HELSINKI. (hpd) Seit 1989 bemüht sich die Organisation NOCIRC um Aufklärung zu weiblicher und männlicher Beschneidung. In vielen Publikationen und mit Jahreskongressen bemüht sich ein weltweites Netzwerk, die Rechte der Kinder zu stärken. Auf der diesjährigen 12. Tagung in Helsinki verabschiedete die Generalversammlung die 'Helsinki-Erklärung'.
Eine der ältesten Organisationen, die sich seit 1989 für das Recht der genitalen Autonomie einsetzt, NOCIRC (National Organization of Circumcision Information Resource Centers), hat sich auch aktuell gegen die Beschneidung von Mädchen und Knaben gewendet. NOCIRC ist Teil der International Coalition for Genital Integrity (Internationale Koalition für genitale Integrität), deren Mitgliedsgruppen weltweit aktiv sind.
In den verschiedenen Titeln der Jahrestagungen seitdem, zeigt sich auch die Entwicklung des Themas. Die 12. Jahrestagung vom 30.9. bis 3.10.2012 in Helsinki stand unter dem Titel: "Law, Genital Autonomy and Children's Rights" (Gesetze, genitale Autonomie und Kinderrechte).
Bereits die "Declaration of the First International Symposium on Circumcision" vom 3. März 1989 (in Anaheim, Kalifornien) formuliert die Grundsätze der genitalen Unverletzlichkeit von Frauen und Männern und stellt die Verbindung zu den Allgemeinen Menschenrechten der Vereinten Nationen her, in denen es in Artikel V heißt: "Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden."
Helsinki-Erklärung zum Recht auf geschlechtliche Autonomie 2012
Obwohl es das unveräußerliche Grundrecht eines jeden Menschen gibt auf Schutz der Person ohne Rücksicht auf Alter, biologisches oder soziales Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit oder Religion, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und in der Kinderrechtskonvention formuliert wurde,
erklären wir jetzt die Existenz eines Grundrechts jedes Menschen auf geschlechtliche Autonomie, also das Recht auf:
- Persönliche Kontrolle über die eigenen Genitalien und Fortpflanzungsorgane und
- Schutz vor medizinisch unnötigen Veränderungen der Geschlechtsorgane und anderen irreversiblen Eingriffen in die Fortpflanzungsorgane.
Wir erklären, dass entsprechend dem Recht auf geschlechtliche Autonomie die einzige Person, die in medizinisch unnötige und andere irreversible Eingriffe in die Fortpflanzungsorgane einwilligen kann:
- im Falle einer Person, die fähig ist, nach vollständiger Information über die Eigenheiten, Risiken und Vorteile des Eingriffs frei und sachkundig einzuwilligen – die Person ist, die den Eingriff an sich vornehmen lässt und
- im Falle einer geschäftsunfähigen Person, also auch einem Säugling oder Kleinkind – nur eine ordnungsgemäß eingerichtete öffentliche Stelle oder ein Gericht ist, das dafür zuständig ist, die Menschenrechte und höchsten Interessen einer Person abzuwägen unter Berücksichtigung der Ansichten der Familienmitglieder, der Fachleute und eines unabhängigen Anwalts für die Person.
Wir erkennen das Grundrecht der Eltern und Erziehungsberechtigten auf die Denk-, Gewissens- und Religionsfreiheit an. Diese Rechte der Eltern und Erziehungsberechtigten sind nicht uneingeschränkt, sie sind begrenzt durch die gleichen grundlegenden menschlichen Rechte anderer, insbesondere ihrer Kinder.
Wir erklären, dass gesunde Genitalien und Fortpflanzungsorgane natürliche, normale und funktionale Teile des menschlichen Körpers sind. Regierungen und Gesundheitswesen haben die Pflicht, Eltern und Kinder zu eingriffsfreier Hygiene und Pflege der Genitalien und Fortpflanzungsorgane aufzuklären und über deren anatomische und physiologische Entwicklung und Funktion zu informieren.
Wir fördern und unterstützen die weitere Erforschung der nachteiligen Folgen solcher Eingriffe.
Wir lehnen Forschungen und Experimente ab, die die Durchführung von medizinisch unnötigen Veränderungen und anderen irreversiblen Eingriffe an Genitalien und Fortpflanzungsorganen nicht einwilligungsfähiger Kinder und Erwachsener beinhalten.
Wir rufen alle Regierungen auf, das Recht der geschlechtlichen Autonomie jedes Kindes und jedes Erwachsenen anzuerkennen, welches das Recht beinhaltet auf
- persönliche Kontrolle über die Genitalien und Fortpflanzungsorgane und
- Schutz vor unnötigen Veränderungen der Geschlechtsorgane und vor anderen irreversiblen Eingriffen in die Fortpflanzungsorgane
Wir appellieren an alle Mitgliedstaaten der Kinderrechtskonvention, ihre diesbezügliche Verpflichtung wahrzunehmen, insbesondere gemäß der Artikel 2, 12, 14, 19 und 24.
Erstellt in Helsinki, Mittwoch 3. Oktober 2012
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(Übersetzung: Arbeitskreis Kinderrechte)