„In diesem Zeichen wirst Du siegen"

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Gipfelkreuz / Foto: Wikipedia Commons (Zottie)

(hpd) Vor 1700 Jahren, am 28. Oktober 312, erhielt Kaiser Konstantin I. unmittelbar vor der Schlacht an der Milvischen Brücke bei Rom die göttliche Botschaft „In diesem Zeichen wirst Du siegen". Der Historiker Rolf Bergmeier hat diese Darstellung geprüft und erläutert im Interview, dass dieser Bericht unseriös ist und diese angebliche Erscheinung so gar nicht habe stattfinden können.

Diese göttliche Botschaft und himmlische Erscheinung wurde anlässlich des 1600. Jahrestages im Jahre 1912 in Deutschland mit Pomp und Gloria gefeiert. Seither sind ein gutes Dutzend Konstantin-Biographien publiziert worden, die die Bedeutung dieses Tages würdigen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck meinte im Jahre 2007 anlässlich der Eröffnung der Konstantin-Ausstellung in Trier, Konstantin habe die „religionspolitischen Grundlagen für das christliche Abendland" gelegt. Und der damalige Trierer Bischof Marx ergänzte, die Entscheidung Konstantins für den christlichen Glauben wirke weiter.

Herr Bergmeier, Sie haben 2010 ein Buch aufgelegt, das diese Thesen in Frage stellt. Wie beurteilen Sie das Ereignis?

Bergmeier: Die Details des himmlischen Ereignisses sind mit historisch-wissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar. Bischof Eusebius, der Hofberichterstatter Kaiser Konstantins, berichtet zwar von der Schlacht, aber dieser Text ist, dem damaligen Gebrauch folgend, hagiographisch und panegyrisch vergiftet. Tatsächlich greift der Historiker auf Texte späterer Jahrhunderte zurück, auf Texte also, die rund 500 Jahre durch die Mühlen klösterlicher Kopisten gedreht wurden und entsprechend unzuverlässig sind. So werden in der "Historia ecclesiastica tripartita" weitere göttliche Geschichten eingewebt, wie beispielsweise die Erscheinung Christi vor der Schlacht an der Milvischen Brücke. Im übrigen ist die Erscheinung eines Kreuzes im Jahre 312 nebst Inschrift „in hoc signo vinces " schon alleine aus kirchengeschichtlichen Gründen auszuschließen, da die Symbolforschung belegt, dass das Kreuz erst Mitte des 4. Jahrhunderts zu einem verbreiteten christlichen Symbol geworden ist. Folglich konnte der „Heide " Konstantin im Jahre 312 kaum eine Kreuzes-Erscheinung gehabt haben.

War also der 28. Oktober 312 kein „Durchbruch des Christentums"?

Bergmeier: Tatsächlich gibt es keinen göttlich unterstützten Durchbruch des Christentums, weder am 28. Oktober 312, noch später. Das Christentum des 4. Jahrhunderts ist von einer „Kirche" noch weit entfernt und gleicht eher einem Bündel zerstrittener Fraktionen, die sich nicht auf ein gemeinsames Gottesbild einigen können. Wenn man von einem „Durchbruch " des Christentums sprechen will, dann muß man diesen am römischen Kaiser Theodosius festmachen, der im Jahre 380 die trinitarische Fraktion des Christentums zur Staatskirche erhebt und ihren Start mit Dutzenden von Häretiker- und Ketzergesetzen unterstützt. Bis dahin ist religiös alles im Fluss und alles möglich. Und wäre Kaiser Julian, der im Jahre 361 die heidnischen Götter wieder auf ihren Thron setzt, nicht überraschend verstorben, dann wäre die Religionsgeschichte Europas völlig anders verlaufen.

Der Historiker, der sich mit den Konzilen des 4. Jahrhunderts, den kaiserlichen Erlassen und mit der nach wie vor weit überwiegend polytheistisch-„heidnischen" Bevölkerung beschäftigt, kann eigentlich kaum zu einem anderen Ergebnis kommen: Das Christentum hat sich nicht durchgesetzt, es wurde durchgesetzt. Und Theodosius und Karl d.Gr. sind bei diesem Prozess wichtige Steigbügelhalter.

Der Althistoriker Hartwin Brandt hat 2006 eine Konstantin-Biographie mit dem Untertitel „Der erste christliche Kaiser" publiziert und sein Kollege Alexander Demandt schreibt zur Eröffnung der Konstantin-Ausstellung 2007 „Der christliche Kaiser herrschte im Auftrag und Namen Gottes über die Menschheit". Sie behaupten dagegen, Konstantin sei kein christlicher Kaiser gewesen. Erklären sie das bitte.

Bergmeier: Ich weiß nicht, woher Alexander Demandt die Gewissheit nimmt, Konstantin habe „im Namen Gottes " geherrscht. Nach meinem Verständnis ist Gott durch die Unendlichkeit charakterisiert und kann folglich von einem Historiker nicht erkannt werden. In „seinem Namen " kann überhaupt niemand sprechen, weder Papst, Luther noch Mohammed. Und über „die Menschheit" hat Konstantin ohnehin nicht geherrscht. Wir übersehen bei unserer eurozentrischen Attitüde allzu oft, dass die damalige „Welt" aus mehr bestand als dem Raum rund ums Mittelmeer.

Halten wir uns an Fakten: Kaiser Konstantin ist ein Mörder, der seine ganze Familie umbringt. Er überzieht sein Volk mit einem 12jährigen Bürgerkrieg, um die alleinige Macht im Reich zu erringen. Konstantinopel, angeblich ein christliches Gegenpol zum „heidnischen" Rom, wird unter Hinzuziehung heidnischer Sitten gegründet und zeichnet sich durch zahlreiche Skulpturen aus, die die alten Götter verherrlichen.

Konstantin selbst stellt sich auf einer 50 Meter hohen Säule als Inkarnation des Sonnengottes dar. Mitten in Konstantinopel wird, wie in Rom, ein Kapitol eingerichtet, das Haus Jupiters. Nach seinem Tod steigt der Kaiser in der Quadriga des Sonnengottes zum Himmel auf. Unter solchen Umständen von einem „christlichen Kaiser" zu sprechen, ist nur möglich, wenn dieser vielfach auslegbare Begriff nicht definiert wird. Genau dieser Mangel ist der Schwachpunkt aller Konstantin-Biographien.

Nach der himmlischen Erscheinung schlägt Konstantin die berühmte Schlacht an der Milvischen Brücke. Welche Bedeutung hat diese Schlacht? Ist sie mit der Schlacht bei Poitiers (732) zu vergleichen, in der Karl Martell die islamischen Truppen schlägt?

Bergmeier: Für die abendländische Geschichte ist die Schlacht an der Milvischen Brücke als eine Schlacht von vielen ohne besondere Bedeutung. Sie ist als ein Meilenstein europäischer Kulturgeschichte hochstilisiert worden, obwohl es sich lediglich um eine Schlacht in einer Kette weiterer handelt. Der Vergleich mit Poitiers ist zutreffend. Auch hier hat eine christenfreundliche Propaganda ein Kriegsereignis als Einschnitt in die Geschichte dargestellt, ohne dass die Schlacht eine solche Einschätzung rechtfertigt. Denn auch nach Poitiers sind die Muslime in Mitteleuropa weiterhin aktiv, sei es kriegerisch oder in Form der Nutzung von Seehäfen an der französischen Mittelmeerküste.

Konstantin ist auch durch das Konzil von Nicäa (325) berühmt geworden. Haupthema dieses Konzils war die Frage, ob Jesus Gott sei. Was hat der römische Kaiser Konstantin mit dieser theologischen Frage zu tun?

Bergmeier: Sehr viel. Im Mittelpunkt des Konzils steht Gott. Genauer: Man streitet sich, ob Jesus gottgleich ist oder nur ein Prophet, wie Juden und Muslime bis heute annehmen. Dreihundert Bischöfe, übrigens ohne den Bischof von Rom, reden wochenlang über „ wesenseins " oder „ wesensähnlich ", lassen sich inspirieren, verirren sich in Wortungetümen und schauen ins Jenseits. Gott, der Unendliche soll erkannt werden, ein logisch unmögliches und theologisch anstößiges Unterfangen. Der Kaiser spricht schließlich ein Machtwort und die Bischöfe geben dem christlichen Gott per Mehrheitsbeschluß eine Gestalt: Jesus sei wesenseins mit dem Vater. Er wird Gott.

Niemand weiß so ganz genau, woher diese Formel eigentlich stammt. Niemand kann eine direkte Linie zu den überlieferten Worten Jesu ziehen, weil die Bibel weder von Wesensgleichheit noch von Trinität spricht. Die Forschergemeinde ist sich daher weitgehend einig, dass die Formel von Konstantin aus Gründen der Staatsräson durchgesetzt wurde. So prägt im Jahre 325 der ungetaufte römische Kaiser das Glaubensbekenntnis der späteren katholischen Kirche. So kommt unter der Führung des römischen Kaisers, des Pontifex Maximus, des obersten Priesters der heidnischen Kulte, die Bekenntnisformel der späteren christlichen Kirche schlechthin zustande. Da ist der Religionsgründer schon 300Jahre tot!

Konstantin starb im Jahre 337 und soll auf dem Sterbebett christlich getauft worden sein. Ist das auch das Ende Ihrer Untersuchungen zum Christentum?

Bergmeier: Ausgewiesen durch Zeitzeugen ist Konstantin bestenfalls arianisch getauft worden. Da der Arianismus Jesus nicht als Gottessohn anerkennt, ist Konstantin also bestenfalls als Häretiker, wahrscheinlich als ein religiöser Irgendwas gestorben. Denn die Konsekrationsmünzen zeigen den verstorbenen Kaiser, wie er in der Quadriga des Sonnengottes zum Himmel auffährt. Die Arbeiten am Konstantin beenden nicht die Untersuchungen zur Bedeutung des Christentums an der Schwelle zum Mittelalter, sondern begründen sie. Es geht um größere Zusammenhänge, die die Genesis der „abendländischen" Kultur sichtbar machen.

Mit dem Konstantinbuch habe ich 2010 den ersten Teil einer Trilogie vorgelegt, die nachweist, dass das Christentum des 4. Jahrhunderts ein Bündel von zum Teil verfeindeter Bewegungen und der Begriff „Kirche" unhistorisch ist. Im zweiten Teil der Trilogie, dem 2012 publizierten „Schatten über Europa. Der Untergang der antiken Kultur", weise ich nach, dass die christliche Kirche ganz maßgeblich am Untergang der hoch entwickelten antiken Kultur und Zivilisation beteiligt gewesen ist. Derzeit arbeite ich am dritten Teil der Trilogie mit dem Arbeitstitel „Christlich-abendländische Kultur. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit". Er belegt, dass die christliche Kirche die Macht und das Geld hatte, den von ihr maßgeblich verschuldeten Untergang der antiken Kultur zu beenden und das kulturell wie ökonomisch „finstere" Mittelalter kein unveränderbares Schicksal gewesen ist, sondern Folge des Handelns einer feudalen Gesellschaft aus kirchlichen und weltlichen Würdenträgern. Im Mittelpunkt steht der Vergleich zweier Parallelkulturen, Christentum und Islam, der zeigt, dass es auch anders hätte gehen können. Denn das islamische „Maurische Spanien" etabliert sich als wohlhabende und kulturell reiche Parallelwelt zum christlichen, lateinsprachigen Mitteleuropa, das - ob zu Recht oder Unrecht - zur gleichen Zeit sich den Beinamen „finster" erwirbt. Nur die Pyrenäen trennen diese Welten, die alle zum Imperium Romanum gehörten, von den Germanen durchzogen wurden, gleiche Verwaltungsstrukturen haben und jeweils von einer „Staatsreligion" beherrscht werden und die dennoch nicht unterschiedlicher sein könnten. Wie konnte das geschehen? Dieser Frage geht der dritte Teil der Trilogie nach.

Danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte Martin Bauer

 

Requiem für die abendländische Kultur

„Über das Mittelalter senkte sich die Finsternis“

„Schatten über Europa”