„Na gut, ist ja für die armen Kinder in Afrika“

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Sternsinger in Wien / Foto: wikimedia commons

WIEN. (hpd) “Hauptsache sie ist glücklich!” postete unlängst ein konfessionsfreier Vater, dessen Tochter derzeit mit den Sternsingern hausieren geht. „Na gut, ist ja für die armen Kinder in Afrika. Aber trotzdem…“ versuchte er doch noch, kleinlaut, seinen Unmut kundzutun. Das war’s aber auch. Ein kleiner, unscheinbarer FB-Eintrag, harmlos ist er aber keineswegs.

Hier liegt ein Hilferuf vor, der von einem unerträglichen – weil so selbstverständlich – sozialen Druck erzählt. Und er weist auf einen PR-Erfolg hin, der als Case-Study die übliche 4-Ps-Theorie in sämtlichen Marketing-Lehrbüchern restlos ersetzen sollte. Im Chor singend und Gewänder tragend, die aus Märchen entnommen wurden, ließen sich auch heuer dutzende Sternsinger vom Bundespräsidenten empfangen, danach eilten sie zum Bundeskanzler. Der Ablauf ist routiniert: ein paar Floskeln über Einsatz, Armut und Weltfrieden werden rezitiert, der Hausherr führt die Kleinen durchs Haus und die Foto- und Filmmöglichkeit für die Medienvertreter, die, wie jedes Jahr, dem Ritual beiwohnen, gibt es natürlich auch. Nichts Aufregendes also und schon gar nicht etwas, das sich medientechnisch mit der quasi-staatlichen Mutter aller Spendeaktionen namens „Licht ins Dunkel“ messen lässt. Bedenkenlos ist der bunte Empfang beim 1. Bürger bzw. beim 1. Verwalter der Republik keineswegs, Nächstenliebe hin oder her.

Ein kurzer Blick in das Grundlagenpapier der Dreikönigsaktion (DKA), jener Plattform der Katholischen Jungschar, die für die Sternsingeraktion verantwortlich zeichnet, veranschaulicht, welche Ziele dieses Projekt zu erfüllen hat (das Wort „Mission“ kommt allerdings im 25 Seiten starken Dokument durchschnittlich mehr als 3 mal pro Seite vor). Der langatmigen historisch-theologischen Einführung folgt der Punkt „Grundpositionen“, und dieser beginnt gleich mit dem Satz „Die Kirche nimmt ihre Katholizität dann wahr, wenn sie über die Grenzen ihrer Gemeinden und Diözesen hinaus das Evangelium bezeugt.“. Eine harmlose Absichtserklärung, könnte man noch meinen.

Spätestens beim Durchlesen des nächsten Punktes, der die pastoralen Handlungsfelder der DKA beschreibt, stößt man aber auf Klartext. Hier werden nämlich der Aufbau und die Unterstützung von christlichen Gemeinden ausführlich besprochen und die Kindermission, im Inland sowie in Entwicklungsländern, nahegelegt. Der Satz, der das Werk abschließt, fasst es auch treffend zusammen: „Die DKA unterstützt Infrastrukturmaßnahmen, die der Verkündigung des Evangeliums und der Stärkung der Ortskirche dienen, in Verbindung mit basiskirchlichen und sozialpastoralen Projekten und Programmen der DKA stehen und deren Förderung und Ermöglichung zum Ziel haben sowie solche, die der Pastoral für und mit Kindern und Jugendlichen (im Sinn der Schwerpunktsetzungen und Programme der DKA) dienen.(…)“.

Gesagt, getan: Ein Blick in die Projektliste 2011 veranschaulicht, wie tatkräftig die frommen Wünsche des Grundlagenpapiers auch umgesetzt wurden. Mit den Geldern, die hilfsbereite Österreicherinnen und Österreicher gespendet haben „um armen Kindern in Afrika zu helfen“, wurde beispielsweise ein „Ausbildungsprogramm für Lai/innen und Ordensleute“ in Ghana, Kongo und Zimbabwe finanziert, der 15. Exegetenkongress in Sambia durchgeführt, ein Pastoralzentrum in Äthiopien gebaut, die Laienmissionare Kenyas unterstützt sowie das Ausbildungsprogramm für Seminaristen der Yarumal Missionare in Kibera bedacht.

Es folgen zahlreiche weitere Beispiele gelebter Evangelisierung in Afrika und in anderen Kontinenten. Für regionale Projekte, wie die Förderung von christlich-arabischen Sendern im Nahen Osten und am Horn von Afrika bleibt aber, glücklicherweise, auch noch Energie und insbesondere Geld übrig und selbst der kleine, jedoch kriegsgeschüttelte Libanon, wurde mit einem eigenen Projekt bedacht: dem XII. Bibelkongress. Mehr Religion braucht dieses Land offensichtlich am dringendsten. Am anderen Ende der Welt konnte Papua Neuginea über das Programm zur Kirchenerneuerung 2011 frohlocken, der Indianermissionsrat CIMI in Brasilien wurde aber auch nicht enttäuscht, denn sein Projekt zur Vernetzung von Indigenen mit der Zivilgesellschaft und Kirche im Amazonasgebiet 2011 - 2013 wurde erfolgreich begonnen. Et cetera et cetera.

Zweifelsohne: es kamen auch zahlreiche Hilfsprojekte zustande, die jeder Kritik standhalten. Allerdings: ausschließlich unter dem hochgehaltenen Kreuz. Es kam gelegentlich vor, dass Entwicklungsländer in Not US-Amerikanische Hilfelieferungen ablehnten oder vor ihrer Verteilung diverse Hilfsgüter umpackten. Der Grund: der große und unübersehbare „USA“-Aufdruck, der jeden Getreidesack und jeden Karton zierte. Bei der kirchlichen Entwicklungshilfe scheint aber die Missionierung selbstverständlich zu sein. Dass die Österreichische Führung sich für die weltweite Evangelisierung einspannen lässt ist höchst beunruhigend; sie tut es entweder aus Unwissenheit oder Bigotterie – legitimiert ist sie dazu jedenfalls nicht. Der Missbrauch der Hilfsbereitschaft vieler ÖsterreicherInnen ist aber schlicht unerträglich; leider gilt das Konsumentenschutzgesetz nicht für das Spendengeschäft.

Die Sternsingeraktion ist aber nur die Spitze des Eisberges. Dank einer typisch österreichischen Nacht-und-Nebel-Aktion wurde im Jahr 2009, am Höhepunkt (?) der Finanzkrise, der Kreis der begünstigten Spendenempfänger drastisch erweitert. Dank einer ausgeklügelten Kombination von gesetzlicher Nebulosität, Begünstigtenselbstkontrolle und Behördenwillkür befinden sich auf der vom BMF veröffentlichten Liste der Steuerbegünstigten nicht nur seriöse, nichtkonfessionelle und nichtmissionierende Organisationen, die unverzichtbare mildtätige oder gemeinnützige Aufgaben erfüllen; zahlreiche mehr oder weniger missionierende kirchliche Körperschaften (DKA inklusive) und, man glaubt es kaum, sektenähnliche Gruppen wie die Vineyardgemeinschaften, sind dort, im selben Topf, ebenfalls zu finden. Und die Steuerbegünstigung hat auch einen Preis: Allein der kirchlich bedingte Steuerentgang wird die Republik heuer grob geschätzte 40-50 Mio. Euro kosten. Der an die Regierung gerichtete Appell der katholischen Sternsinger, die staatliche Entwicklungshilfe aufzustocken, ist daher scheinheilig: Die Streichung der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags könnte den vielkritisierten Rückgang der EZA-Mittel vom Vorjahr auf den Cent wettmachen und die Streichung der Absetzbarkeit von Spenden an kirchliche Hilfs- und Missionierungsorganisationen (wie die Dreikönigsaktion) sogar eine 5,5%ige Aufstockung finanzieren!

Das System ist genial: über den Status des begünstigten Spendenempfängers werden (auch) missionierende Organisationen kräftig gefördert, während alle Steuerzahler den Steuerentgang teilen dürfen und die Republik sich weiter verschuldet. Parallel dazu öffnen auch Anders- und Nichtgläubige ihre Brieftasche, wenn die kleinen Caspar, Melchior und Balthasar vor der Türe stehen. Und sie stellen sogar, mehr oder weniger freiwillig, ihre Kinder der Kirche zu Verfügung, um Geld für die weltweite Verkündung der Frohen Botschaft zu sammeln. Und das Beste: moralische Bedenken gibt es auch keine, denn wer kann schon dagegen sein, wenn für die armen Kinder in Afrika gesammelt wird?

Eytan Reif