Sing, mei Sachse sing!

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Dresden, Elbpanorama am Abend / Foto: wikimedia (nikater)

KÖLN. (hpd) Zum „Tag der Deutschen Einheit“ verteilte sich unisono eine Pressemeldung der dpa, dass „Sächsisch“ nach einer Umfrage der „unbeliebteste Dialekt“ in Deutschland sei. Das kann und sollte man so nicht stehen lassen. Das meint zumindest ein Hanseat.

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hatte pünktlich zum diesjährigen „Tag der Deutschen Einheit“ nach den beliebtesten Dialekten in Deutschland gefragt und stellte aufgrund der Prozente der Antworten eine Art Rangfolge der Beliebtheit auf. Während es auf der Internetseite von YouGov.de noch hieß: „Umfrage: Norddeutsch ist beliebtester Dialekt“, wurde bei den Medienportalen daraus: „Umfrage: Sächsisch ist der unbeliebteste Dialekt.“ (SPON), (Stern) oder: „Norddeutsch Top, Sächsisch Flop“ (FOCUS Online) und unisono weiter so.

Und der Spiegel weiß gleich die kleine Geschichte zu berichten, dass eine Sächsin, die eine Reise nach „Bordeaux“ gebucht hatte/buchen wollte, in „Porto“ landen sollte, die Reise deshalb nicht antrat und dennoch 294 Euro für das Flugticket zahlen musste, da sie die Verantwortung dafür trage, wenn sie Bordeaux so ausspreche, dass ein Reisebüro das als Porto verstehe.

Diesen Witz, den sich Sachsen erzählen, haben die Redakteure vom Spiegel nicht einmal verstanden, weil er nur andersherum einen Sinn ergibt: „Der Sachse” würde zu Porto eben gerade „Bordooo” sagen und dadurch in „Bordeaux“ landen.

Sächsisch, so heißt es in der Studie, werde nur von acht Prozent aller Deutschen als ihr Lieblings-Dialekt bezeichnet. Knapp davor lagen am unteren Ende der Rangfolge der „sympathischsten Dialekte“ Berlinerisch (11 Prozent) und Kölsch (13 Prozent).

Dazu seien ein paar Anmerkungen erlaubt.

Sprachlich ist „am wenigsten beliebt“ etwas anders als „unbeliebt“, denn wenn jemand bei einer Wahl von Favoriten nach viel oder wenig fragt, dann wechselt man mit „unbeliebt“ in eine andere, nämlich wertende Bewertungskategorie. Aus der erst einmal reinen (quantitativen) Mengenangabe der Prozente wird eine (qualitative) inhaltliche Bewertung.

Methodisch spielt bei Präferenzen sicherlich eine Rolle, wie viele der Befragten beispielsweise in Sachsen leben, d. h. alltäglich mit dem Sächsischen zu tun haben. Ein Blick in die Bevölkerungsstatistik besagt nun, dass von der deutschen Bevölkerung fünf Prozent in Sachsen leben und in der Hinsicht hat das Sächsische mit acht Prozent bereits mehr ‚Fans‘ als es dem Bevölkerungsanteil entsprechen würde.

Und, was heißt denn bitte „Sächsisch“? Da wird das (härtere) Sächsisch, was in Leipzig gesprochen wird, mit dem (weicheren) Sächsisch, das in Dresden gesprochen wird, in einen Dialekttopf geworfen - von den anderen sächsischen Varianten in Chemnitz oder im Vogtland ganz zu schweigen. Und das, was die meisten Älteren vielleicht noch im Ohr haben, dass sogenannte DDR-SED-Funktionäre-Deutsch von Walter Ulbricht, war ein Sächsisch aus Leipzig.

Ich selber habe einige Jahre in Dresden gearbeitet und kann mich also nur auf das Sächsisch beziehen, das vorrangig in Dresden gesprochen wird. Und da frage ich mich, warum die Beispiele genannt werden (wie Bordeaux/Porto), in denen Sächsisch Sprechende als ziemlich dumm dargestellt werden - die können ja nicht einmal hochdeutsch, die „Deppen“ (das wäre allerdings ein süddeutscher Begriff für einen einfältigen Menschen, dessen Dialektvarianten lauten: (Baierisch: Trutschn, Dodscherl / Fränkisch: Doldi / Niederdeutsch: Döösbaddel / Hessisch: Dappes / Kölsch: Jeck / Schwäbisch: Dubbl / Saarländisch: Diddi / Kowelenzer Platt: Hejel).

Nicht nur in der Frage, was eine Sprache von einem Dialekt unterscheidet sind sich die Linguisten einig, die Abqualifizierung der Dialekte verkennt nicht nur ihren Sprachschatz, sondern auch ihren Sprachwitz.

Dialekte sind im allgemeinen emotionaler als das „Hochdeutsche“, sie können durchaus saugrob sein, aber was sie vermissen lassen, ist die intellektuelle Aggressivität des Hochdeutschen - wobei der Eindruck, dass dieses Deutsch etwas qualitativ „Höheres“, also etwas Besseres sei, falsch ist, da es schlicht nur quantitativ „die in Deutschland gesprochene und geschriebene Standardvarietät der plurizentrischen deutschen Sprache“ meint. (wikipedia)

Man kann es einfach einmal ausprobieren und die Reden von Hitler oder Goebbels in einem beliebigen Dialekt vortragen (z. B. das berüchtigte „Wollt ihr den totalen Krieg?!“ in der Rede von Goebbels im Berliner Sportpalast), die Lacher hätte man auf seiner Seite.

Was das Sächsische leisten kann, habe ich selber in Dresden erlebt. Drei kurze Beispiele mögen das verdeutlichen. Die Baukosten für den Palast der Republik in Berlin sind nie genau beziffert worden, sollen sich aber um die 800 Millionen bis eine Milliarde Mark belaufen haben, von denen ein Gutteil für den Materialeinkauf in westlichen Devisen bezahlt werden musste. Wie heißt dieses (mittlerweile abgerissene) Gebäude vielsagend auf sächsisch? „Ballast der Republik“.
In vielen Städten in Deutschland gibt es ein Kunstgewerbemuseum. Was für Exponate dort ausgestellt werden, wird deutlich, wenn man die Museumsbezeichnung sächsisch ausspricht: „Gunstgewerbemuseum“.

In Dresden wurde die Augustusbrücke (nach Kurfürst und König August benannt) über die Elbe 1945 in Georgij-Dimitroff-Brücke umbenannt (zu Ehren des bulgarischen Kommunisten, späteren Generalsekretär der Komintern und bulgarischen Ministerpräsidenten Dimitrov, der sich im Reichstagsbrandprozess 1933 so erfolgreich gegen Göring verteidigte, dass er freigesprochen werden musste). Das Umbenennen konnte man nun aber nicht so auf sich sitzen lassen und so erzählte eine Dresdenerin auf die Frage nach der Bezeichnung der Brücke folgende Anekdote: Der lebenslustige Kurfürst August (der Starke) soll im Sommer in offener Kutsche über die Brücke, auf der Frauen mit ansprechendem Dekolleté flanierten, gefahren sein, und bei besonderem Gefallen ausgerufen haben: „Die mit droff und die mit droff und die mit droff.“  Daher komme die Bezeichnung „Dimitroffbrücke“. Bei der Namenserklärung einen Kommunisten sprachlich durch einen Kurfürsten und König zu ersetzen, das vermag eben nur ein Dialekt.

In diesem Sinne: „Sing mei Sachse sing“.

Carsten Frerk.