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Die eine mit Gott, die andere ohne Gott. Während Laura mit der Konfirmation vollwertiges Kirchenmitglied mit allen Rechten und Pflichten wird, hat Antje den weltlich-humanistischen Weg gewählt, die Kindheit hinter sich zu lassen. Eine Urkunde dokumentiert, dass sie ein dreiviertel Jahr an Jugendstunden teilgenommen hat. Laura feiert ihre Konfirmation in der Overaner Kirche mit 16 anderen Gleichaltrigen und hat sich einen Spruch aus der Bibel ausgewählt. Antje erlebt einen Festakt mit Pop und Klassik mit 280 anderen Jugendweihe-Teilnehmern in der Laeiszhalle der Hansestadt.

Wie viel Wasser verschwenden wir schon am frühen Morgen? Kann sich die Flut und der Deichbruch von 1962 wiederholen und womöglich das Haus unserer Familie wegschwemmen? Warum werden in anderen Ländern Menschen wegen ihres Glaubens zum Tode verurteilt? Diese Alltags- und Religionsfragen diskutierte Laura in ihrem zweijährigen Konfirmandenunterricht.

Antje erkundete das Jüdische Viertel in Hamburg und erfuhr, was es bedeutet, wenn ein normaler Supermarkt koschere Waren anbieten möchte. Auf den Spuren der Reformation war sie auf ihrer Abschlussreise auf der Wartburg in Eisenach, besuchte das KZ Neuengamme und diskutierte über Mobbing, Drogen, Demokratie und Menschenrechte.

Für Laura gehört eine Bibel zur Grundausstattung, Antje wurde ein Buch überreicht mit dem perspektivischen Titel: „Jugend verändert die Welt“. Solidarität, Humanismus und Toleranz gehören zu den Tugenden, die nicht nur im Buch stehen, sondern in den Jugendweihestunden vermittelt wurden.

Laura und Antje kennen sich seit dem Kindergarten, saßen auf einer Grundschul-Bank. Dann trennten sich ihre Wege: Laura besucht ein konfessionelles Gymnasium, Antje ein staatliches. Getauft und konfirmiert – für Laura und ihre Familie war der Weg zum Erwachsensein klar definiert. Auch ihre Eltern und Großeltern sind ihn gegangen, ihre Mutter war aktiv im Kirchenvorstand. Antje ist nicht getauft, ihre Mutter hatte selbst Jugendweihe, ihr Vater Konfirmation. Sie konnte wählen, ob und mit welchem feierlichen Akt  sie dokumentieren wollte: Ich bin den Kinderschuhen entwachsen, möchte Verantwortung tragen.

Ob Kirche oder Laeiszhalle – beide Mädchen waren seit Monaten unterwegs, um das richtige Kleid und sich für eine Frisur zu entscheiden. In beiden Familien gab es ein Fest zu Ehren der jungen Erwachsenen geben.

Antjes Großeltern erlebten in diesem Jahr eine Premiere: Eines ihrer Enkelkinder wird konfirmiert, ein Enkelkind hat Jugendweihe. Teilgenommen haben sie bisher nur an Konfirmationsfeiern und hatten nie zuvor von der Jugendweihe gehört. Damit sind sie nicht allein. Doch die Jugendweihe ist keine Erfindung der DDR, auch wenn dort neun von zehn Jugendlichen teilnahmen. In der Weimarer Republik hatte die Feier ihre Blütezeit, in Hamburg gibt es sie seit 122 Jahren. Die Sozialdemokraten machten sie zu einer gesellschaftlich anerkannten Institution. Ein Viertel der Hamburger Schulabgänger nahm an der Jugendweihe teil.

Heute gibt es Kurse in Winsen, Harburg und Hamburg und den Festakt in der Laeiszhalle in zwei Durchgängen, weil die Anmeldungen in jedem Jahr steigen. Damit bleibt auch für die nächsten Generationen die Wahl: Erwachsen werden - mit oder ohne Gott.

Steffi Langerbein