(hpd) Der Journalist Nick Lowles beschreibt die Entwicklung einer bekannten gewalttätigen rechtsextremistischen Gruppe in Großbritannien. Dies geschieht mehr im Sinne einer journalistischen Reportage ohne nähere analytische Betrachtungen und quellenbezogene Nachweise – gleichwohl überaus informativ auch und gerade in Richtung einer vergleichenden Betrachtung zur NSU-Terrorzelle in Deutschland.
Bei rechtsextremistischen Demonstrationen kann man immer wieder Neonazis mit einem „C 18“-T-Shirt beobachten. Das Kürzel steht für „Combat 18“, also für „Gefecht“ in der Übersetzung und mit der Zahlenkombination bezogen auf den ersten und achten Buchstaben des Alphabets für „Adolf Hitler“. Diese Bezeichnung nutzte eine neonazistische Organisation in Großbritannien, die mit Gewalttaten unterschiedlichsten Ausmaßes auf sich aufmerksam machte. Innerhalb der deutschen militanten Szene des rechtsextremistischen Lagers gilt C 18 als „Kult“ und „Mythos“. Doch womit hatte man es eigentlich mit der realen Gruppe „Combat 18“ zu tun? Diese Frage will der britische Journalist Nick Lowles in seinem Buch „White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-Terror-Gruppe“ beantwortet. Er ist Mitherausgeber des „Searchlight“-Magazins, das sich bei der Beobachtung des Rechtsextremismus selbst nachrichtendienstlicher Methoden bedient und nicht nur daher allgemein recht gut über die Entwicklung der Szene informiert ist.
Sein Buch beschreibt auch auf Basis von Interviews mit ehemaligen Aktivisten der Gruppe deren Entstehung, Handlungen und Niedergang in den 1990er Jahren im Stil einer journalistischen Reportage: Zunächst entstand „Combat 18“ als Saalschutztruppe für die rechtextremistische „British National Party“ (BNP). Als Logo gab man sich einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen, welches direkt an die Waffen-SS denken lässt. Mit der Zeit geriet C 18 mit der BNP immer mehr in Konflikt und radikalisierte sich bezogen auf die Gewaltbereitschaft. Später bewegte man sich im Umfeld von „Blood and Honour“, dem international agierenden Netzwerk von neonazistischen Skinheads. Als Ziel von beiden Organisationen sieht Lowles die Auslösung eines „Rassenkrieges“ an. Bereits im Prolog macht er anhand von Krawallen in der Stadt Oldham darauf aufmerksam, dass deren Aktionen den Auslöser bildeten. Daher schien es so, „als hätte C18 am Ende das selbst gesetzte Ziel erreicht, einen Rassenkrieg vom Zaun zu brechen“ (S. 15).
Mitte der 1990er Jahre bildete den Höhepunkt der Entwicklung der Gruppe: „Man hatte die Nazi-Musikszene übernommen, mit Loyalisten zusammengearbeitet, Hooligan-Gangs mobilisiert, eine Anschlagsserie gegen politische Gegner verübt und die NSA gegründet“ (S. 190). Fortan führten sowohl gruppen- wie lagerinterne Konflikte aber zum Niedergang von C 18. Gegen Ende bemerkt Lowles bilanzierend: Man schaffte es nicht, das selbst gesetzte Ziel, „einen Rassenkrieg in Großbritannien in die Tat umzusetzen. Tatsächlich stellte die Gruppe nie eine ernsthafte Bedrohung für den Staat dar, sei es aus politischer oder militärischer Perspektive. Vielmehr richteten sich die Taten der Gruppe in den meisten Fällen gegen andere Rechtsextremisten. Auch vonseiten antifaschistischer und antirassistischer Organisationen wurde C 18 nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt, die Nazis stellten ohnehin eher eine physische als eine politische Bedrohung dar“ (S. 382) Auch persönliche Schwächen und interne Zwistigkeiten seien ausschlaggebende Faktoren für das jähe Ende gewesen.
Derartige analytische Einschätzungen findet man aber nur am Rande im Buch. Nahezu alle Kapitel bestehen aus journalistischen Reportageberichten, wobei auch viele Dialoge und Ereignisse mitunter etwas romanhaft dargestellt werden. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass das Buch komplett ohne Belege oder Fußnoten auskommt, ist man denn doch sehr enttäuscht. Der Autor ergeht sich sehr detailverliebt in der Darstellung einzelner Ereignisse, wobei er nicht immer zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem unterscheidet. So hätte man sich etwa schon eine genauere Beschreibung und Einschätzung der Gewalttaten gewünscht. Gegen Ende behauptet er gar: „Die meisten Männer bei C 18 waren wegen der Schlägereien dabei ... Politik diente ihnen lediglich als Vorwand für ihre Gewalttaten“ (S. 388). Das eine muss aber das andere nicht ausschließen. Indessen verdient der Band aufgrund des Mangels an anderen Darstellungen zur C 18 sehr wohl Interesse, auch und gerade hinsichtlich einer vergleichenden Betrachtung mit der NSU-Terrorzelle in Deutschland.
Armin Pfahl-Traughber
Nick Lowles, White Riot. Die Combat 18-Story: Aufstieg und Untergang einer Nazi-Terror-Gruppe, Winsen Allter 2010 (KAR-Verlag), 410 S., 14,90 €.