Erkenntnis-Duell, Runde II

(hpd) Am 26.05.2012 war der Launchtermin für www.atheodoc.com, eine atheistische Enzyklopädie, die neben einem breiten Angebot von Texten diverser Philosophen und Wissenschaftler zum Atheismus den Anspruch an sich selbst stellt, geistige Freiheit zu vermitteln und „die große Übereinstimmung – sichtbar machen, zu der atheistisches Denken mit anderen Menschen verbindet“.

Heute interessiert besonders das „Erkenntnisduell“. In dieser Kategorie werden vor dem Online-Publikum aktuelle gesellschaftliche Konfliktthemen von zwei Kontrahenten ausdiskutiert. Für das erste Erkenntnis-Duell zu der Frage „Hat der Mensch einen freien Willen?“ hat Paul Schulz als Kontrahenten Michael Schmidt-Salomon gewinnen können, den er bei der Vorstellung von Atheodoc zum Launch-Termin auf einer internationalen Atheismus-Konferenz öffentlich herausforderte, mit ihm diesen Diskurs zu führen.

Der Herausforderer: Dr. theol. Paul Schulz

Der "Ketzerpastor Schulz" (so betitelte ihn die Presse) ist der einzige Pastor und Theologe, gegen den die Evangelische Kirche jemals ein so genanntes Lehrzuchtverfahren anstrengte. Sie begründete dies mit „Glaubensdifferenzen“. Nach vier Verhandlungsjahren vor verschiedenen Instanzen wurde Dr. Paul Schulz von allen Ämtern ausgeschlossen. Er veröffentlichte folgende Bücher: „Ist Gott eine mathematische Formel?“,  „Weltliche Predigten“, „CODEX ATHEOS“ und „Die Kraft des Atheismus“. Als Gründer von Atheodoc betrachtet er dieses Erkenntnis-Duell als Heimspiel.

Titelverteidiger: Dr. Michael Schmidt-Salomon

Der Philosoph, Musiker und Autor, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung. Als Gast in unzähligen Talkshows. Er veröffentlichte diverse Bücher, darunter „Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind“, „Manifest des evolutionären Humanismus“, Erkenntnis aus Engagement“, „Leibniz war kein Butterkeks“, „Keine Macht den Doofen“ u.v.a.m.

Runde I

Paul Schulz eröffnete die Diskussion am 1. Oktober 2012 mit einem ausführlichen Rundumschlag zur Geschichte der Frage nach der Willensfreiheit des Menschen. So argumentiert er z.B. mit Erasmus von Rotterdam, der den Freien Willen der Menschen gegen Gott postulierte und dadurch einen schriftlichen Streit mit Luther heraufbeschwor oder aktueller mit facebook, einer Internetcommunity in der „fast eine Milliarde völlig unterschiedlicher Menschen weltweit über alle Grenzen hinweg miteinander verbunden [sind]. Der einzelne Mensch kann sich darin frei bewegen. Er kann sich beliebig entscheiden, wie er sich verhalten will, ob er sich persönlich outet, ob und mit wem er Freund sein will oder ob er sich lieber zurücknimmt.“ Michael Schmidt-Salomon zeigte sich in seinem Konter am 15. Oktober von dieser Beleg-Sammlung völlig unbeeindruckt und ließ sich gar nicht erst aus der Reserve locken. Er verwies auf die für ihn entscheidende Frage, „wie es denn möglich sein soll, dass ein Mensch in exakt demselben Moment unter exakt denselben Bedingungen sich anders hätte entscheiden können, als er sich de facto entschieden hat.“ In seinem Buch „Jenseits von Gut und Böse“ widmete er der Frage nach der Willensfreiheit ein ganzes Kapitel, in dem er mit der modernen Neurologie gegen einen freien Willen argumentiert. Nach Schmidt-Salomon trifft der Mensch Entscheidungen aufgrund der Umweltfaktoren und seines Erfahrungsschatzes, aufgrund also von Faktoren, auf die er eben keinen Einfluss hat. Für ihn steht fest, dass man sich statt auf die angebliche Willensfreiheit lieber auf die Handlungsfreiheit berufen sollte.

Runde II

Heute geht es in die zweite Runde und Paul Schulz ist wieder am Zug. Er kündigte bereits an, seinen Kontrahenten mit folgender These aus der Reserve locken zu wollen: „Der Entscheidungswille gründet im ICH-Bewusstsein des Menschen“. Wir dürfen gespannt sein. Für den 10. Dezember ist der erneute Konter von Schmidt-Salomon angesetzt.

Nicolai A. Sprekels