Wussten Sie eigentlich, dass der Bischof auch für den Lebenskundlichen Unterricht zur berufsethischen Orientierung für die Soldatinnen und Soldaten zuständig ist und falls ja, was denken Sie darüber?
Ja, das habe ich inzwischen gelernt. Ich halte es für eine große Schweinerei. Es besteht die Gefahr, dass die kritischen Soldaten bei ihren Vorgesetzten angeschwärzt werden und Beförderungen hintertrieben werden. Es ist auch damit zu rechnen, dass durch den Bischof wieder die falschen Ideale den Soldaten untergejubelt werden.
Welche Art von falschen Idealen sehen Sie, die hier eine Rolle für die Bundeswehr spielen?
Zum Beispiel das große Vorbild Moses. Der legt seine 10 Gebote – mitsamt dem Gebot „Du sollst nicht töten!“ – nach seiner Rückkehr vom Sinai sofort zur Seite und schlägt erst einmal alle Andersdenken tot. Seine eigenen Landsleute! Oder bei Abraham. Der auf Befehl „von Oben“ bereit ist, seinen eigenen Sohn zu erschlagen! Ja, da ist man am Ende doch glücklich, wenn man „nur“ den Sohn des Nachbarn erschlagen soll. Und dann tut man das auch gerne, bevor sich „der da Oben“ das anders überlegt.
Welche Alternative sehen Sie denn zu biblisch geprägten Moralvorstellungen, wie sie die Bischöfe vertreten?
Schillers Wilhelm Tell kommt in eine ähnliche Situation. Der rächt sich dafür und erschießt den Herrn „da oben“, den Landvogt. Das sollte das Vorbild für unsere Soldaten sein! Nicht der Bischof und die Bibel, sondern Friedrich Schiller und Wilhelm Tell.
Kann die Präsenz von Militärbischöfen in Ihren Augen heute überhaupt noch eine Legitimation haben?
Den katholischen und protestantischen Soldaten sei für ihre Seelennöte ein Pfarrer oder Bischof gegönnt. Den dürfte meinetwegen sogar der Staat bezahlen als Fürsorge für seine Soldaten. Schließlich müssen die oft fürchterliche Dinge tun. Aber Pfarrer natürlich nur auf Wunsch jedes einzelnen Soldaten. Freigeister haben aber das Recht, von solchen Menschen unbehelligt zu bleiben!
In den USA arbeiten die nichtreligiösen Truppenangehörigen daran, dass es neben den Geistlichen in der Armee auch humanistische Berater gibt, die sich adäquat um die Bedürfnisse der nichtreligiösen Soldatinnen und Soldaten kümmern können. Etwa, wenn es um Beziehungsfragen oder vergleichbare Themen betrifft, wo für Armeeangehörige besondere Umstände vorhanden sein können. Was halten Sie von dem Ansatz?
Religionsfreie, humanistische Psychologen könnte ich mir auch für atheistische und nichtreligiöse Soldaten gut vorstellen. Denn die seelischen Belastungen sind im Einsatz oft wirklich groß.
Was würden Sie den konfessionsfreien Soldatinnen und Soldaten sowie den zahlreichen früher in der Bundeswehr Dienst leistenden Menschen raten, damit Vorträge wie der von Franz-Josef Overbeck in Zukunft nicht mehr die Staatsanwaltschaft beschäftigen müssen?
Sie sollten zuerst von ihrem Recht auf Ungehorsam Gebrauch machen und den Bischof einfach stehen lassen. Dann sollten sie sich bei ihren Vorgesetzten, dem Wehrbeauftragten und dem Minister über ihn beschweren und notfalls an die Öffentlichkeit gehen. Man muss den Bischof klar in seine Schranken weisen. Über Ethik hat er nichts zusagen. Der Mann besitzt eine falsche, menschenfeindliche und inhumane Ethik.
Und was würden Sie dem Militärbischof sagen, wenn Sie – mal ganz fiktiv gedacht – der Chef des Bundesministeriums für Verteidigung wären?
Dass er den Sinn seiner Aufgabe nicht verstanden hat. Wegen seines Fundamentalismus würde ich ihn rausschmeißen. Schließlich kämpfen unsere Soldaten in Afghanistan gegen den Fundamentalismus der religiösen Taliban. Sie sollen den armen Menschen da unten doch wohl auch die Aufklärung und Menschenrechte näherbringen und nicht die Leute katholisch machen. Deshalb sollte der Bischof den Soldaten auch etwas über die Aufklärung erzählen und nicht über Katholizismus. Der Bischof ist mit seiner Ideologie völlig fehl am Platz.
Was wurde denn in Afghanistan verteidigt, wenn nicht das christliche Abendland? Sogar Bundeskanzlerin Merkel hatte in einer über das Internet übertragenen Videobotschaft Anfang Mai 2010 gemeint, dass ihre Vorstellungen vom christlichen Menschenbild weltweit gelten sollen.
Wir kämpfen dort auch für eine Kultur der Aufklärung und der Menschenrechte. Davon versteht der Mann nichts, bzw. er will nichts verstehen. Stattdessen wiegelt er die Offiziere gegen ihre andersdenkenden Kameraden auf. Die Soldaten sollten einen charakterlich integeren Menschen und keinen Intriganten als Seelsorger verlangen.
Herr Dr. Klussmann, vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Arik Platzek